Der Sport im Ort:Aufsteiger der Herzen

Der Sport im Ort: Am Samstag, 19 Uhr, kann Julius Höfers Team im Heimspiel gegen den Ligazweiten SV Schwaig Meister werden. Mit dem Aufstieg wird es dennoch nichts.

Am Samstag, 19 Uhr, kann Julius Höfers Team im Heimspiel gegen den Ligazweiten SV Schwaig Meister werden. Mit dem Aufstieg wird es dennoch nichts.

(Foto: privat)

Julius Höfer steht mit den Volleyballern des TSV Grafing vor dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die Schuhe so lang wie Kinderarme. Der Kopf so weit oben, dass ihn der Zwei-Meter-Mann unter der Tür instinktiv einzieht. Wenn sich Julius Höfer in der Grafinger Kabine auf die Bank setzt, sieht das aus wie bei Eltern, wenn sie an den Schultischen ihrer Grundschulkinder sitzen. "Zuhause Meister werden, das wäre einfach ein Traum", sagt er. Am Samstag, 19 Uhr, schon können die Grafinger gegen den SV Schwaig den Sack zu machen, vorzeitig, zwei Spiele vor Saisonende der zweiten Volleyball-Bundesliga. Dafür braucht es einen glatten Drei-Punkte-Sieg.

Es wäre der größte Erfolg der Klubgeschichte.

Über den Kabinen, auf den ausziehbaren dunkelgrünen Polypropylen-Tribünenteilen, sollen dann 800 Zuschauer sitzen, so der Plan. Die Jahnsporthalle wäre ausverkauft. Niemand in Grafing weiß verlässlich, ob das überhaupt schonmal jemals gelang. Wenn, dann muss es im Frühjahr 2010 gewesen sein - damals ging es für Grafings Volleyballer um den Aufstieg von der dritten in die zweite Liga.

Julius Höfer, 26, spielte damals noch in Kempfenhausen (Kreis Starnberg). Bereits als 15-Jähriger schnupperte er zum ersten Mal Zweitligaluft, spielte in der deutschen Jugend-Nationalmannschaft, wurde mit der Volleyball-Mannschaft der TU München zweimal Europameister der Studenten, holte sich, fast nebenher, die Bayerische Meisterschaft im Beachvolleyball. Nach einem Gastspiel bei den kalifornischen Northridge Matadors wechselte er 2012 zum TSV Herrsching. Bis in die erste Liga stieg er mit der Mannschaft auf.

Vor einem Jahr fiel seine Entscheidung für Grafing. "Bei mir war das Studium zu Ende, es ging um den Einstieg ins Berufsleben", so Höfer. Der Ingenieurberuf sei mit einem Volleyball-Engagement in der Bundesliga schwer zu vereinen. "Die zweite Liga ist immer noch superanspruchsvoll", sagt er. Schlagzahl und Druck seien aber etwas weniger. Deshalb kann Außenangreifer Höfer verschmerzen, was manche in Grafing weniger locker sehen: Selbst als Meister wird das Team nicht aufsteigen. Zur Erstligalizenz fehlen zwei Meter Deckenhöhe und die Perspektive für weitere 1700 Zuschauerplätze. Und ein Batzen Geld im Vereinsetat.

Aufstieg in die Bundesliga? Es ist nicht lange her, da wurde in Grafing über ganz andere Themen gesprochen. Vor einem Jahr noch kämpfte das Team von Coach Alexander Hezareh gegen den Abstieg. Selbst als die Mannschaft nach der Weihnachtspause den fünften Sieg in Folge feierte, bremste Manager Johannes Oswald noch: Die Liga sei unglaublich stark. Zum Saisonende irgendwo im oberen Mittelfeld zu stehen, könne sich schon ziemlich sehen lassen, hieß es. Doch jedes Mal, wenn Oswald nach dem Spielen seinen Pressebericht schickte, dann ähnelten sich die Überschriften. "Nächster Heimsieg für die Grafinger", "Grafing siegt schon wieder" oder zuletzt: "Grafing besiegt den Spitzenreiter". Jetzt sind die Höfers, Voggenreiters, Wagners oder Zierhuts selbst Spitzenreiter, satte fünf Punkte vor dem Tabellenzweiten Schwaig aus Mittelfranken, der Gegner am Samstag.

Das Spitzenspiel in Grafing ist der erste Meisterschafts-Matchball. Sollte der TSV verlieren, kann das Team in den verbleibenden beiden Spielen trotzdem aus eigener Kraft Meister werden. Aber: "Zuhause im Spitzenspiel eine Meisterschaft zu holen, wäre die Krönung der Saison", sagt Höfer. Eine sehr diplomatische Kampfansage für einen Mann, der den Kopf höchstens vor dem Türrahmen einzieht.

Mit dem SV Schwaig kommt ausgerechnet jene Mannschaft, gegen die der TSV Grafing das letzte Mal verloren hat. "Das war eine der bittersten Partien überhaupt", sagt Höfer. Das Spiel in Schwaig war Anfang Dezember, Grafing kam nie ins Spiel, verlor am Ende klar mit 1:3. Aber: So eine Niederlage kann auch sein gutes haben, weil man sich auch mal hinterfragt. "Wir haben taktisch daraus gelernt", sagt Höfer. Dazu wurde nun systematisch gescoutet, Videos von Schwaigs Spielen analysiert und ausgewertet. Welche Spieler und Spielzüge könnten für die Grafinger gefährlich werden? Wo hat der Gegner Schwachstellen? Gelingt dem TSV diesmal ein Sieg, wird der Samstagabend zur großen schwarz-gelben Feier.

Wenn die Stadt wieder nüchtern ist, dürfte es nicht lange hin sein zur politischen Debatte um eine erstligataugliche Halle. Eine Lösung ist nämlich gar nicht so abwegig. Vieles deutet darauf hin, dass in Grafing Bahnhof bald eine neue Berufsschule entsteht. Dazu gehöre freilich auch eine Turnhalle, die, so heißt es, nicht klein ausfallen dürfte.

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