Umwelt-Problem:Biber-Schäden im Landkreis haben sich in fünf Jahren verzehnfacht

Biber hat wieder eingeschlagen bei Gsprait.

Der Eigentümer dieses Grundstückes mit Bachlauf zwischen Ebersberg und Grafing hat das Werk des Bibers vollendet und die angenagten Bäume inzwischen gefällt und entfernt. Vertreiben lassen sich die Tiere dadurch nicht, sie suchen sich an anderer Stelle etwas zum Knabbern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bis zu 200 Biber sollen sich inzwischen durch den Landkreis Ebersberg nagen. Und sie richten immer mehr an.

Von Christoph Jänsch, Ebersberg

Die riesige, uralte Weide ist auf Schienbeinhöhe rundherum angenagt. Und der Täter hat eindeutige Spuren hinterlassen: Grobe, fast schon gleichförmige Späne liegen um den Stamm herum am Boden. Gut möglich, dass der Baum wenige Tage später ganz gefällt ist und sich zu den Spänen hernieder legt.

Der Biber war wieder am Werk. Dass Schäden wie diese im Landkreis Ebersberg zunehmen, weiß Johann Taschner, Sachgebietsleiter für Naturschutz und Landschaftspflege im Ebersberger Landratsamt. Vor fünf Jahren noch hat die jährliche Regulierung für vom Biber verursachte Schäden im Landkreis wenige hundert Euro betragen, sagt Taschner. Inzwischen hat sich die Summe mehr als verzehnfacht: Im vergangenen Jahr wurden zwischen 3500 und 4000 Euro ausgegeben, so Taschner. Der "Biber-Ausgleichsfonds", aus dem das Geld stammt, wurde vom Freistaat Bayern aufgesetzt und hält jährlich 450 000 Euro für finanziell Geschädigte bereit.

Obwohl man sich im Landkreis vor zwei Jahren darauf einigen konnte, die Entschädigungen nicht nur Landwirten, sondern auch Privatpersonen zu bewilligen, werden nach wie vor in "99 Prozent der Fälle" Landwirte entschädigt, berichtet Taschner. Er erklärt sich das damit, dass bei Privatpersonen eher Bagatellschäden auftreten, die seltener gemeldet werden, während die Schäden bei Landwirten zumeist größere Ausmaße annehmen.

Die Ermittlung der Entschädigungssummen erfolgt mittels einer festen Satzung, die finanzielle Schäden zwar mindern soll, jedoch nicht komplett ersetzen kann. Für einen Baum hängt die Summe von Art, Lage, Alter und Umfang ab. Eine Fichte beispielsweise mit einem Umfang von 236 Zentimetern und einem Alter von 80 bis 100 Jahren wird, je nach Standortgüte, mit 112 bis 126 Euro reguliert. In Baumkulturen wird der Betrag durch einen Flächensatz ermittelt. Dieser Satz für eine Kultur 15-jähriger Eichen liegt etwa bei 1,16 Euro je Quadratmeter.

Umwelt-Problem: Dass Biber sich heimisch fühlen, erkennt man im Sommer an Schneisen in Maisfeldern, durch die sie ihr Material für den Dammbau zerren.

Dass Biber sich heimisch fühlen, erkennt man im Sommer an Schneisen in Maisfeldern, durch die sie ihr Material für den Dammbau zerren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Elektrozäune sollen die Bäume schützen

Das Landratsamt hilft aber auch präventiv und hält zum Beispiel Elektrozäune vor, die temporär zur Verfügung gestellt werden können, um bedrohte Bäume abzuschirmen. Oder es kommt für die Kosten einer Spezialfarbe mit einem für den Biber unappetitlichen Inhaltsstoff auf. Damit wird ein Teil des Baumes bestrichen, was dem Nager den Appetit verdirbt.

