Ausstellung:Frohe Botschafterin

Lesezeit: 3 min

Pfarrer Bernhard Waldherr und seine Mitstreiter haben viele Kirchen besucht, um außergewöhnliche, moderne Darstellungen der Maria zu finden. (Foto: Christian Endt)

Der Anzinger Pfarrverband präsentiert im Loher-Haus eine Ausstellung mit modernen und ungewöhnlichen Mariendarstellungen

Von Victor Sattler, Anzing

Wenn man mal etwas von ihr brauchte, war sie meist beschäftigt. Denn sie balancierte wahlweise auf einer toten Schlange, einer Weltkugel oder Mondsichel, sie jonglierte Zepter und Säugling und vergaß dabei niemals ihre aufrechte Haltung, weil sonst ja die kürbisgroße Krone vom Haupt abfiele - "eine entrückte, unerreichbare Königin" sieht Pfarrer Bernhard Waldherr in solch überhöhten Darstellungen der Maria von Nazaret. In Anzing aber darf sie sich auch mal auf ihre vier Buchstaben setzen. Darf die Beine yogagleich an den Körper ziehen und die Augen schließen. Mutter Gottes hin oder her. Pfarrer Waldherr und Pfarrsekretärin Brigitte Schmitt, die sich im Liturgiekreis engagiert, haben sich auf einen Kirchen-Roadtrip durch die Umgebung begeben, um in der Ausstellung "Ave Maria" im Loher-Haus moderne und ungewöhnliche Madonnen zu versammeln.

"Jeder muss sein eigenes Marienbild finden und suchen, aber es auch mal hinterfragen", rät Waldherr bei einem bedächtigen Spaziergang durch das Frotzhofener Loher-Haus. Hier ist für jeden etwas dabei. An der kugelrunden Yoga-Madonna, einem Betonguss von Regina von Schmidt, schätzt der Pfarrer vor allem die empfängliche Schalenform, die Marias Körper annimmt: das Seelenbild einer in sich ruhenden Frau. Im Raum zuvor sah das nämlich noch ganz anders aus, mit dem Seelenzustand: Eine Stuckmarmor-Skulptur von Bruno Kübler zeigt, wie die Madonna einen schweren Babybauch vor sich her schleppt, mit den Füßen ist sie "schamlos erdverbunden", wie Kübler schreibt, während ihr restlicher Körper von der Last des Wunders ganz porös geworden ist.

Falls Maria wirklich solche Löcher in ihrem Selbstbild haben sollte, dann ist die katholische Kirche selbst daran schuld. Über viele Jahrhunderte und Konzile hinweg musste die Gottesmutter einiges über sich ergehen lassen, ihre Rolle war oft dogmatisch, selten sympathisch. Die Marienverehrung war auch Instrument, etwa zur konfessionellen Ausgrenzung der Protestanten oder zur besseren Erklärung der Hypostatischen Union; also dafür, wie Jesus Christus gleichzeitig "ganz Mensch" und doch "ganz Gott" sein könnte.

Eine solche Union kennen heutzutage vor allem jene Frauen, von denen erwartet wird, "ganz Beruf" und "ganz Mutter" zu sein. Das passt gut, denn Maria von Nazaret war, indem sie scheinbar unvereinbaren Ansprüche unter einen Hut brachte, die erste Power-Mutter der Geschichtsschreibung. Sie war auch der erste Mensch, der Gottes Liebe vorbehaltlos annahm. Und das qualifiziert sie als die Schutzpatronin schlechthin, nicht bloß für Bayern, wo man es besonders huldig mit ihr meinte, sondern für alle Menschen, eine, der jegliche Sorgen in den Schoß gelegt werden dürfen. Denn wenn es hart auf hart kommt, das belegen die vielen schönen Kreuzweg-Stationen im Loher-Haus, dann nimmt sich Maria der Leiden der Menschen stets furchtlos an.

Seit die 2003 verstorbene Malerin Gretel Loher-Schmeck, Mutter von Martin Loher, der sein Elternhaus für die Ausstellung zur Verfügung stellt, ihre "Madonna mit Kind und zwei Engeln" schuf, ein zwar klassisches, aber doch liebliches Porträt von 1948 - seitdem ist viel passiert. Vor allem seit den 1960er Jahren entstanden sind die hier gezeigten afrikanischen "Schwarzen Madonnen" und ägyptisch angehauchten Nofrete-Verschnitte, grotesk-expressionistische Variationen und naturbelassene Holzschnitze. "Viele von ihnen sind irdisch-weltliche Mütter. Manche regen zum Nachdenken an, manche laden zum Verweilen ein", schwärmt Waldherr. Sind sie auch Frauen unserer Zeit? Für eine Münchner Kirche, der Schmitt und Waldherr mit der Kamera einen Besuch abstatteten, hat Andrea Viebach 13 Mütter aus der Gemeinde fotografiert und zu einer Video-Installation zusammengefügt.

Keine andere biblische Figur wurde Objekt einer so extensiven Verehrung, ohne selbst ein Wort bei ihrer Rolle mitreden zu dürfen. Dabei bringt die Heilige Maria viele wertvolle Aspekte ins Glaubensleben ein. Entsprechend wichtig sind neue Darstellungen, die man sich zwar nicht ins Krippenspiel stellen mag, aber die Marias Komplexität gerecht werden können - somit sind die Freiheiten, welche sich manch Künstler nahm, auch feministisch motiviert, "im positiven Sinn", betont Pfarrer Bernhard Waldherr.

"Ave Maria", Ausstellung im Anzinger Loher-Haus, zu sehen noch am Samstag und Sonntag, 9./10. Dezember, jeweils von 14 bis 17 Uhr.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: