Baldham/Bad Aibling:Das Turnier des Menschen

Die Schach- und Kulturstiftung inszeniert das Königsspiel als Mittelpunkt von Dichtkunst, Slam und Ausstellung. Initiator Georg Schweiger spricht von einem "Experiment"

Von Rita Baedeker, Baldham/Bad Aibling

Schach, das seit dem 13. Jahrhundert in Europa gepflegte Spiel der Könige, wird als Wettkampf und Hobby für Schlauköpfe und Strategen gewürdigt. Seit Georg Schweiger in Baldham die Schach- und Kulturstiftung gegründet hat, rücken jedoch auch eher selten wahrgenommene Aspekte des Brettspiels ins öffentliche Bewusstsein: "Schach und Poesie", so lautet der Titel der 3. Ausstellung der Stiftung, die am 19. November in den Räumen des B&O Parkhotels in Bad Aibling eröffnet wird. Das Anwesen gehört Kreisrat Ernst Böhm (SPD), auch er ein begeisterter Schachspieler.

HELIOS Klinikum München West nach Pasing, Steinerweg 5, Es wird seit Jahren am Klinikum gebaut und saniert, zudem wurde das ehemalige Kreiskrankenhaus  vor etwa zwei Jahren vom Helios-Konzern geschluckt.

Zbigniew Herbert bezeichnete Schach schlicht als das "Turnier des Menschen".

(Foto: Florian Peljak)

Schwerpunkt der Ausstellung sind Gedichte von 32 Autoren, für die Schach Sinnbild ist für "das Spiel der Welt", für die "Rochade der Gefühle" und andere existentielle Lebensthemen. Präsentiert werden die Gedichte auf Roll ups und Bannern, lesen wird Ulrike Budde. Außerdem findet ein von der Organisation "Reimrausch" veranstalteter Poetry Slam statt.

Zu den Poeten, die sich in ihrem literarischen Schaffen auch mit Schach beschäftigt haben, gehören Schriftsteller vom elften bis zum 20. Jahrhundert, von dem persischen Dichter und Mathematiker Khayyam Omar, der 1131 starb, bis zum 2015 verstorbenen Nobel-Preisträger 2011, Tomas Tranströmer, vom Barockmeister Andreas Gryphius bis zu Ernst Jandl. Tranströmer etwa schrieb: "Hinter unserem bezaubernden Mienenspiel wartet immer der Schädel, das Pokergesicht. Indes die Sonne sachte am Himmel vorbeirollt. Das Schachspiel findet statt." Für Boris Pasternak war Schach eine Metapher für dunkle Stimmungen. "Die Nächte spielen Schach mit mir / Auf dem von Mondlicht beschienenen Boden; / Das ist der Duft der Akazienblüten durch die weit geöffneten Fenster / Und Leidenschaft - wie eine Zeugin - wächst grau in der Ecke. / Die Pappel ist der König. Ich spiele mit Schlaflosigkeit. / Die Dame ist eine Nachtigall. Sie ist unerreichbar für mich, / Aber die Nacht gewinnt das Spiel, die Figuren treten zurück, / Und ich erkenne das Antlitz des weissen Morgens" (übersetzt nach Beat Rüegsegger). Und der polnische Dichter Zbigniew Herbert (1914 bis 1998) bezeichnete Schach schlicht als das "Turnier des Menschen".

Poetryslammer Bo Wimmer

Welche Worte wohl Poetry-Slammer Bo Wimmer für das Schachspiel findet?

(Foto: Frank Nordmann/oh)

In Literatur und Film hat das Schachspiel - am bekanntesten ist wohl Stefan Zweigs Schachnovelle - die Rolle einer Metapher für den Daseinskampf. Aber auch für Freiheit und Humanität, etwa im Drama "Nathan der Weise", für Wissen und Macht steht die Partie Schwarz gegen Weiß. "Besondere Kennzeichen: Messer zwischen den Zähnen" heißt es dazu in Zbigniew Herberts Gedicht.

