Durchkreuzte Pläne:Blendende Aussichten

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Weil sie die Sonnenstrahlen genau in die Fenster des Nachbarhauses reflektierten, sind diese Solarpaneele in Ebersberg mit Folie abgedeckt. (Foto: Christian Endt)

Ein Nachbar klagt, weil eine Solaranlage die Sonne in seine Wohnung reflektiert. Und bekommt Recht. Die Regel oder nur ein Einzelfall? Über alltägliche Probleme der Energiewende - und deren Lösungen

Von Jan Schwenkenbecher

Ist mein Haus denkmalgeschützt? Wie lange wird mein Dach noch halten? Wird die Dachfläche in Zukunft frei von Schatten sein? Das sind nur ein paar der Fragen, die sich stellen sollte, wer eine Solaranlage installieren möchte, so schreibt es zumindest die Energieagentur Ebersberg auf der von ihr betriebenen Webseite www.solare-stadt.de. Eine Frage fehlt jedoch: Ist mein Nachbar einverstanden? Sollte das nämlich nicht der Fall sein, könnte das das Vorhaben gefährden. So geschehen in Ebersberg.

Wilfried Klein, im vorliegenden Fall in der Rolle des Nachbarn, war nämlich nicht einverstanden. Für ihn wurden die Solarpaneele auf dem gegenüberliegenden Dach von Familie Simic zum Problem - weil sie die Sonne reflektierten. Die steht im Frühjahr und im Herbst zur Mittagszeit so ungünstig, dass ihr gleißendes Licht genau in seine Wohnung gespiegelt wurde. Er klagte und bekam vorigen Herbst Recht. Nun bedeckt eine weiße Plane vorübergehend die Paneele, "wir suchen nach Lösungen", sagt Mirjana Simic.

Der Fall hat einige Strahlkraft, wirft er doch bei angehenden Stromerzeugern die Frage auf, ob sich das alles denn überhaupt lohnt, wenn eine Beschwerde des Nachbarn ausreicht, damit ein Gericht die eigene Solarplanung durchkreuzt. Muss denn der Nachbar meiner persönlichen Energiewende wirklich zustimmen?

Zunächst einmal ist, wie meist, alles relativ. Da es kein Gesetz gibt, das ein Limit für Reflexionen von Solaranlagen setzt, kommt es auf die Umstände an. Zwar gibt es eine Licht-Richtlinie, in der genau vorgegeben ist, wie hell Licht in benachbarte Häuser strahlen darf. Die Richtlinie betrifft allerdings nur lichterzeugende Quellen wie Straßenlaternen oder Außenleuchten. Hingegen sind "statische technische oder bauliche Einrichtungen, die das Sonnenlicht reflektieren, nach Baurecht zu behandeln". Doch in der Bayerischen Bauordnung gibt es keine spezifischen Vorgaben zu maximaler Blenddauer oder -intensität. Eine Handreichung kommt vom Fachverband für Strahlenschutz, der in einer Stellungnahme Sonnenlicht-Reflexionen mit dem Schattenwurf rotierender Windräder gleichsetzt, für den es wiederum klare Vorgaben gibt. Daraus leite sich eine maximale Blenddauer von 30 Minuten pro Tag und kumuliert 30 Stunden im Jahr als hinnehmbar ab. Dieser Wert wurde in Ebersberg überschritten.

Dennoch ist nach derzeitigem Recht jeder Nachbarschaftsstreit ein Einzelfall, die Richter müssen sorgsam abwägen. Es gilt das Rücksichtnahmegebot, ein bewusst schwammig formulierter Passus der Baunutzungsverordnung, der besagt, dass bauliche Vorhaben auf ihre Zumutbarkeit hin zu prüfen sind. Lärm - oder Licht - sind nicht per se unzumutbar; es kommt eben immer auf die Umstände an.

In der Praxis führte das dazu, dass Gerichte bei Nachbarschaftstreits wegen blendender Solaranlagen ganz unterschiedlich urteilten. Einige zugunsten der Anlagenbesitzer, andere gaben den Klägern Recht. Etwa eine Handvoll solcher Fälle gab es in Deutschland in den vergangenen Jahren.

In Ebersberg dürfte der vorliegende Fall jedoch ein Novum sein. Blendende Solaranlagen - "bis dato ist das kein Problem", sagt Franz Neudecker, Mitarbeiter der Abteilung für Immissionsschutz im Ebersberger Bauamt. Und auch Hans Gröbmayr, der sich seit 2011 als Klimaschutzmanager um die Energiewende des Landkreises kümmert, sagt: "Mir ist im Landkreis kein einziger anderer Fall bekannt. Wenn es den gäbe, dann würde ich das wissen." Ein Ausnahmefall also, das zeigen auch die Umstände, die für blendende Solarpaneele gegeben sein müssen. "Die Fenster müssen erst mal höher als die Dachfläche liegen", so Gröbmayr. "Dann müssen sie auch noch im richtigen Winkel stehen. Und der Nachbar muss den ganzen Tag über zu Hause sein. Da müssen sehr viele unglückliche Umstände zusammenkommen."

Dass Solaranlagen ins Nachbarhaus blenden, dürfte also nicht häufig vorkommen. Relevanter ist da der Denkmalschutz. Denn bei geschützten Gebäuden benötigt man für jede bauliche Maßnahme daran eine Genehmigung. Auch für sonst genehmigungsfreie Solarpaneele. Dass dies öfter zu Konflikten führen kann, zeigen schon die Listen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege: 85 geschützte Baudenkmäler nennt die Behörde allein für die Stadt Ebersberg. Und erhebt explizit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Streit um die Kombination von Denkmalschutz und Solaranlagen, davon gab es schon mindestens zwei Fälle im Landkreis. Im Mai 2012 verweigerte das Landratsamt dem Eigentümer des Grafinger Bruckenbäckhauses, damals Teil des historischen Ensembles rund um den Marktplatz, die Genehmigung für Sonnenkollektoren an der Fassade. Der Eigentümer klagte, doch auch das Verwaltungsgericht untersagte das Vorhaben. Im Herbst 2013 konnte er die Kollektoren doch anbringen, nach einer Novellierung der Liste wurde das Haus nicht mehr als Teil des Ensembles geführt.

Ähnlich erging es dem Museum Wald und Umwelt in Ebersberg. Nachdem dort im Sinne des Umweltschutzes der Stromverbrauch um die Hälfte reduziert worden war, wollte man den restlichen Bedarf durch erneuerbare Energien selbst erzeugen. Doch auf dem Dach verhinderte der Denkmalschutz das Anbringen von Solarzellen, auf dem Boden der Landschaftschutz. Nun hat das Museum auf Anraten der Landesstelle für nicht-staatliche Museen aber doch einen Weg gefunden: eine Anlage auf dem Dach, aber nur ein kleiner dünner Streifen. Das ließe sich mit dem Denkmalschutz vereinbaren, hieß es. Wer wissen will, ob auch sein Haus unter Denkmalschutz steht, kann auf der Internetseite des Landesamtes nachschauen oder bei der Stadtverwaltung nachfragen.

Anstelle von zu viel Licht, das reflektiert wird, gab es aber auch schon mal Streit wegen zu wenig Licht. In Zorneding beschwerten sich Anwohner darüber, dass die Bäume, die ihre Straße säumen, zu hoch seien und Schatten auf die Solarpaneele werfen würden. Das Anliegen kam jedoch nicht weit, denn hätte die Gemeinde die Bäume wie gewünscht zurechtschneiden lassen, hätten diese das nicht überlebt. Umweltschutz ja, aber nicht auf Kosten der Umwelt.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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