Ausstellung:Zwischen gestern und heute

Der Verein "Sonntagsidee" eröffnet seine Ausstellung "Prozesse" im Ebersberger Grundbuchamt. Ausgezeichnet werden die Arbeiten von Luzia Kufner, Andreas Mitterer und Maria Da Saya

Von Anja Blum, Ebersberg

Dass es der Jury sehr schwer gefallen sei, eine Auswahl zu treffen, gehört praktisch zum guten Ton einer jeden Preisverleihung. Doch bei der Vernissage im Ebersberger Grundbuchamt am Sonntag lag der Fall ein bisschen anders. Hier nämlich waren diese Worte glaubhaft, denn das künstlerische Niveau der Ausstellung mit dem Titel "Prozesse" ist tatsächlich sehr hoch. Werke von 30 Künstlern aus dem Landkreis und darüber hinaus waren angenommen worden - und bilden nun in einer baulich reizvollen Galerie ein Kaleidoskop der Themen und Techniken, so bunt und facettenreich wie der zugrunde liegende Begriff selbst. "Prozesse gibt es schließlich nicht nur am Gericht, sondern überall", sagte Gastgeber Manfred Jena, der Vorsitzende des Vereins "Sonntagsidee".

Eine fünfköpfige Jury - bestehend aus den Künstlern Elisabeth Merl, Severin Zebhauser und Hubert Maier, Fotograf Christian Endt sowie Sonntagsidee-Chef Jena - bestückte die Schau und wählte obendrein drei Preisträger aus. Deren Präsentation übernahm Maier, der dabei aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus kam. Mit größter Freude und viel Sachverstand erklärte der Moosacher den zahlreichen Vernissagegästen, warum genau die Jury von dem jeweiligen Werk begeistert sei, und ließ dabei auch einiges Biografisches und Persönliches einfließen.

Bei Luzia Kufner zum Beispiel, der ersten Preisträgerin, erinnerte Maier sich an die gemeinsame Studienzeit in München. Damals, in den 1980er Jahren, habe es eine ganz besondere Bildhauerklasse gegeben, die nicht im Hauptgebäude der Akademie, sondern in einem unscheinbaren Barackenbau untergebracht gewesen sei. Darin hätten die Studenten unter Heribert Sturm, einem "Magneten für begabte Bildhauer", an einer neuen Form von Kunst geforscht. "Das war ein Labor, dort war alles möglich, sei es, Löcher zu graben oder einen Funkmasten aufzustellen", erzählte Maier. Und Kufner, die heute in Sauerlach lebt und arbeitet, atme den Geist dieser Klasse bis heute.

Ihr Werk, eine fünfteilige, hängende Installation aus bemaltem Karton, sei leicht und verspielt, und trotzdem "richtig gute Bildhauerei" vom Rang eines Anish Kapoor. Denn es gehe bei diesem Werk ohne Titel, so Maier, um elementare Auseinandersetzungen - mit Raum, Licht, Gewicht und Farbe. Das Thema "Prozesse" spielgelt sich in einer abstrakten Körperlichkeit wider, aber auch darin, dass die Gebilde Unperfektes wie Ecken oder Geklebtes aufweisen. "Ich probiere viel aus, suche mit Stiften und Formen nach einer anderen Sprache", sagte Kufner selbst. Die Widerstände, die der Karton ihr biete, öffneten dabei dem Zufall die Tür.

Als "souveräne, zeitgenössische Plastik" bezeichnete Maier das Werk von Andreas Mitterer. Der Vorsitzende des Ebersberger Kunstvereins erhielt für seine Installation "Lochen" den zweiten Preis. Der 47-Jährige gehöre, so der Laudator, zu einer jüngeren Generation von Bildhauern, die eine eigene Sprache entwickelt habe und auf die klassischen Materialien wie Stein oder Bronze verzichte. Beeindruckend sei an Mitterers Werk vor allem die Idee, aus einem durchlöcherten Reifen ein Modell des Universums zu kreieren - mit Ringgalaxie, leuchtenden Sternen und haufenweise schwarzen Löchern. "Destruktion kann in der Kunst eine sehr starke Kraft entfalten, mit erstaunlichen Ergebnissen."

Die Entstehung der Arbeit von Maria Da Saya, der dritten Preisträgerin, nannte Maier hingegen einen "heilsamen Prozess": Die Künstlerin sei von Moosach nach München gezogen und habe sich dort aus Platzgründen zur Reduktion gezwungen gesehen. Ihre Serie "Retorno" (Rückkehr) aus neun kleinen Collagen besteht aus Bruchstücken früherer Arbeiten. "Sie hat viele Leinwände zerschnitten und zu einer Essenz der letzten 20 Jahre verdichtet", so Maier. Doch die Bilder überzeugten auch ohne diesen biografischen Hintergrund. Die Flecken aus bemalter Leinwand, die Da Saya für ihre Arbeiten ausgewählt und künstlerisch neu interpretiert hat, erinnern an archäologische Fragmente, an Kleidungsstücke, Mumien, Särge. "Die Arbeiten sind klein, das Thema ist groß: Es geht um das Leben und das Sterben."

"Prozesse": Ausstellung des Vereins Sonntagsidee im Ebersberger Grundbuchamt, zu sehen bis 30. Oktober, jeweils sonntags in der Zeit von 11 bis 17 Uhr.

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