Der Sport im Ort:Die Erinnerung bleibt

Wegen eines Wasserschadens musste die 60 Jahre alte Tribüne des Jugendstadions des TSV Ebersberg im Februar abgerissen werden. Jetzt stehen dort Container, die Fußballer haben mehr Platz und Komfort als früher. Ohne Tribüne und Katakomben fehlt aber ein wichtiger Teil

Von Matthias Reinelt, Ebersberg

Das Flutlicht strahlt über den Platz, die nächste Übung steht an, gleich ist Tobias Trenkler an der Reihe. Bevor er die Hütchen umdribbelt, dreht er sich nochmal um und schaut auf die blaue Containerlandschaft. "Da stand halt immer die Tribüne, die geht einfach ab", sagt Trenkler, 30, TSV-Urgestein und Mittelfeldmann in der dritten Mannschaft.

Wo bis vor einem halben Jahr noch die Holztribüne und der Kabinentrakt des Jugendstadions standen, bestimmen jetzt die Container das Bild. Sie sind der Ersatz für ihe alte Tribüne, die sie 1957 gebaut haben, und vor einem halben Jahr abreißen mussten. Zu den alten Containern, wo vorher schon Bälle, Hütchen und Trainingsleibchen verfrachtet wurden, kamen im August sieben weitere Container dazu. In tiefem Blau - eigentlich so gar nicht passend zu den grün-weißen Vereinsfarben des TSV - reihen sie sich aneinander. Darin sind jetzt die Kabinen zum Umziehen, Duschen, Trainingsmaterial, Toiletten und Technik untergebracht.

Im Februar war der Gebäudetrakt des Jugendstadions - wohl aufgrund eines technischen Defekts der Toilettenanlage - bis knapp unterhalb der Grasnarbe mit Wasser vollgelaufen. Umkleidekabinen, Toiletten und Sicherungskasten wurden überschwemmt. Dominic Mayer, Abteilungsleiter des TSV, war gerade auf einer Hochzeit in Wien, als er die ersten Bilder von der "Katastrophe" aufs Handy geschickt bekam. "Ein wahnsinniger Schock", sagt der 28-Jährige.

TSV Ebersberg Jugendstadion

Container für die Teams: Die jungen Spieler des TSV Ebersberg müssen derzeit mit dem Provisorium leben.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Damals, vor 60 Jahren, war die Holztribüne die erste derartig große Tribüne im Landkreis Ebersberg, die TSV-Mitglieder hatten sie selbst gebaut. "Da geht ein Stück Vereinsgeschichte verloren", sagt Fußballchef Mayer. Trotz Wehmut hat sich Trenkler, der Spielertrainer, mit der neuen Situation "ganz gut angefreundet", sagt er. Man kann sich endlich a bisserl breit machen". "Wenn sie ein bisschen zammrutschen", würden jetzt sogar zwei Mannschaften in eine Kabine passen. Mehr Platz zum Umziehen, moderne Duschen und keine feuchten Wände mehr - den Komfort, den man vom Jugendstadion vorher nicht gewohnt war. Trenkler und Mayer sehen auch die guten Seiten. "Es war ein toller Moment, als die Container endlich auf ihrem Platz gelandet sind", so Mayer. Sein Plan, dass die Container bis zum Volksfestspiel Mitte August stehen, ging auf.

Die Zeit, wo es am Volksfestplatz ein Fußballstadion gab, ist damit vorbei. In den nächsten Jahren stehen dort Container. Die Kosten für die Anschaffung der neuen Anlage: 72 000 Euro. Zusammen mit den Baukosten muss der Verein insgesamt 130 000 Euro bezahlen, alles andere als ein Pappenstiel. Dafür hat der TSV einen Kredit über 100 000 Euro aufgenommen. Schon im März rief der Verein zu einer Spendenaktion auf. Der BFV, andere Vereine aus Ebersberg, Unternehmen und Privatleute spendeten insgesamt 37 000 Euro, gar der FC Bayern und der TSV 1860 beteiligten sich an der Aktion. "Eine wahnsinnige Bereitschaft", sagt Mayer. Viele fühlten sich verbunden mit dem Jugendstadion, haben selbst "ewig hier gespielt".

