Bruck:Regionale Rebellion

Windrad Bruck Dr. Nina Scheer zu Besuch

Hans Zäuner und Werner Stinauer, die Betreiber des Brucker Windrads, im Gespräch mit Nina Scheer und Ewald Schurer von der SPD.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die SPD besichtigt mit der Bundestagsabgeordneten und Energieexpertin Nina Scheer das lange umkämpfte Windrad in Bruck

Von Victor Sattler, Bruck

Die sturen Bayern sind die Gallier Deutschlands, das gilt als gesichert. Zornedings Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD) ging aber noch einen Schritt weiter: Sie präsentierte kürzlich der Bundestagsabgeordneten Nina Scheer (SPD) vollen Stolzes "die Gallier innerhalb Bayerns" - in Bruck: Hans Zäuner und Werner Stinauer von der Osterkling GmbH, die Betreiber der bisher einzigen Windenenergieanlage im Landkreis.

Verdient haben sich Zäuner und Stinauer das Prädikat "besonders hartnäckig", indem sie ihr Windrad, zu dem ihnen schon 2010 bei einem Bier die Idee kam, in den vergangenen sieben Jahre gegen alle Kritiker verteidigten - sogar vor dem Münchner Verwaltungsgericht. "Die beiden waren mutig und sie glaubten stets an ihre Idee", lobte auch Ewald Schurer (SPD), der Bundestagsabgeordnete des Landkreises. Nur dank dieses Muts konnte nun Nina Scheer, die sich im Energieausschuss des Bundestags um die Umstellung auf Erneuerbare Energien bemüht, das Windrad in Betrieb bewundern.

Fast genau 3000 Stunden ist es seit Dezember 2016 am Netz und hat in dieser Zeit bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 24 Metern pro Sekunde 1,4 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. "Je schneller es sich dreht, desto mehr Strom macht es", erklärte Zäuner - im Durchschnitt reiche die Anlage aber, um sämtliche Haushalte Brucks zu versorgen. "Eine Symbolik, die imponiert!", befand Schurer. "Ein Windrad, eine Gemeinde."

Etwaige Zweifel wurden bei der Besichtigung noch einmal ausgeräumt. Angenehm leise sei das Windrad, so Zäuner, weil man sich beim Konzipieren der Blätter eine Flugtechnik der Eule abgeschaut habe, die mache es genauso. Zuvor waren Vögel aber nicht bloß als Vorbilder, sondern auch als potenzielle Opfer des Windrads im Gespräch gewesen, nachdem der Landesbund für Vogelschutz geklagt hatte: Namentlich der Rotmilan und der Baumfalke sollten mit richterlicher Gewalt vor dem Windrad geschützt werden. "Plötzlich zauberten die Gegner dann Falken aus dem Hut", erinnerte sich Zäuner. Heute kann er darüber lachen, nachdem die Revisionsfrist für das Urteil abgelaufen ist und die Osterkling GmbH den Streit somit endgültig gewonnen hat. "Die Vögel schauen ja hoffentlich auch nach vorn beim Fliegen", sagt er. Zäuner hält das Argument für einen Vorwand. Die wahren Beweggründe der Gegner seien ihm allerdings verborgen geblieben: "Man wollte es einfach nicht, weil man's nicht wollte. Wir haben das Gespräch gesucht, aber mit solchen Leuten kann man doch nicht vernünftig reden." Nina Scheer nickte und berichtete, auch sie kenne diese "diffuse Ablehnung" in der Bevölkerung und führe sie meist auf Unsicherheiten oder Unwissen zurück.

"Wir haben's ja nicht leicht in Bayern", resümierte Josef Mittermeier, SPD-Gemeinderat in Vaterstetten - und meinte damit vor allem die seit 2014 in Bayern geltende 10H-Regelung, die einen Mindestabstand der zehnfachen Höhe der Anlage zu Wohngebäuden vorsieht. Eine Vorgabe, die im Fall Bruck vom Gemeinderat außer Kraft gesetzt wurde. Der Abstand zu Wohnflächen beträgt hier nur einen Bruchteil dieses Werts. Bei der Besichtigung wurde das Brucker Windrad folglich als Rebellion gegen diese starre Regel gepriesen. Dass nicht nur Horst Seehofer, sondern auch die SPD der Energiewende bürokratische Hürden in den Weg stelle, wollte sich Schurer aber nicht sagen lassen. Er zeigte sich lieber als Befürworter der Windenergie: "Zwischen Nord- und Ostsee gibt es die Windräder doch bereits tausendfach. Auch hier sollten sich endlich mehr Bürgermeister und Gemeinderäte zur Nachahmung trauen", so Schurer. "Man kann reden - oder man kann es auch einfach mal machen."

Letzteres habe sich in Bruck bezahlt gemacht, denn heute sei das Interesse an der "bayerischen Seltenheit" riesig, verriet Zäuner. 25 geführte Touren seien für die nächste Zeit geplant. Auch Bianka Poschenrieder hat mit dem Windrad noch Großes vor. Das Stromprodukt aus dem virtuellen Kraftwerk, das sich aus der Brucker Windrad sowie sechs Biogasanlagen zusammensetzt, solle als landkreiseigener "Eberstrom" vermarktet werden, erstmalig vorgestellt werde die Idee auf der Kreisgewerbeschau, so Poschenrieder.

Nina Scheer gab neue Denkansätze zum Verhältnis von Mensch und Strom: "Solange wir den Strom als Sache sehen, wird es immer das Problem des Graustroms geben." Damit bezog die Bundestagsabgeordnete Stellung zu der Aussage, man könne letztlich dem grauen Strom physikalisch nicht mehr zuordnen, ob er aus fossilen Brennstoffen, regenerativen Quellen oder Atomkraft stammt. Marktwirtschaftlich lasse sich die Herkunft des Stroms dabei sehr wohl herausfinden, so Scheer. Entscheidend für die Energiewende sei daher die regionale Partizipation durch dezentrale Systeme. Mit der Devise "Efficiency first" sei deshalb vorsichtig umzugehen, da viele die Effizienz fälschlicherweise in Zentralsystemen sähen, anstatt in der eigenen Region. Bruck jedoch sei ein Beweis für regionale Effizienz.

Nach diesen einstimmigen Lobliedern kam eine Einordnung doch noch überraschend: Hans Zäuner gestand, dass die Technik des Windrads, für das er und Stinauer 2011 den Plan eingereicht hatten, heute eigentlich schon überholt sei. Damit brachte er aber auch zum Ausdruck, dass der Wille zu einer zweiten, moderneren Windenergieanlage vorhanden sei. In Bruck stehe eigentlich schon wieder "ein alter Hut". Ermutigt durch Schurer und Scheer zeigten sich die beiden Betreiber also optimistisch und für neue Debatten gewappnet - selbst wenn die Skeptiker aus dem neuen Hut dann wieder ihre Falken zaubern mögen.

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