Bei Markt Schwaben:Straßenbauamt macht Biotop platt

Ökologisch aufgewertet werden sollte die Wiese - doch dann wurde der Lebensraum für zahlreiche Vogelarten umgepflügt.

Karin Kampwerth

Markt Schwaben - Ein bisschen Brennnessel, Sauerampfer und anderer Wiesenwildwuchs - mehr ist dem Gärtner des Freisinger Straßenbauamtes nicht aufgefallen, als er vor einigen Tagen einen Acker an der Markt Schwabener Flughafentangente Ost (FTO) umpflügen ließ. Dass er damit eine der wenigen Nahrungsflächen des Markt Schwabener Storches zunichte gemacht und wohl gleich auch die Nester von Wiesenbrütern zerstört hat, beschäftigt nun das Ebersberger Landratsamt. Laut einem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht die Untere Naturschutzbehörde von einer Straftat aus.

Richard Straub, der die beiden Storchenpaare in Markt Schwaben und seit diesem Frühjahr auch in Forstinning betreut, ist einigermaßen verzweifelt. Erst Mitte Mai hatte er von dem Biotop an der FTO erfahren. Deshalb war er gleich mit seinem Tarnzelt aufgebrochen, um mitten in der Wiese stundenlang auf der Lauer zu liegen. "Ich war begeistert", sagt Straub.

Nicht nur die Störche hätten die Wiese, die vom Freisinger Straßenbauamt als Ausgleichsfläche für die FTO angekauft worden war, angenommen. Auch brütende Feldlerchen und Kiebitze seien ihm vor die Kamera geflogen. Straub räumt zwar ein, dass es auf der Wiese keine besondere Pflanzenvielfalt gegeben habe. Entscheidend für die Störche sei aber der Strauchwuchs, der mit einem guten Dreiviertelmeter Höhe den Tieren hervorragende Deckung geboten habe. Dennoch sei die Wiese für die Nahrungssuche licht genug gewesen.

Das ist für die Störche in diesem Jahr von existenzieller Bedeutung, nachdem sich erstmals zwei Storchenfamilien in Markt Schwaben und Forstinning niedergelassen haben und nun um die wenigen Futtergründe konkurrieren (wir berichteten). Im Markt Schwabener Horst sind aufgrund von Nahrungsmangel bereits drei der fünf Jungstörche von ihren Eltern getötet worden. Nun kämpfen auch die Forstinninger Störche um das Überleben ihres Nachwuchses. Erschwert wird das Straub zufolge durch einen weiteren Storch. Der stamme seiner Beringung zufolge eigentlich aus der Schweiz, streune allerdings seit einigen Tagen auf Nahrungssuche im Landkreisnorden herum. "Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich, wenn jedes Storchenpaar wenigstens ein Jungtier durchbringt", sagt Straub angesichts der Situation, die sich nun durch die Vernichtung der Wiese an der FTO nochmals zugespitzt hat.

Belegen kann Straub den Überlebenskampf der Störche durch seine Beobachtungen mit einer Kamera, die am Markt Schwabener Horst auf dem alten Schulhaus installiert ist. Demnach wechselten sich die Altstörche mit der Beaufsichtigung der Jungtiere ab: Einer suche Futter, der andere bleibe beim Horst. "In der Regel kehrt der futtersuchende Storch nach eineinhalb Stunden zum Horst zurück", erklärt Straub. Inzwischen dauere der Futterwechsel drei Stunden. Im Freisinger Straßenbauamt weiß man inzwischen, dass die Aktion nicht in Ordnung war. "Ich bedauere sehr, dass wir den Storchenfamilien das Leben zusätzlich schwer gemacht haben", sagt Peter Weywadel von der Bereichsleitung Straßenbau.

Weywadel räumt ein, dass die Maßnahme besser mit der Unteren Naturschutzbehörde hätte abgestimmt werden müssen. Allerdings habe man die Wiese nur deshalb umgepflügt, um sie ökologisch aufzuwerten. Man wolle eine artenreiche Frischwiese pflanzen, sei aber mit den Arbeiten um einige Wochen im Verzug gewesen. Weywadel zufolge sei der Gärtner deshalb angewiesen worden, die Fläche mehrmals zu begehen. "Weder der Storch noch Wiesenbrüter sind ihm dabei aufgefallen", sagt der Chef des Straßenbauamtes.

Vogelschützer Straub will dem Freisinger Straßenbauamt keine böse Absicht unterstellen. Dennoch hofft er, dass die Untere Naturschutzbehörde im Ebersberger Landratsamt den Vorfall weiter verfolgt. Die Wiese sei nicht ausreichend kontrolliert worden, klagt Straub an. "Einen falscheren Zeitpunkt für das Umpflügen hätte es gar nicht geben können."

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