Zur Lyrik gesellt sich eine ungewöhnliche Foto-Ausstellung. Die Projektleitung liegt in den Händen der Künstlerinnen Hannelore Sahm und Ingrid Wieser-Kil, beide Mitglieder des Kunstvereins Ebersberg. Auch da wird es nicht darum gehen, Großmeister des Spiels zu präsentieren, sondern mit dem Thema künstlerisch frei und kreativ umzugehen, sagt Georg Schweiger, der Vorsitzende der Stiftung. "Bisherige Ausstellungen oder Bildbände von Fotos mit Schachmotiven haben sich mehr oder weniger auf Porträts von Schachspielern beschränkt, bei denen Dokumentation oder Information im Vordergrund standen", sagt Schweiger. "Wir dagegen zeigen eine innovativere und künstlerisch-kreative Breite bei der Einbeziehung von Schachmotiven in gegenwärtige Fotokunst." Die Motive auf der Einladungskarte zur Vernissage zeigen schon jetzt, mit wie viel Fantasie die acht Fotokünstler diese Idee umgesetzt haben.

Lyrik und Fotografie

Vernissage der Ausstellung "Schach und Poesie - Schachmotive in Lyrik und Fotografie" im B &O Parkhotel Bad Aibling ist am Samstag, 19. November, um 19 Uhr. Die Eröffnungsrede hält der Schach-Großmeister und Journalist Helmut Pfleger, anschließend liest Ulrike Budde Gedichte mit Schachmotiven. Leopold Henneberger spielt Gitarre. Freitag bis Sonntag, 25. bis 27. November, findet ein Internationales Turnier der Variante Schach 960 statt, veranstaltet von der Schachunion Ebersberg Grafing. Am letzten Ausstellungswochenende, Samstag, 3. Dezember, wird in der Campus-Bar des Hotels um 20 Uhr ein Poetry Slam zum Thema veranstaltet. Organisator ist "Reimrausch". Parallel zur Ausstellung von Roll ups und Bannern mit lyrischen Texten wird eine Fotoausstellung mit Arbeiten von Christian Endt, Ottilie Gaigl, Bjarne Geiges, Dominic Hausmann, Peter Hinz-Rosin, Thomas Hümmler, Heidi Schmidinger und Martin Weiand gezeigt, die Projektleitung haben Hannelore Sahm und Ingrid Wieser-Kil. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog der Kunsthistorikerin Natascha Niemeyer-Wasserer, die Grafik gestaltete Ottilie Gaigl. Infos auf der Website der Stiftung: www.ghs-schachundkulturstiftung.de bae

Wie bei den beiden vorangegangenen Projekten der Stiftung, spricht auch diese Ausstellung nicht in erster Linie Insider und Schach-Aficionados an, sondern alle Literatur- und Kunstinteressierten, die auch dem Schach etwas abgewinnen können, aber nicht unbedingt müssen. So nehmen am Poetry Slam überwiegend Dichter teil, die von Schach keine Ahnung haben, wie Schweiger berichtet. Was er als reizvolle Herausforderung empfindet.

Als besonderer Gast tritt Bo Wimmer auf. Der geborene Allgäuer ist Erfinder und Initiator des "Predigt und Preacher Slams" und Schachspieler beim SK Marburg. Für ihn "erzählt jede Partie eine Geschichte und hat einen Spannungsbogen", sagte er mal in einem Interview. Außerdem ermögliche Schach eine Begegnung mit der Wirklichkeit, weil jeder hier seine Fehler und Grenzen erkennen könne.

"Die Ausstellung ist ein Experiment", sagt Schweiger, dies gelte auch für den dritten Teil der Veranstaltung, das "Internationale B&O Schach 960-Festival" von 25. bis 27. November. Bei dieser Version des Spiels wird per Zufallsgenerator eine Anfangsstellung aufgebaut, es gibt dafür exakt 960 verschiedene Möglichkeiten. Die Partie wird jedoch gespielt wie klassisches Schach, das heißt, der Springer bewegt sich diagonal übers Feld, das Pferd vollführt den Rösselsprung, die Dame geht, wohin sie will. Erfunden wurde diese Variante von Bobby Fischer. "Das Reizvolle daran ist, dass man hier keine Chance hat, immer wieder eine bestimmte bewährte Eröffnung zu spielen", sagt Schweiger. Jeder Zug ist einzigartig. So wie diese Ausstellung, mit der die Stiftung einmal mehr Neuland betritt.

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