Der Sport im Ort:Schiebung

Wer sich in die Welt der Stockschützen begibt, erlebt einen schweißtreibenden Sport, der den Spielern volle Konzentration abverlangt. Von Massern, Kämpen und der Daube, um die sich alles dreht

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Lang und immer länger wird der Arm. Dreieinhalb Kilo, gefühlt sind es mindestens zehn, liegen schwer in der Hand, die sich um den gebogenen Griff schließt. Das Ziel, klein, schwarz, rund, ist in schier unerreichbarer Ferne kaum auszumachen. "Jetzt noch ein bisschen schwingen, Maß nehmen und dann loslassen." Der Mann redet sich leicht. Erich Geiger coacht den ersten Schussversuch eines totalen Neulings auf der Landshamer Stockbahn. Er selbst übt den Umgang mit dem schweren Gewicht und das Zielen auf die Daube, einen schwarzen Gummiring, der wie ein Autoreifen mit zehn Zentimeter Durchmesser aussieht, schon seit fünf Jahren.

Geiger ist zweiter Vorsitzender des Vereins Landshamer Stockschützen und kommt regelmäßig auf die idyllisch im Grünen gelegene Bahn beim Gut Gerharding - der hat gut schwingen. Als er endlich "jetzt" ruft, schlingert der Stock erst ein Stück durch die Luft, dann über den Teer der Bahn, und dann - kippt er um. Kläglich. Die Daube liegt unberührt am anderen Ende der 32 Meter-Strecke, die es eigentlich zu überwinden galt.

Heiß ist es, die dunkle Teerfläche, auf der die Landshamer ihre Dorfmeisterschaft austragen, saugt die Sonnenstrahlen förmlich in sich auf, um sie dann gnadenlos zurückzuwerfen. Sie macht den Teer weicher, das Schieben der Stöcke schwieriger, vielleicht klingen die Zurufe der Spieler, die hier am späten Samstagnachmittag um den Sieg spielen, deshalb ein wenig verhalten. Die meisten Zuschauer haben sich in den Schatten der Zelte oder des hölzernen Unterstands an der Seite zurückgezogen und überlassen den Spielern den schweißtreibenden Sport.

Stockschützen

600 bis 700 Euro kostet die Ausrüstung, die aus einem Stockkörper, einem Griff, dem sogenannten Krickerl, und verschiedenen Platten für unterschiedliche Wetterbedingungen besteht. Die Krickerl sind aus Titan, jedes hat eine andere Form, einen anderen Bezug aus Leder, Plastik oder Kork.

(Foto: Alexandra Galler/oh)

Dass es beim Stockschießen gar nicht in erster Linie um Kraft geht, wie Vizechef Geiger erklärt, macht es für die Mannschaften im Finale auch nicht besser, die Sonne ist erbarmungslos. Doch die vier Kämpen vom EIP Väterstammtisch, die an diesem Tag die meisten Punkte machen werden, sind voll konzentriert, beobachten die fehlerfreien Aktionen ihres Massers Stefan Hackl. Wenn der erste der Gruppe, der Masser eben, seinen Stock in Richtung Daube geschoben hat, dann geht er los ans andere Ende der Bahn, und schaut sich an, wie der Stock liegt.

Nur die jeweiligen Masser der beiden konkurrierenden Mannschaften - vier sind es insgesamt auf der Bahn - dürfen das, damit es nicht zu Unfällen kommt in der Menge. So einen gut dreieinhalb Kilo schweren Stock will schließlich keiner gegen den Knöchel kriegen. Der Masser entscheidet, wie die anderen drei aus seiner Gruppe schieben sollen, er ist der Mann für die Strategie: Ein bisserl mehr links und draufhalten, um einen gegnerischen Stock möglichst weit weg zu befördern vom Ziel, oder mit viel Gefühl in die Mitte spielen, um einen weiteren eigenen Stock in die Nähe der Daube zu bugsieren - ein bisschen wie bei Boccia oder Boule, wobei der Bewegungsablauf eher dem Kegeln ähnelt. Ein Fuß nach vorne, ein bisschen in die Knie gehen, locker schwingen, zielen, fertig. Ganz einfach, wenn man es denn kann. "Zu verbissen sein und zu viele Nachdenken, das sind die Fehler", sagt Geiger.

