Brutaler Klang:Auf der letzten Pfeife

Die 50er-Jahre-Orgel in St. Georg Aßling funktioniert seit Jahren nicht mehr richtig. Nun soll ein Verein ins Leben gerufen werden, der Spenden für ein neues Instrument sammelt

Von Alexandra Leuthner, Aßling

Der Befund ist so unmissverständlich wie erschreckend. "Der Klang aller Register dieser absolut wertlosen Orgel ist brutal und hässlich bei einer grauenhaften Intonation." Was der Orgelsachverständige des erzbischöflichen Ordinariats Friedemann Winklhofer da aufgeschrieben hat, macht nicht gerade Lust, das Instrument in der Aßlinger Kirche St. Georg einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Und doch offenbart ein Besuch auf dem Portal der im 16. Jahrhundert entstandenen Kirche mit dem gotischen Dachstuhl noch so manche - üble - Überraschung.

Asslinger Orgel - ist total kaputt

Kirchenmusiker Christian Suttner weiß ganz genau, dass er manche Tasten nicht drücken darf, wenn er keine Lücken in seinen Akkorden haben will.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der junge Kirchenmusiker Christian Suttner, der seit 2015 in der Pfarrei angestellt und daran gewöhnt ist, auf dem 1956 gebauten Instrument die sonntäglichen Gottesdienste zu begleiten, zeigt eine gehörige Portion Galgenhumor - den er auch nötig hat, wenn er sich hinter die beiden Manuale des so gescholtenen Instruments setzt. "Manche Pfeifen springen gar nicht mehr an", erklärt er und probiert versuchsweise ein "E" im Oberwerk. Ein kurzes Aufstöhnen des Tons, dann ist es vorbei, als wäre ihm die Luft ausgegangen. Deren Zufuhr zu den Ventilen der pneumatischen Orgel funktioniert nicht mehr so, wie sie soll. Anspruchsvollerer Orgelliteratur genügt das Instrument längst nicht mehr, "am schlimmsten ist es in Es-Dur", spöttelt Suttner, aber die Gemeinde kriege er schon noch begleitet, "man muss halt wissen, welche Töne man auslassen muss". An diesem Vormittag hat es nur ein paar Grad in der Kirche, aber "je heißer es ist, desto mehr Töne fallen aus", erzählt er, greift ein paar Akkorde, schaltet zur Demonstration mittels altertümelnder Tasten Register zu und nimmt sie wieder weg. Versucht sich an einer Staccato-Passage, die ein bisschen fußlahm klingt. Das liegt mitnichten am Anschlag des Organisten. Den Tönen fehlt die Trennschärfe, es ist, als würden sie unter der Berührung der Tasten auseinanderfallen. "Ich muss schon sehr akzentuiert spielen", erklärt Suttner - sonst wird jeder noch so perlende Sechzehntellauf zu einem verwaschenen Legato.

Asslinger Orgel - ist total kaputt

Die Metallpfeifen der Aßlinger Orgel sind aus Zink, teilweise verbogen und angeknackst, an manchen Stellen sogar mit Tesafilm repariert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass es um den Zustand des Instruments nicht zum Besten steht, ist in der Pfarrei "seit Jahren schon ein Thema", erklärt Kirchenpfleger Alois Eichner, "sie hat in früheren Jahren schon manchmal gestreikt". Nun aber muss nach Meinung von Kirchenverwaltung, Pfarrer und Kirchenmusiker endlich eine Lösung her, sie wollen versuchen, für das Instrument einen Ersatz zu finden. Kirchenpfleger Eichner hatte das erwähnte Gutachten beim Ordinariat vor gut einem Jahr in Auftrag gegeben. Wie Organist Suttner erklärt, ist offenbar schon beim Bau durch eine mittlerweile nicht mehr existente Münchner Orgelbaufirma schlechtes Material verwendet worden. Die Pfeifen seien nicht aus Zinnblei - das im Krieg aus vielen Kirchenorgeln für die Waffenproduktion entwendet worden war, sondern aus dem viel billigeren Zink, und mit einer Silberlegierung versehen. "Pfusch", urteilt der Musiker. Ein Blick ins Innere des Orgelgehäuses offenbart auch, warum ein Teil der Töne nicht mehr funktioniert: Manche Pfeifen sind verbogen, eine über dem Labium so abgeknickt, dass sie keinen Ton mehr von sich gibt, als Suttner darauf bläst. Es fehle im oberen Teil, dem Prospekt, ein Gehäuse, das die Pfeifen schütze und auch dazu diene, den Klang zu leiten, der so in der Aßlinger Kirche nach allen Seiten entweichen kann. Dass sich auch noch der Holzwurm in den Holzpfeifen, in Gehäuse und Spieltisch eingenistet hat, scheint da nur noch das Tüpfelchen auf dem i zu sein.

Asslinger Orgel - ist total kaputt

In den Holzpfeifen, dem Gehäuse und dem Spieltisch sitzt der Holzwurm.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nachdem klar ist, dass sich eine Reparatur nicht lohnt, will man in der Pfarrei am kommenden Sonntag, 13. November, einen Orgelbauverein gründen, der sich um Spenden für ein neues Instrument bemühen soll. Nach dem Gottesdienst um 11.15 Uhr wird zunächst eine Informationsveranstaltung stattfinden, im Anschluss soll der Verein gegründet werden, mit dem Zweck die Pfarrgemeinde bei einem Neuerwerb zu unterstützen. Auf welchen Betrag sich die Kosten belaufen werden, ist dabei noch völlig offen, und hänge auch davon ab, wie schnell der Verein wie viel Geld sammeln könne, erklärt Suttner. Bei gut 200 000 Euro liege die Orgel in der Pfarrkirche in Münsing, die in der Größe in etwa mit der in Aßling vergleichbar sei. Nach Suttners Worten gebe es aber auch die Möglichkeit, ein renoviertes gebrauchtes Instrument zu erwerben. Gerade in Nordrhein-Westfalen würden ja viele Kirchen geschlossen, da würden immer wieder Instrumente frei. Vom Ordinariat kann der Pfarrverband dabei keine große Hilfe erwarten. 80 bis 90 Prozent der Kosten müssen durch Spenden finanziert werden, "das ist auch in anderen Gemeinden üblich", erklärt Kirchenpfleger Eichner. Was nicht heißt, dass die Pfarrgemeinde dann alleine über die Neuanschaffung entscheiden darf. Eine elektronische Orgel, die weitaus preisgünstiger wäre, "lehnt das Ordinariat ab", erklärt Eichner, immerhin ist Aßling Sitz des Pfarrverbands. "Wir streben also die große Lösung an, jetzt lasst uns mal ein paar Jahre sammeln."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: