Böller und Feuerwerk:Das große Zittern

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Hundetrainer Thomas Fichte gibt Tipps, damit Silvester nicht zum Stresstag für Tier und Halter wird.

Von Katharina Blum

Hoffen auf ein Silvester mit wenig Böllern und Knallern: Hundetrainer Thomas Fichte und seine Hündin Mädi (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die einen feiern, die anderen leiden: Es kracht und knallt, bunte Sternenregen explodieren am Himmel - für Menschen ist Silvester ein Spektakel, für viele Hunde dagegen eine Qual. Wie man seinen Vierbeinern am besten über den Silvesterstress hinweghilft, erklärt der Grafinger Hundetrainer Thomas Fichte.

SZ: Kaum krachen die ersten Böller, suchen selbst stattliche Hunde Zuflucht auf dem Schoß des Menschen. Sollte Herrchen oder Frauchen einen Hund trösten, der zittert und sich verkriechen will?

Thomas Fichte: Trost ist das falsche Wort. Man sollte dem Hund aber auf jeden Fall Beistand geben. Man liest in der Fachliteratur immer viel von Ignorieren in solchen Situationen, aber das ist falsch. Hunde ignorieren einander auch nicht. Gerade bei Ängsten bekommen Hunde im Rudel Beistand.

Wie kann der Mensch Beistand geben?

Wenn der Hund zittert und zu einem kommt, dann soll man ihm auch Nähe geben. Streicheln beruhigt Mensch und Hund, und diese Nähe gibt Vertrauen. Dabei wird Oxytocin ausgeschüttet, das Hormon mildert Stress. Was man aber nicht haben darf, ist Mitleid. Ein schmaler Grat, gerade beim Menschen, denn die trösten gerne. Und das ist das große Problem. Die meisten Hundebesitzer stehen da und sagen: Ui, Silvester, mein armer Hund. Dieser Gedanke muss erst mal aus dem Kopf, denn nur dann kann ich ruhig reagieren.

Weiß man, was in dem Tier vorgeht, was es sich unter diesen Geräuschen vorstellt?

Der Hund erhält einen unspezifischen Reiz. Das bedeutet: Im Gehirn kommt ein Geräusch an, das er nicht zuordnen kann. Und dann setzt erst einmal wie beim Menschen das Angstzentrum, das Angstgedächtnis ein und bewertet diesen Reiz. Dann kommt es auf den Hund an, wie cool er ist. Böller machen vielen nichts aus. Und bei den anderen, die vom Gehirn keine Antwort bekommen, bei denen setzt dann das Stresssystem ein, und viele versuchen nur noch zu flüchten.

Wie kann man ihnen helfen, den Abend gut zu überstehen?

Neben Nähe geben: Füttern. Das ist stresslindernd, wenn der Hund noch frisst. Man kann feststellen: Wenn man ganz gute Sachen gibt, nicht bloß schnöde Leckerlis, und der Hund verweigert die, dann hat er Stress und extreme Angst. In der Situation frisst keiner mehr. Bei Hunden, die sonst gerne spielen, ganz viel spielen, wirklich die Hunde hochpuschen, sobald draußen die ersten Böller knallen. Ängstliche Hunde draußen nur noch an der Leine führen. Und an Silvester die letzte Runde möglichst früh gehen.

Sind Beruhigungsmittel für Tiere der richtige Weg?

Wenn der Hund starke Panik hat, ja. Bei Hütehunden, die sehr geräuschempfindlich sind, hat man in Versuchen festgestellt, dass sich die Geräuschempfindlichkeit durch die Einnahme von Schilddrüsenhormontabletten deutlich verringert. Aber welche Mittel man schließlich gibt, das ist eine Frage für den Tierarzt. Bloß nicht irgendwelche freiverkäuflichen Mittel besorgen.

Das erste Silvester auf gar keinen Fall. Man kann einen Hund eventuell, wenn er die vorherigen Silvester gut überstanden hat, in einen anderen Raum bringen und sich das Feuerwerk vom Balkon aus anschauen. In den Tagen davor waren es einzelne Knaller, Silvester kommt es dann geballt. Zu den Böllern noch die Raketen, die für Hunde noch schwieriger einzuordnen sind. Und wenn er einmal traumatisiert wird, ist es eine sehr schwierige Sache, das jemals wieder herauszubringen.

Und fürs nächste Jahr: Haben Desensibilisierungs-CDs oder spezielle Hundehörbücher ihren Sinn?

Jein. Es gibt viele Hunde, die im Fernsehen auf die Geräusche reagieren. Es gibt auch Hunde, die das ignorieren. Um bei solchen CDs überhaupt einen Effekt zu haben, braucht man eine sehr gute Dolby-Surround-Anlage. Punkt zwei: Diese CDs sind ein Dauergeräusch. Sie kommen immer und immer wieder, während draußen die Böller unvermittelt krachen. Drinnen ist sicheres Gebiet, das wird anders wahrgenommen als draußen, wo aus Sicht der Natur eigentlich Gefahr herrscht.

© SZ vom 31.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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