Stockschützen

Frauen lieben den Sport, weil statt Kraft Konzentration zählt.

(Foto: Fotos: Alexandra Leuthner/oh)

Neun Punkte kann eine Gruppe in einer Runde maximal erreichen, wenn alle eigenen Stöcke näher an der Daube liegen als die des Gegners. Es werden drei Kehren gespielt, jeder Spieler schiebt einmal pro Durchgang und es spielt immer die Mannschaft, deren Stöcke gerade schlechter zum Ziel liegen. Dabei sind die Kommandos des Massers entscheidend. "Masser kann nur einer mit Erfahrung sein", erklärt Michael Klaß, Vorsitzender der Stockschützen. Ein guter Masser, erklärt er, kenne nicht nur die Spielweise des Gegners sondern schaffe es auch, die Besonderheiten fremder Plätze auszuloten, indem er zu Beginn eines Wettkampfs ein paar mal einen leichten Stock darüber schiebt. Für die Turniere, die der SSV Landsham derzeit in der Kreisliga bestreitet, sei das entscheidend. So wüssten die Gegner, die häufig hier spielten, dass "in Landsham die linke Bahn ein bisserl nach rechts läuft", erzählt Hans Pricha.

Was auch ein Grund dafür ist, dass der SSV nach Sponsoren sucht für eine neue Bahn. Die alte gehört nach 15 Jahren dringend erneuert, die Markierungen auf dem Teer, die das genaue Berechnen der Punkte ermöglichen und den Bereich kennzeichnen, wo ein Stein aus dem Punktebereich herausfällt, sind verblasst im Laufe der Zeit. Die neue Bahn soll aus Pflastersteinen sein, nicht mehr aus Teer, weil Pflastersteine einzeln ersetzbar sind. Um die 25 000 Euro werde sie wohl kosten, sagt Geiger - nicht das einzige, was ins Geld geht beim Stockschießen. Mit etwa 600 bis 700 Euro für die Ausrüstung, die aus einem Stockkörper, einem Griff, dem sogenannten Krickerl, und verschiedenen Platten besteht, die je nach Witterung und Erfahrung benutzt werden, ist man schon dabei. Die Krickerl sind aus Titan, jedes hat eine andere Form, einen anderen Bezug, aus Leder, Plastik oder Kork. Für jede Hand einen anderen Griff. Für Neulinge und zum Probieren, erklärt Geiger, habe der SSV aber Stöcke und Platten auf Lager.

Stockschützen

Auf den richtigen Schwung beim Schieben kommt es an.

(Foto: Alexandra Galler/oh)

Dabei kann sich der SSV über fehlenden Nachwuchs nicht beschweren, "und das Schöne ist", sagt Geiger, "dass nicht nur Rentner eintreten." 115 Mitglieder hat der Verein, 35 davon sind aktiv, und sie spielen nicht nur, sondern sie feiern auch gemeinsam, so wie an diesem Samstagabend, wenn nicht nur die siegreiche Herrenmannschaft mit Stefan Graf, Hans Pricha, Stefan Hackl, Uwe Löffler und Einwechselspieler Dirk Harting geehrt wird, sondern auch die vier Siegerinnen der Damenwertung, die schon am Vormittag gespielt haben. Die Hiadaln mit Julia Rechenmacher, Christine Grupp, Astrid Märkl und Isabel Caldiero haben zum ersten Mal gewonnen.

"Dass hier alle Generationen zusammen sind, zwischen 30 und 70, dass Frauen und Männer gemeinsam Sport machen, sich zum Training treffen, das finde ich super", erklärt Geiger, der vom Fußball zum Stockschießen gewechselt ist. Und von wegen "Altherrensport": Nichts als ein Vorurteil, erklärt Schriftführer Pricha, "das Stockschießen erfordert höchste Konzentration, und das bei einer Meisterschaft wie heute, über Stunden. Eine Präzisionssport, das ist anstrengend." Weshalb auf der Bahn - auch das ganz gegen so manches Vorurteil - Alkohol tabu ist. "Das wird gar nicht gern gesehen", sagt Geiger, "hinterher", setzt er schmunzelnd hinzu, "dann schon."

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