Ausstellung:"Einfach Farbe auf die Leinwand"

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Heiter ging es zu bei der Vernissage im überfüllten Rathaus Ebersberg, wo Max Mannheimer bis Ende Juni eine Auswahl seiner Bilder zeigt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mehr als hundert Besucher kommen zur Vernissage der Ausstellung von Bildern Max Mannheimers ins Rathaus Ebersberg. Dabei glänzt der 96-Jährige erneut mit Humor und Eloquenz

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Obwohl Friedrich Schiller zufolge die Kunst heiter ist und nur das Leben ernst, sind Vernissagen meist nicht übermäßig unterhaltsam. Dass sich die Eröffnung der Ausstellung mit Werken von Max Mannheimer in der Rathausgalerie Ebersberg so fröhlich gestaltet, liegt vor allem an dem 96-jährigen Zeitzeugen und Künstler selbst. Im Rollstuhl sitzend und Hände schüttelnd, lässt er die Reden, die auf ihn gehalten werden, nicht einfach über sich ergehen, sondern lockert diese mit schalkhaften Bemerkungen auf, fordert seine Laudatorinnen, die Karmelitin Sr. Elijah Boßler und die Religionslehrerin Angelika Otterbach, immer wieder zu scharfsinnigen Wortgefechten heraus.

Lacher - und ein wenig Betroffenheit - hat auf andere Weise zuvor schon Ebersbergs Dritter Bürgermeister Josef Riedl geerntet, als er, verspätet eintreffend, zunächst überlegen muss, wessen Ausstellung er da eröffnet. Er muss den erkrankten Ersten Bürgermeisters Walter Brilmayer vertreten und entschuldigt sich für seine unvorbereitete Rede entwaffnend offen mit der Fülle der Amtspflichten. Doch verübelt ihm niemand den Lapsus. Max Mannheimer selbst hilft ihm aus der Verlegenheit, als er anerkennend erzählt, die Stadt Ebersberg - in deren Goldenes Buch er sich eintragen wird -, habe vor Jahren ein Bild von ihm gekauft. Zu den gut 100 Gästen, die ins Rathaus gekommen sind, gehören auch Mannheimers Tochter Eva sowie Barbara Distel, die frühere Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Welchen Respekt und welche Zuneigung die im Rathaus Versammelten Mannheimer entgegenbringen, ist ebenso greifbar wie die liebenswerte Ausstrahlung des Künstlers, dem auch mehrere anwesende Asylbewerber die Hand drücken. Andere, wie der Grafinger Pädagoge Stefan Eberherr, berichten von der anziehenden Wirkung, die Mannheimer auf Schüler hat, denen er anhand seiner Lebensgeschichte die Schrecken des Nationalsozialismus nahe bringt und dieses Wissen auf die ihm eigene einfühlsame Art und Weise in den Köpfen und Herzen verankert. In dem kurzen Filmporträt "Überlebender, Künstler, Lebenskünstler" von Peider A. Defilla, der anschließend im Sitzungssaal gezeigt wird, äußert sich Mannheimer zu seiner unermüdlichen Arbeit mit Jugendlichen. "Wichtig ist zu vermitteln, wie Diktatur entsteht und was man dagegen tun kann."

Über seine Kunst, zu der demnächst ein Buch im Hirmer-Verlag erscheinen wird, spricht er dagegen gerne mit trockenem Understatement. Nach dem "Prozess des Malens" gefragt, antwortet er: "Ich gieße einfach Farbe auf die Leinwand und wackle hin und her!" Und die Künstlern gern gestellte Frage, ob er häufig mit einem Bild zu kämpfen habe, pariert er so: "Warum soll ich mit einem Bild kämpfen, ich bin ja immer der Sieger!" Auch dass er auf seinem ersten, 1955 entstandenen Gemälde eine Kirche - St. Bartholomä am Königsee - malte und nicht etwa eine Synagoge, hat einen sehr prosaischen Grund: Auf dem Esso-Kalender, von dem er abgemalt habe, so Mannheimer, habe es eben kein Motiv einer Synagoge gegeben.

Natürlich hat Mannheimer unter dem in Erinnerung an seinen ermordeten Vater angenommenen Künstlernamen "ben jakov" eine beachtliche künstlerische Entwicklung hinter sich. Begonnen hat er mit der Malerei, um seine Erinnerungen an das KZ und die Ermordung von sechs seiner Angehörigen zu verarbeiten. "Zunächst ging ich jeden Abend ins Kino, um zu vergessen, doch dann wurde mir das zu viel", sagt er. Und so fand er in der Malerei neuen Lebensmut - aber auch eine Möglichkeit, die erlebten Schrecken auszudrücken. Neben dem "kitschigen" Kalendermotiv entstand ein Ölbild, das eine Häftlingskolonne vor Hochöfen zeigt.

Unter dem Einfluss der Farben und Bilder von Wassily Kandinsky wandte sich Mannheimer der abstrakten Malerei zu. Er verschrieb sich aber keiner Stilrichtung, sondern experimentierte unbekümmert und schreckte vor keiner Technik zurück, wie Sr. Elijah Boßler, die seit 1999 mit Mannheimer befreundet ist, in ihrer warmherzigen Rede berichtet. Mit wachsenden Kenntnissen entwickelte er sich vom Autodidakten zum Künstler. Die Vielfalt der Malerei, mal aufgewühltes Grau-Schwarz, mal geometrisch farbenfroh, mal Hinterglasbild und mal Spraytechnik, kann man in Ebersberg besichtigen.

Von Ebersbergs Kuratorin Antje Berberich nach Erlebnissen mit ben jakov befragt, wird im Publikum schließlich auch an Mannheimers Oldtimer "Tatra" erinnert, in dem mitfahren zu dürfen nicht nur die damalige Kulturministerin Monika Hohlmeier als Ehre empfand. Eine Geschichte hat auch die Grafinger Religionslehrerin Angelika Otterbach zu erzählen. 1986, nach seinem Besuch ihrer Klasse am Gymnasium, schrieb Mannheimer ihr einen Brief: 1945 sei er durch Grafing gefahren, eingepfercht in einen Güterwaggon, einem ungewissen Schicksal entgegen; 1986 habe man ihn dort mit Güte und Sympathie empfangen - einer Güte, die vor allem er zu geben imstande ist.

Die Ausstellung dauert bis 30. Juni, Montag bis Freitag 8 bis 13, Donnerstag auch 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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