Demenz:Rund um die Uhr in Sorge

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Demenz ist nicht nur für die Patienten, sondern auch für Angehörige eine Belastung. Sie können den Kranken oft kaum noch aus den Augen lassen. (Foto: dpa)

An diesem Montag ist Welt-Alzheimer-Tag. Er soll die Pflegenden in den Mittelpunkt stellen, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz häufig an ihre Grenzen stoßen. Eine Betroffene aus Markt Schwaben erzählt

Von Ina Berwanger, Markt Schwaben

"Es ist gigantisch, das kann sich niemand vorstellen, der noch nicht selbst in dieser Situation war", sagt Christa Mayer (Name von der Redaktion geändert). Rund um die Uhr ist die Markt Schwabenerin für ihren Mann da, lässt ihn nicht aus den Augen und hilft ihm bei so gut wie allen alltäglichen Dingen. Er hat vor drei Jahren die Diagnose Demenz bekommen. Nicht nur in seinem Leben, sondern auch in dem seiner Frau ist nun nichts mehr, wie es einmal war.

Begonnen habe die Krankengeschichte ihres Mannes im Grunde schon vor neun Jahren, erzählt Christa Mayer. Damals erlitt ihr Mann einen Herzinfarkt. "Ab da hat er sich verändert", erinnert sich die 61-Jährige. "Vielleicht hat es da begonnen", mutmaßt sie über den Zeitpunkt für den schleichenden Beginn der Demenzerkrankung. Erst, als ihr Mann nach einem erneuten Klinikaufenthalt vor drei Jahren aus dem Krankenhaus weglief, führten die Ärzte mit dem heute 71-Jährigen einen Test zur Feststellung einer Demenzerkrankung durch. "Seitdem nimmt er Tabletten, aber ob die helfen, kann ich nicht sagen, ich weiß ja nicht, wie es wäre, wenn er die Medikamente nicht nehmen würde", sagt Mayer. Sie weiß nur, dass ihr Mann ohne sie nicht mehr klarkommt. "Er vergisst so viele Wörter, kann keine Sätze mehr bilden, zieht sich falsch an und braucht auch beim Waschen meine Hilfe."

Drei Stunden in der Woche komme eine Haushaltshilfe zu ihr, so Christa Mayer. Ihre Kinder haben ihre eigenen Familien und die Berufstätigkeit, manche Freunde hätten sich zurückgezogen, aber andere würden auch nachfragen, wie es ihrem Mann und ihr gehe. Dennoch fühle sich "allein gelassen", sagt die Markt Schwabenerin. "Ich fühle mich eingesperrt, kann nichts mehr so machen, wie ich es möchte." An einen entspannten Stadtbummel ist nicht mehr zu denken, weil die pflegende Ehefrau ihren kranken Mann nicht aus den Augen lassen kann. Zu groß ist die Gefahr, dass er sich nach wenigen Schritten verläuft und nicht mehr zu ihr zurückfindet. Dass er früher ein begeisterter Skiläufer war und stundenlang im Keller Holzspielzeug basteln konnte, hat der Demenzkranke vergessen. Und seine Frau kommt nur noch zu ihrem "liebsten Hobby Tennis, wenn die Betreuerin Zeit hat".

Eine so genannte Alltagsbegleiterin der Caritas betreut dann für ein paar Stunden den Mann von Christa Mayer. Die Ehrenamtliche ist speziell im Umgang mit Menschen mit Demenz ausgebildet. Wenn sie bei dem Kranken ist, kann Mayer auch zu den monatlich stattfindenden Treffen für pflegende Angehörige bei der Caritas gehen. Denn alleine daheim lassen könne sie ihren Mann unter keinen Umständen: "Wir unternehmen alles gemeinsam." Jeden Tag fährt das Ehepaar mit dem Zug hinaus ins Grüne, läuft um den Tegernsee oder ist in einer anderen schönen Gegend zum Spazieren unterwegs. Wenn es aus dem Haus ginge, wäre ihr Mann sofort dabei, sagt Christa Mayer. Und auch sie muss hinaus, möchte etwas sehen und erleben.

Die Pflege fordert auch die Psyche der Frau. "Ich nehme ihn einfach so wie er ist, es ist nicht jeder Tag gleich", so Mayer. Sie dürfe aber nicht ungeduldig werden, denn diese Anspannung übertrage sich sofort auf ihren Mann. Die Krankheit bringt es mit sich, dass er unruhig werden kann oder auch aggressiv.

In die Demenzgruppe der Caritas wollte er beim dritten Mal nicht mehr, also verbringen die Mayers wieder fast jede Stunde miteinander. Dreimal in der Woche eine Tagespflege, das wäre eine Entlastung, das würde sie sich wünschen, meint Christa Mayer. Aber dann kommen ihr doch wieder Zweifel. "Ich denke immer, vielleicht ist er noch nicht so weit." Die pflegende Angehörige selbst ist ihrer Belastungsgrenze jedoch nah: "Manchmal möchte ich davonlaufen."

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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