Ausstellung:Die Spur vom Selbst im Raum

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Unterschiedlicher könnten ihre Stilrichtungen nicht sein, und doch finden sich feine Korrespondenzen: Die Arbeiten von Gabriele Obermaier und Won Kun Jun bestechen durch Körperlichkeit und persönliche Erzählungen

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Was tun Künstler, die nichts übereinander wissen, um mehr über die Werke des anderen zu erfahren? Sie tun das, was heute jeder zur Informationsbeschaffung macht: Sie suchen im Internet. Und so war der erste Kontakt zwischen Gabriele Obermaier und Won Kun Jun ein Mausklick. Beide waren vom Kunstverein Ebersberg gefragt worden, ob sie nicht Interesse an einer gemeinsamen Ausstellung hätten - die Bildhauerin und der Maler. Sie kannten sich nicht, doch der Funke war schnell über gesprungen. "Mir war wichtig, dass die Arbeiten harmonisch nebeneinander funktionieren", erklärt Won Kun Jun. Gabriele Obermaier sagt: "Obwohl seine Arbeit ganz anders als meine ist, habe ich Bezugspunkte gesehen." Lange haben die beiden Künstler überlegt und geknobelt, wie sie die Ausstellung in den Räumen der Alten Brennerei konzipieren; nun sind Werke von beiden in jedem Raum vertreten und präsentieren sich als kaleidoskopischer Spaziergang durch Raum und Form. Auch wenn die Herangehensweisen und Stilrichtungen von Won Kun Jun und Obermaier nicht verschiedener sein könnten, finden sich bei näherer Betrachtung feine Korrespondenzen.

Won Kun Jun huldigt in seinen Werken dem Punkt, aber nur an manchen Stellen lässt er Punkte auch sichtbar werden wie hier, am Rand eines seiner Bilder. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der aus Südkorea stammende Won Kun Jun ist auf den Punkt gekommen. Ob bunt, einfarbig, dunkel, eine typische Arbeit von dem heute in Düsseldorf lebenden Künstler erkennt man an einer Komposition aus kreisrunden Formen. "Punkte sind für mich ein Basiselement", erklärt er, "vom Punkt geht alles Figurative aus." Obwohl in der Ebersberger Schau spärlich vertreten, geistern die Punkte durch alle Räume; mal transportieren sie Farbe und kindliche Fröhlichkeit, mal faszinieren sie durch ihre Machart. So hat der Künstler beispielsweise auf einer Collage aus mehreren Blättern ein Verwirrspiel aus dunklen Kreisen angezettelt. Erst wenn man einen Schritt näher an das Werk herantritt, offenbart sich die mühevolle Kleinarbeit, die dahinter steckt: Mit dünnen Farbstiften hat Won Kun Jun immer wieder die Punkte gefüllt, lediglich an den Rändern sind die unzähligen Striche lesbar. Ähnlich verhält es sich bei zwei gänzlich in Weiß gehaltenen Malereien: Mehr als 40, 50 Mal hat er auf Leinwände weiße Farbe aufgetragen und immer wieder abgewaschen. Aus dem Akt der Malerei ist so eine Choreografie des Malens geworden. "Nur der Rand ist Beweis dafür, was ich getan habe", sagt Won Kun Jun. Obwohl auf das Wesentliche reduzierend, hinterlässt der Künstler so seine ganz persönlichen Spuren in seinen Werken. Die Titel lässt er deswegen bewusst offen. "Ich will keine Geschichte erzählen", sagt er, "ich möchte mit meiner Kunst nur etwas über meine Persönlichkeit und meine Erfahrung mitteilen."

Hier zu sehen ist die Wandinstallation mit Aluminiumkugeln von Gabriele Obermaier. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

An diesem Punkt verweben sich die Methoden der Ausstellenden. Denn auch wenn die Münchner Künstlerin Gabriele Obermaier in ihren Skulpturen mit Text und Kontext, mit Form und Raum spielt, wohnt auch ihren Werken sehr viel Körperlichkeit und physische Arbeit inne. So kommt die Skulptur Große Vase mit Zubehör erst einmal auf harmlosen Füßen daher: Die mit Anzugstoff überzogenen Figuren ähneln zwar frappierend den Konturen eines Atomkraftwerks, bestechen jedoch in ihrem Format mit bodenständiger Naivität. "Ich beziehe alles auf meinen Körper, passe die Objekte meiner Größe an", erklärt Obermaier, "dadurch bekommen sie etwas Freundliches." Einen ähnlich ambivalenten Eindruck vermittelt das Werk Quassam-Raketen, benannt nach den selbst gebauten Waffen der Palästinenser. Mit grauem Filz überzogen, biegen sie sich im kleinen Nebenraum der Alten Brennerei Richtung Decke. Diese plüschigen Stecklein sollen in Wirklichkeit den Tod bringen? "Nicht unsere Lebenswirklichkeit - die Lebenswirklichkeit der anderen", sagt Obermaier, "wir verdienen nur daran." In vielen ihrer Objekte steckt eine politische Botschaft; so sind ihre filzenen Raketen eine Auseinandersetzung mit dem männlichen Streben nach Definitionshoheit über einen Raum. "Das wandle ich um", erklärt Obermaier. Auch die Raketen entsprechen in ihrer Größe jener der Künstlerin.

Gabriele Obermaier und ihre Quassam-Raketen in Körpergröße. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und so ist die Ausstellung "Objekte, Installation und Malerei" eine sehr persönliche, intime Zusammenstellung aus dem Werk der beiden Künstler; ein Rundgang verspricht vielseitige Anregung und das Entdecken latenter Spuren zweier unterschiedlicher Künstlerbiografien.

Die Ausstellung "Objekte, Installation & Malerei" der Künstler Gabriele Obermaier und Won Kun Jun wird am Freitag, 1. Juni, um 19 Uhr in den Räumen der Alten Brennerei Ebersberg eröffnet. Künstlergespräch und Finissage finden am Sonntag, 24. Juni, um 16 Uhr statt.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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