Biber

Dem unter Artenschutz stehenden Biber an den Kragen zu wollen oder seine Bauten zu schädigen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Aber nicht alle Schäden können präventiv abgewendet werden. Durch das Aufstauen von Wasser würde der Biber auch Grundstücke unter Wasser setzen oder unterspülen. Dadurch sind die Flächen nicht mehr so nutzbar wie zuvor, was zu einer Entwertung führt, erläutert Taschner. Trotz der Maßnahmen, die das Landratsamt ergriffen hat, und der Hilfestellungen, die es bietet, hat Taschner das Gefühl, "dass mancherorts Geschädigte selbst versuchen, Hand anzulegen."

Biber hat wieder eingeschlagen bei Gsprait.

Im vergangenen Jahr wurden zwischen 3500 und 4000 Euro für vom Biber verursachte Schäden im Landkreis ausgegeben.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von einem solchen Fall von Vandalismus berichtet etwa der Aßlinger Walter Steigauf auf seiner Webseite. Dort zeigt er Bilder von einem - offensichtlich durch einen Menschen - zerstörten Biberbau. Dem unter Artenschutz stehenden Biber an den Kragen zu wollen oder seine Bauten zu schädigen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Sobald das Landratsamt davon erfährt, müssen Taschner zufolge umgehend Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Für derlei Delikte sind hohe Geld- oder gar Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren durchaus im Rahmen des Möglichen. Aber bisher zählt Vandalismus dieser Art laut Polizeistatistik zu Einzelfällen.

Was macht den Biber - der ja mit seinem Nagen massiv in Flora und Fauna eingreift - so schützenswert? Zunächst einmal war er über 100 Jahre lang nahezu ausgerottet. Erst seit den 1960er Jahren, in denen sich der Naturschutzbund den Tieren annahm, erholt sich der Bestand zusehends - allerdings so weit, dass er schon fast wieder kritisch ist. Inzwischen hebelten sich Natur- und Artenschutz schon beinah wieder gegenseitig aus, beobachtet Taschner, der sich durchaus vorstellen kann, dass der Artenschutz für den zweitgrößten Nager der Welt auch irgendwann wieder ausgesetzt werden könnte.

Der Biber ist nicht nur schädlich sondern auch nützlich

Der Biber ist jedoch auch Schöpfer völlig neuer Lebensräume. Mit dem Aufstauen von Wasser und dem Fällen von Bäumen schafft er vielfältige Biotope, Tümpel und Nasswiesen mit Totholz - ein kleines Stück "Wildnis" in der sonst so kultivierten Landschaft. Davon profitieren Amphibien, Libellen, Fische und andere selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Die Artenvielfalt steigt erheblich.

Im Kreis Ebersberg hat der Biber mittlerweile alle Lebensräume an Gewässern besetzt. Etwa 100 bis 200 dieser friedlichen Nager gibt es nach Schätzung Taschners hier inzwischen. Einmal im Jahr bringen Biber ein bis drei Junge zur Welt, die zwei Jahre lang bei der Familie bleiben. Da die Zahl der möglichen Reviere begrenzt ist, überleben abwandernde Jungbiber nur, wenn sie ein freies Revier finden. Damit reguliert sich der Bestand langfristig von allein.

Somit sei der beste Schutz gegen Biber der Biber selbst, sagt Taschner. Ein freies Revier bleibt zwar nicht lange frei, sondern wird zügig wieder besetzt - das verhindert jedoch auch, dass ein weiterer sich ansiedeln kann. Zudem ist der Biber schlau und lernfähig. Wenn sein Bau mutwillig beschädigt oder zerstört wird, baut er erneut. Diesmal aber noch stabiler und fester, weil er denkt, er habe zuvor nicht gut genug gebaut, erzählt Taschner. Von ihm gefällte Baumstämme zu entfernen sei übrigens kontraproduktiv - da er dann zusätzlich auch noch andere fällen würde.

"Entnommen werden" können Biber ohnehin nur mit einer Einzelerlaubnis, die in besonders brisanten Schadensfällen ausgesprochen werden kann. Das bedeutet, dass ein Jäger ihn erschießen oder eine Falle aufstellen darf. Doch so einfach ist dem Biber nicht beizukommen: Von den wenigen Einzelerlaubnissen, die das Landratsamt bewilligen würde, könnten nicht einmal die Hälfte der Tiere dingfest gemacht werden, so Taschner.

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