"Die Not ist groß":Von der Nachfrage überrollt

Für das kommende Schuljahr fehlt es in vielen Gemeinden nach wie vor an Betreuungsplätzen. Besonders bei den Krippen und im Hort ist der Bedarf größer als das Angebot

Von Anja Blum

Die Kommunen im Landkreis tun sich nach wie vor schwer, den steigenden Bedarf an Kinderbetreuung zu decken. Zwar ist die offizielle Statistik, mit der das Landratsamt die Lage erfasst, eine Momentaufnahme, doch sie zeigt ein klares Bild: Sowohl im Krippen- als auch im Hortbereich ist die Nachfrage für das Jahr 2014/15 vielerorts größer als das Angebot, einigermaßen im Lot befindet sich lediglich die Auslastung der Kindergärten. "Hier sind die Zahlen eben ein bisschen besser planbar, weil die Buchungen viel weniger von der Berufstätigkeit der Eltern abhängen als zum Beispiel bei der Krippe", erklärt Georg Kast, Hauptamtsleiter im Rathaus Vaterstetten. Schließlich ist es nicht so, dass die Gemeinden den Bedarf nicht decken wollen - sie werden nur schlicht überrollt von den gesellschaftlichen Veränderungen: Immer mehr Mütter steigen immer früher wieder in den Beruf ein, außerdem ist der Landkreis ein beliebtes Zuzugsgebiet - gerade für junge Familien.

In Vaterstetten, der größten Gemeinde des Landkreises, ist die Situation derzeit besonders eklatant: "Die Not ist groß", gesteht Kast. Laut offizieller Statistik fehlen im Herbst 45 Krippen-, 14 Kindergarten- und 36 Hortplätze. Letztere können zwar durch die Mittagsbetreuung aufgefangen werden, doch das sei für die Eltern oftmals nur eine unbefriedigende Lösung, so Kast. Schließlich entfalle damit die zusätzliche Ferienbetreuung Im Krippenbereich verspricht zwar eine neue Einrichtung mit 60 Plätzen in Weißenfeld, die im Februar 2015 ihre Pforten öffnen soll, Entspannung, doch laut Kast wird selbst dadurch das Problem nur vorübergehend gelöst. "Wenn der Bedarf weiter so steigt wie bislang, werden wir im nächsten Jahr schon wieder nachbessern müssen."

Außerdem Sorgen macht dem Hauptamtsleiter, dass das geplante Kinderhaus in der Verdistraße höchstwahrscheinlich nicht im Herbst zur Verfügung stehen wird - und dieser "worst case" sei in die Statistik noch gar nicht miteingeflossen. Der Neubau wurde von Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) samt Gemeinderat auf Eis gelegt, da seitens der unmittelbaren Nachbarn, der Feuerwehr nämlich, erhebliche Bedenken bezüglich des Standorts bestehen: Man befürchtet, dass es bei Einsätzen zu Unfällen zwischen Rettungsfahrzeugen und Kindern kommen könnte. "Diese Sorge ist natürlich verständlich", sagt Kast, "aber ohne diese zusätzlichen vier Gruppen kommen wir nicht auf die Füße." Deswegen hoffe er sehr, dass es nun bald zu einer gütlichen Einigung komme. Denn eine andere Lösung habe er nicht in der Schublade, so der Hauptamtsleiter. "Und eine Mutter, die dem Bürgermeister ihr Kind auf den Schreibtisch setzt, weil sie nicht weiß, wohin damit - das hatten wir schon. Das macht niemandem Spaß."

Ebenfalls problematisch ist die Situation in Zorneding. Es fehlen 20 Krippen- und 18 Hortplätze. Letztere können zwar auch hier durch die Mittagsbetreuung kompensiert werden, doch an Lösungen für die Kleinsten arbeitet man noch. "Die Gespräche laufen", sagt die Betreuungsbeauftragte Kerstin Wohlrab. Zum einen werde eine Großtagespflege eröffnet, also eine Einrichtung, in der mehrere Tagesmütter gemeinsam für Betreuung sorgen, außerdem versuche man, Zornedinger als Gastkinder in anderen Gemeinden unterzubringen. Wie man das Problem langfristig lösen will? "Es soll auf jeden Fall noch eine weitere Krippengruppe aufmachen", so Wohlrab.

Für die Gemeinde Kirchseeon dagegen sieht die Statistik gar nicht so schlecht aus. Es fehlen lediglich sechs Krippenplätze, im Kindergarten sind sogar acht Plätze frei - die nach und nach mit unter Dreijährigen aufgefüllt werden können und so die Situation in den Krippen verbessern. Nur die Hortanmeldungen haben das Angebot deutlich überschritten, dort fehlen 31 Plätze. "Aber auch das hat sich praktisch erledigt, diese Kinder kommen in der Schülerbetreuung der Nachbarschaftshilfe unter", erklärt Angela Paschiller, die Zuständige im Kirchseeoner Rathaus. Trotzdem ist sie beunruhigt: Für ihre Geburtenrate habe die Gemeinde längst vorgesorgt, aber der immense Zuzug mache die Planungen immer wieder hinfällig. Alleine an diesem Montagvormittag seien schon wieder zwei neue Familien bei ihr gewesen, die so rasch als möglich Betreuungsplätze für den Nachwuchs bräuchten. "Dazu kommen viele Kinder, die von der Schule zurückgestellt werden und deswegen ein Jahr länger in den Kindergarten gehen - ich weiß nicht mehr, wie wir das alles bewältigen sollen", stöhnt Paschiller. Derzeit arbeite man im Rathaus bereits an einer Container-Lösung, und auch ein neues Kinderhaus soll 2015 entstehen, doch mit Baumaßnahmen alleine sei es ja nicht getan: "Was obendrein fehlt, ist das Personal." Diesem Umstand seien auch die fehlenden Krippenplätze geschuldet.

Weniger erfreulich wirken auch die Zahlen der Kreisstadt: In Ebersberg fehlen laut Statistik 17 Krippen- und 41 Kindergartenplätze. Doch mittlerweile sieht es laut Annemarie Pfleger, der Verantwortlichen im Rathaus, schon wieder besser aus: Im alten Schulhaus von Oberndorf stehe von Herbst an ein neuer Kindergarten mit 50 Plätzen zur Verfügung, und im Krippenbereich seien sogar noch ein paar einzelne Plätze frei. "Trotzdem brauchen wir mehr", sagt Pfleger, deswegen entstehe am Volksfestplatz gerade eine neue Krippe für ebenfalls 50 Kinder. Für Pfleger ist es "eine Kunst", die Bedarfsentwicklung vorauszusehen - doch nicht nur die Planung belaste die Kommunen, sondern auch die Umsetzung: "Es ist eine erhebliche finanzielle Leistung, die wir da stemmen müssen." Jede Kita koste die Stadt viel Geld - erst müsse gebaut, dann der Betrieb bezuschusst werden. "Noch dazu kommt, dass es sehr schwierig ist, Träger zu finden, die angesichts der Personalnot neue Einrichtungen übernehmen wollen", so Pfleger.

Das weiß man auch im Landratsamt: "Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen weiter steigt und dieser, auch wegen fehlender Fachkräfte, nur schwer zu befriedigen ist", schreibt Norbert Neugebauer, der Büroleiter des Landrats. Deswegen werde von Seiten des Kreisjugendamtes versucht, die Kindertagespflege auszubauen. In problematischen Fällen versuche die Kindertagesstätten-Aufsicht zu vermitteln, und zwar: entweder freie Plätze in anderen Gemeinden, Personal über die Aushilfsbörse beziehungsweise andere Träger oder eben Plätze in der Kindertagespflege. Außerdem verweist man darauf, dass im Gegensatz zu Krippe und Kindergarten im Hortbereich kein Rechtsanspruch besteht: "Die Kinder können, je nach Einzelfall, in sonstigen geeigneten Einrichtungen wie Mittagsbetreuungen oder offenen Ganztagesschulen untergebracht werden."

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