Markt Schwaben:Kita ergänzt Ostern mit St.-Patricks-Brunch

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Ostern findet statt in der Markt Schwabener Kita "Villa Drachenstein". (Foto: Korbinian Eisenberger/OH)

Anfeindungen im Ort und Kritik aus ganz Deutschland sind die Folge. Doch die Erzieherinnen fühlen sich falsch verstanden.

Reportage von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Es ist vier Uhr Nachmittag, eine Zeit, in der in der "Villa Drachenstein" alles in Bewegung ist. Buben und Mädchen rennen durch den Gang, Eltern binden Schuhe, Abholzeit in einem ganz normalen Kinderhaus in Oberbayern. Das sieht man, weil an diesem Dienstag selbstgebastelte Papier-Ostereier und Hasen an den Fenstern kleben, auf einem Tischchen sind Kinderbücher aufgestellt, über den Osterkuckuck oder den Hasen. Kinder lachen und plärren, überall winzige Schuhe und Spielzeug. Alles wie immer also. Man merkt kaum, dass hier erst vor ein paar Tagen Menschen mit Fernsehkameras über das Gelände stapften.

Das Markt Schwabener Kinderhaus Villa Drachenstein ist in den vergangenen Tagen weit über Bayern hinaus prominent geworden. Es hieß, die Einrichtung würde ihr Osterfest in diesem Jahr durch eine St-Patricks-Day-Feier ersetzen. Da war die Aufregung groß, nicht nur im katholischen Bayern; Zeitungen und TV-Sender aus ganz Deutschland berichteten aus Markt Schwaben. "Kindergarten lässt Ostern ausfallen - aber St. Patrick's Day wird gefeiert" war eine Schlagzeile dieser Tage. Bei genauerem Hinschauen stellt sich jedoch vieles anders dar.

Villa Drachenstein
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Kommentar von Korbinian Eisenberger

Entscheidend für all die Aufregung war eine E-Mail, die der Träger der Einrichtung, die Arbeiterwohlfahrt (Awo), an die Eltern schickte. Darin heißt es, dass die Villa Drachenstein "in diesem Jahr anstelle eines Osterfestes ein kleines Projekt zum St. Patrick's Day durchführen" werde. "Damit die gewohnte Ostereiersuche nicht komplett ausfällt, werden wir stattdessen nach Goldschätzen der Kobolde suchen." In der E-Mail klingt es also danach, als werde ein bayerischer Brauch durch einen irischen ersetzt. Und so kam es, dass sich Reporter aus dem ganzen Land für ein Haus für 150 Kinder aus der Region interessierten.

Im Netz wurde emotional diskutiert, weniger mit Fakten

Ulrike Bittner hat harte Tage hinter sich, sie ist die Geschäftsführerin vom Awo-Kreisverband Ebersberg und musste sich vielfach erklären. "Unsere Kita wurde stark angefeindet." Am Telefon, per Mail - und in hunderten öffentlichen Kommentaren auf Facebook und im Netz. Auch lokale Politiker übten Kritik: "Mit dieser Entscheidung gibt die Awo den Rechtspopulisten eine Steilvorlage", erklärt etwa der Markt Schwabener Gemeinderat Tobias Vorburg (Grüne). Andere verteidigen die Awo: "Ich bin auch Erzieherin und finde nicht unbedingt, dass jeder Kindergarten Ostern mit christlichem Hintergrund feiern muss", schreibt eine Facebook-Nutzerin.

Der Schlagabtausch im Netz wurde intensiv und emotional geführt, weniger mit Fakten. Auch, weil Fragen offen blieben. Klar ist: Es geht hier um Paragraf vier in der Verordnung zur Ausführung des bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes für Horte und Kitas. Dort heißt es: "Alle Kinder sollen zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur erfahren und lernen, sinn- und werteorientiert und in Achtung vor religiöser Überzeugung zu leben." An diesen Paragrafen muss sich die Villa Drachenstein halten.

Die Frage ist nun, ob hier ein Regelbruch vorliegt oder nicht. Glaubt man den Berichten, sieht es zunächst so aus, als würde die Awo in Markt Schwaben ein zentrales Fest der christlichen Kirchen in Bayern komplett ausblenden. "So ist es aber nicht", sagt Bittner, sie führt mit einer Kollegin und einem Vorstandsmitglied durch die Räume. Zwei grüne St.-Patricks-Day-Plakate hängen an der Wand, selbstgebastelt von den Kindern, erklärt Bittner. Aber es pappen auch Papiereier und Filzhasen, die Osterdeko ist dominanter. "Es stimmt, dass wir das Osterfrühstück dieses Jahr durch einen Brunch mit grünen Speisen und Getränken ersetzen", sagt Bittner. "Ostern findet bei uns aber genauso statt."

Aufgebracht hatte die Debatte Anja Zwittlinger-Fritz, Mutter und CSU-Gemeinderätin aus Markt Schwaben, die sich auf ihrem Facebookaccount über das Awo-Vorhaben beschwerte. "Wir sind in Bayern! Da feiert man Ostern", heißt es darin. Wahrscheinlich liegt in dem Begriff "Feiern" der Knackpunkt. Der St.-Patricks-Brunch der Villa Drachenstein soll ja am letzten Kita-Tag vor Ostern stattfinden, am 29. März, dem Gründonnerstag also.

Sogar Sat1 kam mit einem Filmteam in die Villa Drachenstein

"Das Osterfest selbst zu feiern ist gar nicht unser Auftrag", sagt Bittner. Auch weil die Kita am Ostersonntag geschlossen ist. "Wir erklären den Kindern zwar, warum Ostereier gesucht werden oder warum man zum Beispiel einen Christbaum aufstellt", sagt sie. Liturgische Inhalte, Gottesdienste oder Beten sei jedoch eine Sache der Familie.

Sehr viel Bohei um das Ganze, sogar Sat1 war mit einem Kamerateam da, zog aber wieder ab, weil in der Kita viel weniger Grün zu sehen war, als die TV-Bilder vertragen. "So einen Aufruhr hatte ich nicht im Sinn", sagt Zwittlinger-Fritz am Dienstag. Auch auf die Freundschafts-Anfragen diverser AfD-Sympathisanten auf Facebook hätte sie gerne verzichtet, sagt sie. Oder auf Kommentare, die sich mit der Rettung des Abendlandes befassen.

Abendland? Für die Kinder der Villa Drachenstein steht jetzt der Abend daheim an. Langsam leert sich der Gang. Das Geschrei ist vorbei.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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