TSV Ebersberg Jugendstadion

Tobias Trenkler und seine Teamkollegen ziehen sich in den Containern um.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Florian Huber, zweiter Abteilungsleiter des TSV, war geschockt, als er die "Verwüstung" nach der Überschwemmung gesehen hat. Mit seinen 31 Jahren ist einer der dienstältesten im Verein, der noch aktiv spielt, diese Saison hat er in allen drei Teams des TSV ausgeholfen. 25 Jahre TSV Ebersberg, 25 Jahre Jugendstadion. "Im Prinzip habe ich dort meine Kindheit verbracht", erzählt Huber. Später war er dann selbst Trainer vom Ebersberger Fußballnachwuchs. Auf den Trainingsplätzen des TSV wird es schon mal eng, umso wichtiger war der Rasen am Volksfestplatz, meist reserviert für den Nachwuchs, fürs Training und für Punktspiele. Den Fußballplatz gibt es immer noch, nur dass man dort jetzt nicht mehr aus den Katakomben auf den Rasen geht.

"Die Tribüne war schon ein Hingucker", sagt Thomas Gröninger, Spieler der zweiten Mannschaft. Für den 22-Jährigen hängen viele Kindheitserinnerungen am Ebersberger Jugendstadion, in der F- und der E-Jugend wurde er hier Meister. Wie er hofften viele TSV-Mitglieder, dass man die Tribüne samt Kabinen retten und sanieren kann, diesen Ort, wo schon so vielen Zuschauer packende Spiele erlebten, wo Eltern ihre Kinder anfeuerten. Doch ein Statiker bestätigte, was viele befürchtet hatten: die Holztribüne musste abgerissen werden.

Der Sport im Ort: Bis vor einem halben Jahr stand das Jugendstadion des TSV Ebersberg noch.

Bis vor einem halben Jahr stand das Jugendstadion des TSV Ebersberg noch.

(Foto: Christian Endt)

Zeit, in Trauer zu verfallen, habe man nicht wirklich gehabt, sagt der zweite Abteilungsleiter Huber. Um Kosten zu sparen, musste in Eigenarbeit alles raus. "Metalle, Kabel, Duscheinrichtungen, Türrahmen" erzählt Gröninger. Die Resonanz bei den Vorbereitungen für den Abriss war dabei groß: Spieler der drei Männermannschaften, Trainer, Freiwillige und Jugendspieler halfen mit, so gut sie konnten. Traurig war dann der Moment, "als der Bagger kam und die Tribüne zusammengefahren hat", erinnert sich Mayer. "Die Tribüne, wo man nach dem Training noch zusammensitzen und ein Bierchen trinken konnte, fehlt schon", sagt Gröninger.

Für Christoph Leitner, Spieler in Ebersbergs zweiter Mannschaft, hatte das Stadion mit seiner Tribüne "Kultstatus", auch der 27-Jährige hat sein gesamtes Fußballerleben nur in Grün-Weiß gespielt. Die Lösung mit den Containern findet er gut, allerdings passen sie "nicht ins Jugendstadion", findet er, nicht an diesen nostalgischen Ort. "Das Beschweren über die Duschen fehlt, das hat einfach dazugehört", fügt er hinzu und lacht. Für die Zukunft wünscht er sich, dass vielleicht wieder eine passende Tribüne gebaut wird, "die an das Jugendstadion erinnert".

Geplant ist das derzeit nicht, der Pachtvertrag geht noch zehn Jahre, die Container seien daher "auf jeden Fall als feste Lösung geplant", sagt Abteilungsleiter Mayer zu den Zukunftsaussichten. Ohnehin wäre "bald etwas auf uns zugekommen", sagt er. Das Gebäude war stark sanierungsbedürftig.

Eine Traube aus Spielern steht nach dem Training herum, sie diskutieren über die vergangene Saison, über die Einstellung auf dem Platz, unter ihnen ist auch Tobias Trenkler, das Flutlicht scheint ihm ins Gesicht. Sie stehen kurz vor der Auslinie, hier sind früher die Mannschaften aufs Feld gelaufen. "Es hatte was Nostalgisches hier zu spielen, aus den Katakomben hochkommen, fast wie bei den Profis", sagt sein Teamkollege Leitner. Die Hütchen und Leibchen räumen die Spieler in die Container, wie sie es vorher schon gewohnt waren. Doch jetzt geht es auch zum Umziehen in Container, nicht mehr die Treppe nach unten in die Kabinen, den Gang entlang, wo man an der Wand mit dem TSV Ebersberg-Logo vorbei ging.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: