Alkoholmissbrauch:Prävention am Krankenbett

Komasaufen

Volks- und Weinfeste sind offenbar nicht die Hauptauslöser für Alkoholvergiftungen im Landkreis, sondern das Vorglühen.

(Foto: dpa)

Die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen des Caritas-Projekts HaLT "Hart am Limit" engagieren sich gegen Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen - und das mit großem Erfolg.

Von Johanna Feckl, Grafing

"Wenn es um Alkoholkonsum geht, ist man bei Jugendlichen viel aufmerksamer als bei Erwachsenen", sagt Margit Schwarz von der Grafinger Caritas. "Bei jungen Menschen ist es noch möglich, Weichen zu stellen." Diese Weichenstellung soll das Projekt HaLT "Hart am Limit" erreichen: Wenn Jugendliche wegen eines akuten Rauschzustandes in die Ebersberger Kreisklinik eingeliefert werden, sind Schwarz oder einer ihrer Kollegen zur Stelle und sprechen mit den betroffenen Teenagern.

Offenbar mit Erfolg: Laut dem Statistischen Landesamt geht die Zahl der stationären Klinikaufnahmen wegen Alkoholvergiftung von unter 20-Jährigen im Landkreis zurück. Im Jahr 2014, aktuellere Daten gibt es noch nicht, mussten deswegen 52 Jugendliche stationär behandelt werden das sind 22 weniger als im Vorjahr.

Bisher kam kein Jugendlicher zwei Mal

"Es gibt dem ganzen Vorfall ein völlig anderes Gewicht, wenn da extra jemand gerufen wird", meint Schwarz. Diese Erfahrung scheint bei den Jugendlichen zu fruchten. Bisher mussten weder Schwarz noch einer ihrer Kollegen aus dem HaLT-Projekt einen der jungen Betroffenen ein zweites Mal im Krankenhaus besuchen.

"Bei den meisten ist es ein einmaliger Ausrutscher", ist sich die Sozialpädagogin sicher. Vorwiegend sind die Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren alt, überdurchschnittlich gute Schüler aus einem überdurchschnittlich intakten Elternhaus, fügt sie hinzu. Deshalb möchte sie auch ungern von Alkoholsucht sprechen, sondern benennt die Problematik der Jugendlichen als Alkoholmissbrauch.

2008 ist das Projekt in Grafing gestartet

In der Arbeit mit den Jugendlichen unterstützen Schwarz und ihre Kollegen aus der Fachabteilung für Suchterkrankungen der Caritas im Moment drei Ehrenamtliche. Jeweils an Wochenenden und Feiertagen sowie jeden Morgen bis 11 Uhr sind sie in Rufbereitschaft. Einer von ihnen ist der 25-jährige Elias Weißinger. Seit 2008, als das HaLT-Projekt in Grafing startete, ist er schon dabei. Daneben engagiert er sich in der Fachambulanz für junge Suchtkranke bei der Caritas in München und steht kurz vor dem Abschluss seines Bachelorstudiums der Psychologie. Die zwei anderen ehrenamtlichen Helferinnen sind im selben Alter und studieren Soziale Arbeit und Soziologie. "Das ist der Idealfall", wie Schwarz es nennt.

"Die Jugendlichen reden sehr viel mit uns, weil wir selbst alle noch recht jung sind", schildert Weißinger seine Erfahrungen. Er selbst sei noch nie zu jemandem gerufen worden, zu dem er absolut keinen Zugang gefunden habe. In den überwiegenden Fällen seien die Jugendlichen sogar erleichtert, mit jemanden reden zu können, ergänzt Schwarz. Die Schweigepflicht gelte dabei natürlich auch für die HaLT-Mitarbeiter. Schwarz betont, wie wichtig ihnen dieser Aspekt bei ihrer Arbeit sei.

Bis zu 60 Minuten im Gespräch

Wenn die Kreisklinik Weißinger benachrichtigt, und er bei den jungen Betroffenen ankommt, versuche er direkt, mit ihnen in ein Gespräch zu kommen: Was ist am Abend zuvor passiert? Wie viel wurde getrunken? Warum wurde überhaupt getrunken? Und wieso ist man hier im Krankenhaus gelandet? 30 bis 60 Minuten spricht Weißinger mit den Jugendlichen, je nach Bedarf. Manchmal sind die Eltern mit dabei. Manchmal bitten diese ihn aber auch ausdrücklich um ein Vier-Augen-Gespräch mit deren Kind.

Dass er und seine HaLT-Kollegen bereits in der Klinik mit den jungen Betroffenen in Kontakt treten, soll nachhaltig wirken: "Der Jugendliche hat dann noch einen unmittelbaren Eindruck: Er hat einen Kater und es geht ihm in der Regel schlecht. Da ist er einsichtiger und merkt, dass Alkohol vielleicht doch nicht so toll ist." Ohne Reflexion in der Situation selbst, ausgenüchtert und wieder daheim im Elternhaus sei diese Erfahrung oftmals schon wieder vergessen oder verdrängt.

Die Mitarbeiter und Freiwilligen vom HaLT-Projekt können nur schwer schätzen, wie oft sie durchschnittlich im Einsatz sind. "Das schwankt." Die Wahrscheinlichkeit steige aber erheblich, wenn in den umgebenden Ortschaften ein Volks- oder Weinfest ist, sagt Weißinger. Und der Freitag nach dem Unsinnigen Donnerstag in der Faschingszeit sei ein "Garantietag", wie Schwarz ergänzt. "Wer da am Freitagmorgen Rufbereitschaft hat, der kann sicher mit einem Einsatz rechnen."

Das größte Problem ist das Vorglühen

Das Problem dabei liegt aber gar nicht an den Festen selbst, sondern an der wachsenden Beliebtheit des "Vorglühens": "Die meisten Jugendlichen haben eben wenig Geld und können sich die Getränke auf den Veranstaltungen gar nicht leisten", vermutet Weißinger. Deshalb treffen sich die meisten vor Festbeginn und betrinken sich bereits dort hauptsächlich mit Bier, Wein oder Mischgetränken.

Eines möchte das HaLT-Projekt den Jugendlichen keinesfalls vermitteln: Alkohol ist generell schlecht und strikt zu meiden. Das betonen Weißinger und Schwarz einstimmig. "Wir möchten erreichen, dass sie um ihr eigenes Maß wissen", erklärt Weißinger. "Die Jugendlichen sollen einen risikoarmen Alkoholkonsum kennenlernen", fügt Schwarz hinzu.

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