Brutaler Übergriff:Mit Messer oder Gabel

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Sind die Angeklagten erwachsen, werden ihre Straftaten in der Regel in öffentlichen Sitzungen verhandelt. Zuhören darf also jeder. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein 24-Jähriger muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten

Von Johannes Hirschlach, Ebersberg

Ob Messer oder Gabel ist normalerweise eine Frage, die sich nur am Esstisch stellt. Doch auch vor Gericht kann ein solcher Sachverhalt relevant werden: nämlich dann, wenn zwar eine sichtbare Wunde vorliegt, sich die Beteiligten über die Tatwaffe jedoch nicht einig sind. So geschehen in einer Verhandlung am Amtsgericht Ebersberg, bei der ein 24-Jähriger der schweren Körperverletzung beschuldigt wurde. Der Mann, der in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis untergebracht ist, soll im Juni diesen Jahres einem anderen Bewohner ins Gesicht geschlagen haben. Stunden später soll er den 22-Jährigen mit einem Messer an der Hand verletzt haben - so zumindest die Anklage.

Diesen Vorwurf wollte der Beschuldigte nicht stehen lassen. "Ich habe nicht mit dem Messer zugestochen", übersetzte eine Dolmetscherin den 24-Jährigen. Stattdessen habe er zu einer Gabel gegriffen. Vorausgegangen sei dem Angriff ein Streit vor der Unterkunft. Auch hier wich der Angeklagte von der Beschreibung der Staatsanwaltschaft ab. "Er hat mich mit der Faust geschlagen", betonte der junge Mann und deutete immer wieder an seinen Hals, wo ein Hieb abgeprallt sei. Er habe dagegen nur zurückgeschubst.

Der Zeuge sah dies wiederum anders. Er beschuldigte den Angeklagten vor Gericht nun, ihn bei dem Streit vor der Tür mit einer Gabel verletzt zu haben. Während der Essensausgabe sei der 24-Jährige dann mit einem Messer auf ihn los. Auf Nachfrage von Richterin Vera Hörauf, warum auf einmal von zwei Besteckgegenständen die Rede sei, wollte sich der Zeuge nicht mehr an eine Gabel erinnern. Beide hätten sich draußen nur ins Gesicht geschlagen. "Aber mit dem Messer hat er mich am Abend gestochen", sagte der 22-Jährige.

Als sich Angeklagter und Zeuge dann auch noch wechselseitig Ohrfeigen, Beleidigungen und weitere Gabelstechereien vorhielten, die sich zudem nicht mit ihren Aussagen vor der Polizei deckten, musste auch Richterin Hörauf kapitulieren: "Ich verstehe ehrlich gesagt den Ablauf nicht mehr", sagte sie entnervt. Eindeutig feststellbar sei nur die Verletzung an der Hand des 22-Jährigen. So beschränkte sich das Gericht auf diesen Vorfall. Den Angriff hatte der Beschuldigte zugegeben, bestand jedoch darauf, die Gabel verwendet zu haben. Das Opfer beharrte weiterhin hartnäckig auf dem Messer. Ein weiterer Zeuge, ein Mitarbeiter der diensthabenden Security-Firma, sagte vor Gericht, er habe lediglich einen Blick auf die Wunde erhascht. "Es hat von den Stichen ausgesehen, als ob es von einer Gabel kommt", berichtete er. Die Tatwaffe selbst habe er nicht gesehen.

Trotz der allseits vagen Aussagen der Beteiligten tendierte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer zur Auffassung des Sicherheitsmannes: "Ich meine, man muss von einer Gabel ausgehen." Auch mit dieser seien erhebliche Verwundungen möglich, womit eine gefährliche Körperverletzung vorliege.

Das sah auch Richterin Hörauf so: "Das Ganze ist nicht mehr restlos aufklärbar", sagte sie. Zumindest der Hieb mit einem Besteckteil sei aber Tatsache. Somit lautete das Urteil für den noch nicht vorbestraften Angeklagten sechs Monate auf Bewährung sowie die Pflicht, zwei Jahre lang jeden Wohnortwechsel am Amtsgericht angeben zu müssen. Auf eine Arbeitsauflage verzichtete das Gericht wegen der fehlenden Englisch- und Deutschkenntnisse des 24-Jährigen.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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