Bedrohte Vogelarten:Ausgeflogen

Die Trockenlegung von Mooren und die Monokulturen lassen Kiebitz und Co. aus dem Landkreis verschwinden. Biologe Alexander Scholz hofft auf die Unterstützung der Landwirte.

Von Isabel Meixner

Biologe Alexander Scholz schlägt Alarm: Die intensive Landwirtschaft und das zunehmende Vordringen von Menschen in die Natur lassen immer mehr Vögel aus dem Landkreis verschwinden. Während vor zehn Jahren im Brucker Moos noch eine größere Kiebitz-Population gelebt hat, konnte Scholz bei seiner Kartierung im vergangenen Jahr keinen einzigen Brutvogel der stark bedrohten Bodenbrüter-Art im gesamten Landkreis mehr finden. Gleiches gilt für die vom Aussterben bedrohte Bekassine, die lediglich als Durchzügler notiert wurde. "Das ist deprimierend", sagt der Experte aus dem Landkreis Landshut. Der Biomasse-Boom habe dazu geführt, dass immer mehr Flächen immer intensiver genutzt würden. Störungsempfindliche Vögel "haben da keine Chancen mehr".

Vogel des Jahres 2013 - Bekassine

Die Bekassine brütet nicht mehr im Landkreis, unter anderem wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der Wiesen.

(Foto: Willi Rolfes/dpa)

Über ein halbes Jahr hinweg hat Scholz von April bis Oktober für die Untere Naturschutzbehörde im Ebersberger Landratsamt erfasst, welche Vögel im Schwabener, Brucker, Straußdorfer und Aßlinger Moos sowie am Egglburger See, im Doblbachtal und auf den Gutterstätter Streuwiesen vorkommen. Das Ergebnis: Viele Populationen haben Probleme, ihren Bestand im Landkreis zu erhalten.

Einzig der Egglburger See ist ein Dorado für Vögel: Von den 128 Arten, die Scholz im gesamten Landkreis zählte, kamen allein 100 in dem Naturschutzgebiet bei Ebersberg vor - darunter die Flussseeschwalbe und der Schilfrohrsänger, die beide vom Aussterben bedroht sind. Auch die stark gefährdete Wasserralle findet hier einen Lebensraum. Das Schilf am Ufer bietet vor allem Bodenbrütern Schutz.

Anders sieht es dagegen in den übrigen Feuchtgebieten aus. Im Doblbachtal etwa zählte Scholz nur 17 brütende Arten, dem Schwabener Moos, das 36 Arten als Brutstätte dient, sprach Scholz als Lebensraum für Vögel nur mittlere Bedeutung zu - und auch nur, weil hier Weißstörche auf Nahrungssuche gehen. Das Brucker Moos, das größte untersuchte Gebiet, bezeichnet Scholz trotz der Streuwiesen als vogelarm. 50 Arten nisteten dort im vorigen Jahr, sogar ein Rotmilan-Pärchen gibt es seit kurzem wieder.

Viele Wiesen würden zu stark gedüngt und zu häufig und vor allem während der Brutzeit gemäht, kritisiert Scholz. An diesem Punkt setzen denn auch seine Verbesserungsvorschläge an. Sie richten sich vor allem an Landwirte. Der Biologe plädiert dafür, dass auf Dünger verzichtet und Felder nur noch ein- bis zweimal pro Jahr geschnitten werden sollen - und das nicht vor Mitte Juli oder Anfang August und zeitlich entzerrt, damit Bodenbrüter auf angrenzenden Wiesen ausweichen können. Auch sollen sogenannte Fenster innerhalb von Feldern frei von Saat bleiben, damit Bodenbrüter dort nisten können.

Ein weiteres Problem für Braunkehlchen, Wiesenpieper und Co.: Die Moore sind mittlerweile zu trocken. Der Experte schlägt gezielte Wiedervernässung vor, etwa im Brucker Moos, wo mittlerweile 80 Prozent der Felder bewirtschaftet werden. Doch letztlich, weiß Scholz, geht es bei den Maßnahmen auch um Geld. Über das Kulturlandschafts- und das Vertragsnaturschutzprogramm können Landwirte, die wegen der extensiven Bewirtschaftung Umsatzeinbußen haben, finanzielle Entschädigung beantragen.

Doch nicht nur bei den Landwirten setzten die Vorschläge von Alexander Scholz an. Sie umfassen auch das Anlegen von Blühstreifen und die Landschaftspflege. Denn der Lebensraum von Bodenbrütern muss immer wieder von Gehölz und Gras befreit werden, damit die Vögel einen Nistplatz finden. Bis zu einem gewissen Grad könnten sich Vögel an den Menschen anpassen. Der Kiebitz etwa brüte mittlerweile sogar auf Maisäckern - allerdings nur, wenn das Gras nicht höher als zehn Zentimeter ist. "Landschaftspflege ist wichtig", betont Scholz. In Markt Schwaben habe sich das Wasserwirtschaftsamt das zu Herzen genommen und noch im vergangenen Herbst eine ihm gehörende Fläche gemäht, die lange Zeit brach gelegen war.

Und dennoch: Die Gefahr, dass sich einige Arten von Menschen gestört fühlen und verschwinden, bleibt. Alexander Scholz hofft, dass seine Kartierung dazu beiträgt, dass der Landkreis in Sachen Vogelschutz aktiv wird. Denn einige Arten verschwänden in Bayern derart schnell, dass sie bereits in 15, 20 Jahren ausgestorben sein könnten.

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