Besuch im Forst:Verbiss mein nicht

Forstl. gutachten Waldverjüngung mit StaMi Brunner

Bayerns Forstminister Helmut Brunner (grüner Schirm) inspiziert am Freitag mit Georg Kasberger vom Ebersberger Landwirtschaftsamt (rechts daneben) und 30 Gästen einen Wald bei Oberpframmern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Abschuss-Vorgaben haben die Schäden durch Rehe, Hirsche und Gämsen seit 1991 bayernweit auf die Hälfte und im Landkreis Ebersberg fast auf ein Drittel reduziert. Forstminister Helmut Brunner startet in Oberpframmern nun eine neue Erhebung

Von Korbinian Eisenberger

Wenn Helmut Brunner in den Landkreis Ebersberg kommt, sollte man Regenschirm und Gummistiefel einpacken. Bayerns Forstminister von der CSU neigt offenbar dazu, sich im Morast zu verabreden, er wählt dafür stets Tage aus, an denen es gießt. So war das vor vier Jahren bei seinem Besuch in Grub, und so ist es auch an diesem Freitag in Oberpframmern. Trotz des Sauwetters haben der Minister und sein Gefolge ihre Schirme in München gelassen. Immerhin: Es gibt gerade keinen Gegenwind.

Es geht um Rehe, Hirsche und Gämsen und um deren Appetit auf junge Bäume. Deshalb stehen hinter dem Oberpframmerner Sportplatz 30 Jäger, Waldbesitzer, Förster und Politiker beisammen. Sie sind an den Waldrand gekommen, weil der Staatsminister den Startschuss für die nächste Erhebung der Baumverbisse in ganz Bayern gibt. In den kommenden Wochen gehen Bayerns Förster auf Bissspurensuche. Sie sollen "in den landesweit rund 22 000 Aufnahmepunkten die nötigen Daten erheben", so Brunner. Daraus ergibt sich, wie viel in den kommenden drei Jahren wo geschossen wird - eine entscheidende Frage für Tier und Jäger.

Dieses System hat dazu geführt, dass die Schäden durch Rotwild-Verbisse im Landkreis Ebersberg in den vergangenen 27 Jahren um 60 Prozent zurückgegangen sind. Gemeint sind damit Buchen, Tannen und Eichen, diese Baumarten sind vom Wildbiss hauptsächlich betroffen. Das Gebiet rund um den Ebersberger Forst (der umzäunte Wildpark ist in der Erhebung nicht miteingerechnet) steht damit deutlich besser da, als der bayernweite Durchschnitt. Brunner teilt mit, dass sich der Verbiss bei Buche, Tanne und Eiche in Bayern seit der ersten Erhebung 1991 "um rund die Hälfte" verringert habe.

Im Ebersberger Forst und seinen Ausläufern neigen Reh, Hirsch und Gams also weniger zum Verbiss als in vielen anderen Wäldern des Freistaats. Warum ist das so? Nachfrage bei Heinz Utschig, dem zuständigen Forstamtsleiter. Er nennt zwei Gründe für die Quote: einerseits die Arbeit der Förster, sie durchforsten den Wald so, dass dort Lichtkreise von 30 Meter Durchmesser stehen bleiben, auf einen Hektar kommen drei. "Ohne Sonnenlicht kann am Boden nichts wachsen", sagt Utschig. Damit junge Bäume in der Sonne gedeihen, braucht es aber vor allem Jäger, nur so funktioniert es. "Unsere Jäger setzen die Abschusspläne konsequent um", sagt Utschig. In den meisten Revieren des Ebersberger Forsts muss der zuständige Jäger im Jahr neun Rehe pro 100 Hektar schießen (Reviere sind meist zwischen 200 und 500 Hektar groß) - davon jeweils zu einem Drittel Geiß, Kitz und Bock - das ist die unterste Grenze. "Rund um Wasserburg werden 15 im Jahr geschossen", sagt Utschig. Die Obergrenze im Kampf gegen den Verbiss liegt bei 25 Tieren pro 100 Hektar. Dreimal so viel wie in Ebersberg. "Es läuft nicht überall in Bayern gut", sagt Utschig.

Forstl. gutachten Waldverjüngung mit StaMi Brunner

Mit Wäscheklammern und Schildern wird gezeigt, wie die Förster in der Region Daten zum Verbiss von jungen Bäumen erheben.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So fing vor 27 Jahren alles an. Weil Waldbesitzer und Förster der starken Schäden nicht mehr Herr wurden, führte der Freistaat damals das sogenannte "Forstliche Gutachten" ein. 1991 wurde so erstmals im großen Stil ermittelt, wie stark der Verbiss in einem Wald ist. Seither erhält jeder Revierjäger alle drei Jahre einen neuen Abschussplan.

Staatsminister Brunner ist fast am Schluss seiner Rede angelangt, man sei auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ende, sagt er. Was Brunner nicht erwähnt: Aktuell gibt es einen Zwist wegen der Art der Erhebung der Verbissspuren im Wald. Der Grund: Vor drei Jahren änderte sich die Methode. Bis 2012 waren die sogenannten Hegegemeinschaften entscheidend für die Abschussquote, also ein Zusammenschluss von sechs bis acht Revieren. Es wurden zwar in jedem Revier Spuren gesammelt, am Ende galt jedoch für alle Reviere einer Hegegemeinschaft der gemeinsame Durchschnittswert. "Da kam es vor, dass in manchen Revieren der Abschussplan nicht stimmte", erklärt Georg Kasberger, er leitet das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg.

Seit der letzten Erhebung 2015 wird nun nur noch "revierweise" ermittelt - seither erhält jeder Jäger eine individuelle Abschussquote. Daraus kann man Schlüsse ziehen, wie fleißig ein Jäger gewesen ist, wie bei einem persönlichen Zeugnis. "Es gibt einige, die nicht so glücklich damit sind", sagt Kasberger. Vom Bayerischen Landesjagdverband etwa gab es immer wieder Kritik an der Änderung. Der Forstminister geht auf diese Debatte hingegen nicht ein. "Unsere Wälder brauchen engagierte Jäger" sagt er nur. Es wird geklatscht und gedankt, keine offene Kritik, auch nicht von den drei Vertretern vom bayerischen Jagdverband.

Forstl. gutachten Waldverjüngung mit StaMi Brunner

Schautafeln werden in den Wald getragen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dann endlich geht es in den Wald hinein, Revier Oberpframmern Süd II: Schuh trifft auf Matsch, der Minister ist mit kniehohen Gummistiefeln und Hut vorbereitet, ein Gönner reicht ihm dazu einen Schirm. Fünf Stangen stecken im Waldboden, das ist einer der 160 Erhebungspunkte im Ebersberger Forst. Eine Försterin steckt Wäscheklammern an winzige Bäumchen, sie markiert die Messobjekte. Der Fall ist eindeutig: Keiner von ihnen hat eine Bissspur. Es sieht so aus, als habe der Waldbesitzer mit seinem Jäger saubere Arbeit geleistet, was gut sein kann. Belastbar ist das Ergebnis an dieser Stelle jedoch kaum. Die Klammern hängen in einem reinen Fichtengebiet, was Rehe verschmähen. Sie speisen lieber mehrgängig in abwechslungsreichen Mischwäldern.

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