Ausstellung in Forstinning:Eine Plattform für vier junge Künstler

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Claudia Röhrle liebt die filigranen Strukturen von Spinnweben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Renate Block bietet in ihrer Galerie in Forstinning Raum für Talente. Zu sehen sind Werke von Natalie Manz, Claudia Röhrle, Raphael Gratzl und Sebastian Dorn.

Von Alexandra Leuthner, Forstinning

"Charlotte!" Nein, man muss sie nicht mögen. Die Art, wie sie den Kopf hoch nimmt, wie sie ihr Kinn nach vorne reckt. Trotzig. Wahrscheinlich auch arrogant, mit Sicherheit arrogant. Aber lieben - lieben muss man sie. So wie Natalie Manz das Objekt ihres Porträts geliebt und gemalt hat. So wie die Künstlerin sie sieht. In der Einzigartigkeit ihrer Erscheinung, ebenso einzigartig wie "Antula ", das dunkelhäutige Gegenstück. Sie besticht durch ihre Haltung. Ja, sie hat Autorität.

Zwei Dinge sind es, die bei den Bildern der jungen Forstinninger Künstlerin Natalie Manz zuallererst ins Auge fallen. Der zärtliche Blick auf ihr Objekt und die große Liebe zum reellen Detail. Jede Locke, rotblond oder schwarz, jedes Blütenblatt, das die beiden herben Schönheiten im Haar tragen, sitzt am richtigen Platz, die Nasenflügel Charlottes, kindlich-zart, scheinen zu beben, Antulas volle Lippen wollen sich im nächsten Moment öffnen.

Bühnenmalerin Natalie Manz zeigt farbenfrohe detailverliebte Porträts. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Porträts erinnern an große, gemalte Filmplakate, welche die Protagonisten zwar realistisch widergeben, ihnen aber die verheißungsvolle Aura der imaginären Leinwandwelt verleihen, aus der sie entsprungen sind, und die sie - Freiheit der Kunst - immer noch etwas schöner machen als in der Realität. Manz, die in Darmstadt lebt, ist Bühnenmalerin, und den Blick auf ihre Objekte würzt sie gerne mit Humor. So sind in der Forstinniger Ausstellung in der Galerie im Tiermuseum auch Tiermasken aus gefärbter Transparentplastik zu sehen, die unweigerlich die Lachmuskeln reizen.

Raphael Gratzl will mit seinen bunten Glasbildern vor allem Freude machen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Galeristin Renate Block hat mit ihrer neuesten Ausstellung gezielt jungen Künstlern eine Plattform schaffen wollen - und sie hat mit ihrer Auswahl voll ins Schwarze getroffen. Jeder der vier jungen Kreativen, neben der 24-jährigen Manz sind das Claudia Röhrle, Raphael Gratzl und Sebastian Dorn, besticht bereits durch eine ganz eigene Note. Wo sich der 1992 geborene Dorn in seinen großformatigen Acrylmalereien mit oft annähernd monochromer Farbgebung vor dem technischen Anspruch und Können der Alten Meister verneigt, huldigt Gratzl der Pop Art und scheint für seine Glasbilder jede Farbe zu verwenden, die er kriegen kann.

Kunstlehrer Sebastian Dorn setzt auf fast monochrome, fantastische Szenerien. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Also ich seh' da nur einen Hirschen"

Der Effekt könnte unterschiedlicher nicht sein, und doch fand sich unter den Besuchern der Vernissage der ein oder andere, der von beiden Künstlern gleichermaßen fasziniert war. Das Karl Valentin-Wort "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit", zitiert von Forstinnings Bürgermeister Rupert Ostermair, der die einleitenden Worte sprach, passt in diesem Fall auf jeden Fall. Man vermag sich gut vorzustellen, wie Gratzl, der mit 31 Jahren älteste der vier Kunstschaffenden, Stunden über Stunden an den unzähligen Ornamenten sitzt, aus denen sich seine Glasbilder zusammen setzen, oder wie die 1991 in Nördlingen geborene Claudia Röhrle mit vorsichtigen Händen die Spinnweben konserviert, die sie als strukturgebendes Material für ihre Glasbilder verwendet.

Gratzl bearbeitet ebenfalls Glas, verwendet aber ausschließlich herkömmliche Farben. Die Motive zieht der künstlerische Autodidakt aus dem, was ihm begegnet und verarbeitet sie zu wahren Schmuckstücken, in denen der mächtige, ornamentale Rahmen, meist in Silber oder Schwarz, eine ästethisch wichtige Rolle spielt. Er wechselt sogar den glitzernden Hintergrund aus, wenn es besser zur Wohnungseinrichtung des Kaufinteressenten passt.

Räumliche Tiefe verleiht der junge Künstler seinen Bildern, indem er das Glas von vorne und hinten bemalt. Einen tieferen Sinn aber will Gratzl selbst nicht sehen in seinen Werken. Sein "Big Apple" oder "Beautiful Life" - ein Bild, auf dem zwei Fische aufrecht tanzen - sollen "Freude und Glück in den Alltag bringen". So will er es haben und muss herzlich lachen, auf die Ironie angesprochen, die ein Gast aus der Kombination der blau-silbernen Hintergrundgestaltung mit einem quergestreiften Hirschen herauslesen will. "Also, ich seh' da nur einen Hirschen."

Sebastian Dorn, Kunstlehrer am Anton-Bruckner-Gymnasium Straubing, hat seinen Master der Bildenden Kunst und Ästhetischen Erziehung an der Uni Regensburg gemacht und hat mit Gratzl nicht viel mehr gemeinsam, als dass sie beide in Landshut geboren sind. Wenn Gratzls Werke eindeutig Kinder des 20. Jahrhunderts sind, könnte man Dorns "Leiermann", "Moosrain" oder "Ostwind" ganz ähnlich in irgendeinem Florentiner Museum oder einer flämischen Galerie wiederfinden.

Ein bisschen gruselig, aber nicht weniger sehenswert

Das Spiel mit Licht und Schatten, dem er in unzähligen Porträts und Selbstporträts immer wieder nachgeht, bestimmt die großformatigen Darstellungen, die in Forstinning zu sehen sind. Einen Sommerabend im Moos, wenn die Sonne tief im Westen steht, der Augenblick, kurz bevor alles grau wird, hat er mit scheinbar wenigen Strichen auf die Leinwand geworfen. Dicke Gewitterwolken hängen über der Szene und färben die Konturen der Landschaft golden ein.

Eine eigene Wischtechnik lässt die mythischen Fabelwesen seines Leiermanns erahnbar werden. "Ich muss beim Malen immer etwas hören", erzählt er, und diesmal sei es Schuberts "Winterreise" gewesen, die ihn inspiriert habe. So treten allerlei gruselige Gestalten aus der Tiefe des Bildes hervor, gehörnte und geflügelte, die an Perchtenmasken erinnern, oder an den kretischen Minotaurus.

Ein bisschen gruselig, aber nicht weniger sehenswert sind auch die Spinnenbilder von Claudia Röhrle. Die Spinnen züchtet sie übrigens selbst, färbt ihre filigranen Fäden mit Tusche oder Farben ein. Ein raffinierter Weg, Vergängliches zu bewahren - vielleicht aber auch eine Hypersensibilisierungsstrategie gegen Arachnophobie.

Ausstellung "Quartett" in der Galerie im Tiermuseum, Münchener Straße 26, Forstinning, zu sehen bis Samstag, 23. Juni, geöffnet freitags 15 bis 18 Uhr sowie samstags 10 bis 14 Uhr.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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