Das Leid der Anwohner:Am Zug

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Noch bis zum 7. März haben die Landkreisbürger Zeit, sich an einer Umfrage zum Bahnlärm zu beteiligen. Wie wichtig das ist, zeigt sich am Beispiel Zornedings

Von Karin Kampwerth

Die Kinder schlafen schlecht, das Geschirr wackelt im Regal und so mancher fühlt sich derart geplagt von vorbeirumpelnden Güterzügen, dass er gar meint, jedes Mal aus dem Bett fallen zu müssen. Die Klagen der Vaterstettener, Zornedinger, Kirchseeoner und Grafinger, die an der Bahnstrecke von München nach Rosenheim wohnen, sind austauschbar. Allen gemeinsam ist: Sie leiden unter dem Lärm, den die Züge verursachen. Das sind derzeit im Mittel täglich knapp 100 Güterzüge, wie Peter Pernsteiner berichtet, der voriges Jahr als Spitzenkandidat der Kreis-FDP für den Bundestag kandidierte und im Zornedinger Gemeinderat sitzt.

Der Bahn gehört Pernsteiners kritische Leidenschaft. Die aktuellen Entwicklungen machte er in dieser Woche zum Thema eines Treffens seines Ortsverbandes für Zorneding und Kirchseeon. Anlass ist der aktuelle Lärmaktionsplan der Bundesbahn. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Umfrage, bei der Menschen, die an den Hauptverkehrsstrecken der Bahn leben, noch bis zum 7. März angeben können, wie sehr sie sich vom Lärm gestört fühlen. In Zorneding sind das nicht wenige, wie Pernsteiner berichtete. Am ersten Teil der Umfrage im vorigen Sommer hatten sich 527 Gemeindebürger beteiligt. Eine beachtenswerte Zahl, wie Pernsteiner befand, hatten sich in Bayern doch insgesamt 7919 Menschen und bundesweit 38059 Menschen beteiligt. "1,38 Prozent aller Stellungnahmen kamen aus Zorneding", sagte Pernsteiner.

Die Ergebnisse klingen nicht gut. Demnach fühlten sich 79 Prozent der Zornedinger stark vom Bahnlärm belästigt. Vor allem über Fahr- und Bremsgeräusche werde geklagt, so Pernsteiner. 13 Prozent müssten laut Lärmkartierung des Eisenbahnbundesamtes während der Nacht Lärmpegel von 55 dB(A) oder mehr ertragen. Übersetzt in Geräusche bedeutet das, als wäre man dauerhafter Beschallung durch Fernseher oder Radio auf Zimmerlautstärke ausgesetzt. 30 Prozent würden von 50 bis 55 dB(A) gestört. Weitere 28 Prozent werden nachts noch mit 45 und 50 dB(A) beschallt. "Das beeinträchtigt schon gewaltig", sagte Pernsteiner, was ein Blick in eine Tabelle zu Schallpegeleinheiten unterstreicht. So liegt alles zwischen 40 und 60 dB(A) in einem Bereich, der Konzentrationsstörungen verursacht.

Umso mehr ärgert sich der Politiker über eine Aussage des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), der bei einem Brenner-Gipfel zwischen Deutschland, Österreich und Italien am 5. Februar behauptet hatte, dass die Strecke München-Rosenheim-Kufstein "locker" das Doppelte an den derzeit dort verkehrenden Güterzügen verkrafte.

Grund genug auch für den Zornedinger Gemeinderat, der sich auf Anregung seiner Arbeitsgemeinschaft Bahnlärm an diesem Freitag in einer öffentlichen Stellungnahme an das Eisenbahn-Bundesamt wandte, um seine Forderung nach einer durchgehenden Lärmschutzwand zu bekräftigen. Pernsteiner sagte beim FDP-Treffen dazu, dass diese von Baldham bis Eglharting reichen müsste, da die Güterzüge bei Fertigstellung des Brenner-Basistunnels im Jahr 2026 von aktuell 400 auf bis zu 700 Meter lang werden könnten. Die als Lärmschutzmaßnahme vorgesehenen Schienenstegdämpfer, die das Schlagen der Räder verringern sollen, sind jedoch nur auf einer Länge von 300 Metern geplant und laut Stellungnahme des Gemeinderates "nicht hinnehmbar".

Wenn dann noch die Kapazität der Zugstrecke von Innsbruck nach Bozen von derzeit 184 Zügen täglich auf 400 Züge steige, bringe das entsprechend mehr Verkehr zwischen München und Rosenheim mit sich - und das bislang ohne jeglichen Lärmschutz zum Ortsteil Pöring hin. Die Zornedinger fordern das Eisenbahnbundesamt deshalb zu konkreten Vorschlägen für Lärmschutzmaßnahmen auf. "Als Verursacher sehen wir die Deutsche Bahn und das Eisenbahn-Bundesamt in der Pflicht, die Beeinträchtigungen für die Gesundheit der Zornedinger Bürger/innen durch durchgreifende Maßnahmen abzuwenden", heißt es in der Stellungnahme von Freitag. Ob und wie sich die Bahn dazu äußern wird, ist fraglich. Auf einen Gemeinderatsbeschluss mit der Forderung nach mehr Lärmschutz von Juli vergangenen Jahres ist bis heute keine Antwort der Bahn im Zornedinger Rathaus eingegangen.

Noch bis zum 7. März können Anwohner an den Hauptverkehrsstrecken der Bahn an der Umfrage des Lärmaktionsplans unter www.laermaktionsplanung-schiene.de teilnehmen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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