Ausraster im Kreistag:Der Wut-Landrat

Nach Fauths Gefühlsausbruch im Kreistag suchen Ebersbergs Politiker nach einer Erklärung für die Reaktion des Landrats - der schweigt.

Lars Brunckhorst

Am Tag danach war die Hauptperson nicht zu sprechen. Landrat Gottlieb Fauth war auf Außentermin, wie es in der Kreisbehörde hieß, und daher für Fragen von Journalisten nicht persönlich erreichbar. So blieb es seinen Mitarbeitern und seinen Parteifreunden von der CSU überlassen, den Wutausbruch des Landrats vom Montag zu erklären. Dieser hatte nach einer Auseinandersetzung mit Grünen-Fraktionschefin Waltraud Gruber fluchtartig die Kreistagssitzung verlassen (die SZ berichtete).

Grund für Fauths Entrüstung sei nicht die Kritik Grubers gewesen, sagte Norbert Neugebauer, der Büroleiter des Landrats, am Dienstag. Ausschlaggebend sei vielmehr gewesen, dass die Grünen-Politikerin von sich aus das Wort ergriffen habe.

Auch Christa Stewens, die große Dame der Ebersberger CSU, stellte sich gestern demonstrativ vor den Landrat. Dabei griff sie die Grünen-Fraktionssprecherin scharf an: Diese habe eine "sehr emotionale Rede" gehalten, die "an der Sache völlig vorbei ging", so die Landtagsabgeordnete und ehemalige Ministerin in einem als Leserbrief gekennzeichneten Schreiben, welches am Mittag vom Büro des CSU-Kreisverbands an die Redaktionen der Lokalzeitungen verschickt wurde. "Da kann man schon mal die Nerven verlieren und die Sitzung vorzeitig beenden."

Unter den meisten Kreisräten, die nach der Kreistagssitzung am Montagabend noch eine ganze Zeit lang fassungslos in kleinen Gruppen zusammengestanden waren und für das Geschehene eine Erklärung suchten, herrschte dagegen auch am Dienstag noch weitgehend Ratlosigkeit. Von einer Überreaktion des Landrats war allgemein die Rede. Für die meisten von der SZ befragten Kreispolitiker war sie zudem unerklärlich. Selbst in Fauths eigener Fraktion hieß es, für eine solche "überzogene Reaktion" habe es keinen Grund gegeben.

"Er hat die Nerven verloren", konstatierte auch SPD-Fraktionschef Albert Hingerl, nicht ohne anzufügen: "Das darf nicht passieren." Martin Wagner, der Vorsitzende der CSU-Fraktion, räumte ebenfalls ein: "Das war nicht klug, wie er reagiert hat." Wagner, der noch am Abend mit Fauth gesprochen hatte, zeigte jedoch Verständnis für dessen Reaktion. "Das kam nicht von ungefähr. Das Ganze hatte eine Vorgeschichte."

So habe die Grünen-Fraktionschefin ihre im Kreistag erhobenen Vorwürfe bereits zum wiederholten Mal vorgetragen. "Die nervt schon wirklich", so Wagner. Außerdem habe sich Gruber in ihrem Redeschwall nicht unterbrechen lassen. "Das war auch eine Unverschämtheit." Ähnlich sieht es CSU-Kreisrat Thomas Huber. Grubers Kritik sei "überzogen" gewesen. Wer dem Landrat wie Gruber Rechtsverstöße vorwerfe, müsse sich zudem selbst an die demokratischen Spielregeln halten und dürfe nicht einfach anderen Rednern ins Wort fallen. Das kritisiert auch Stewens in ihrem Brief: Die Grünen-Chefin habe sich selbst das Wort erteilt und "jegliches demokratisches Procedere missachtet".

Tatsächlich hatte die Grünen-Politikerin in einer längeren Erklärung Fauths Umgang mit einem Antrag ihrer Fraktion scharf kritisiert und dem Landrat dabei vorgeworfen, die Rechte des Kreistags zu missachten (siehe untenstehenden Bericht). Für ihre Abrechnung mit dem Landrat hatte Gruber den Tagesordnungspunkt Anfragen genutzt. Dieser sieht eigentlich nur Fragen der Kreisräte an den Landrat und die Verwaltung vor.

Dennoch kam es zu einer Diskussion, in der sich weitere Kreisräte zu Wort meldeten. In deren Verlauf ergriff auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende erneut das Wort. Daraufhin kam es zu der entscheidenden Szene, in der Fauth unvermittelt aufsprang, mit der Hand und einem Schlüsselbund auf den Tisch schlug und rief: "Ja, wo samma denn?! Frau Gruber, Sie haben nicht das Wort." Danach stürmte er aus dem Saal und verschwand in seinem Büro. Gruber sagte dazu am Dienstag, sie habe sich nichts vorzuwerfen. "Ich habe den Landrat nicht beleidigt. Mir geht es nur darum, dass wir unsere demokratischen Rechte erhalten."

In der Kreispolitik wird jedenfalls seither wieder verstärkt über einen vorzeitigen Amtsverzicht des seit Jahren kranken Landrats spekuliert. Manche Kreisräte sehen in dessen Abgang vom Montag bereits ein Vorzeichen für einen möglichen Rücktritt im Mai - dann hat Fauth zehn Amtsjahre hinter sich und erhielte bei einem Ausscheiden wegen Dienstunfähigkeit seine volle Pension. "Die Frage, ob er seinem Amt noch gewachsen ist, werden sich jetzt wieder einige stellen", so die Einschätzung eines Kreisrats.

Derlei Spekulationen wurden in der CSU am Dienstag jedoch sogleich heftig dementiert. "Ein Rücktritt ist überhaupt kein Thema", versicherte Thomas Huber, der selbst immer wieder als möglicher Nachfolger gehandelt wird, der SZ. "Sein Ziel ist, die Wahlperiode zu Ende zu bringen, und das ist auch der Wille der CSU." Im Vertrauen hieß es aus der CSU jedoch auch, das Verhalten des Landrats werde langsam zur Belastung. Seine Krankheit habe ihn offensichtlich "dünnhäutig" werden lassen. Kreisräte anderer Fraktionen werden deutlicher. "Warum tut er sich und uns das noch an?", fragt einer. Und SPD-Kreisrat Ralf Kirchner, vor vier Jahren Fauths Gegenkandidat bei der Kommunalwahl, stellt fest: "Er hat den Zeitpunkt für einen würdevollen Abschied verpasst."

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