Ausbildungsplätze im Landkreis:Gekommen um zu bleiben

Absolventen der Mittelschulen werden bei den Ausbildungsbetrieben im Landkreis immer beliebter. Im Gegensatz zu Jugendlichen mit Abitur und Mittlerer Reife verlassen sie die Unternehmen seltener

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Rosige Zeiten für die Absolventinnen und Absolventen, die an den acht Mittelschulen im Landkreis Ende Juni über den Prüfungsbögen der Abschlussprüfungen brüteten: "Die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, sind heute besser denn je", sagt Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des Ebersberger Regionalausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) und Geschäftsführerin der Bayerischen Blumen Zentrale in Parsdorf. Auch Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger prognostiziert den Mittelschülern "allerbeste Chancen". Warum Jugendliche mit einem Qualifizierenden Mittelschulabschluss bei den Ausbildungsbetrieben immer beliebter werden, hat einen einfachen Grund: Die meisten kommen in die Betriebe, um zu bleiben.

Anders sieht der Trend bei Absolventen von Gymnasien und Realschulen aus. "Die Neigung, dass Jugendliche nach der Schule studieren möchten, hat erheblich zugenommen", sagt Ziegltrum-Teubner. Nicht nur Gymnasiasten wechseln bevorzugt auf die Uni, auch Jugendliche mit Realschulabschluss gehen immer öfter sofort auf eine Fachoberschule. Wenn sie sich doch für eine Ausbildung entscheiden, dann seien sie in vielen Fällen nach deren Abschluss weg, um ihre Abiturpläne auf einer Berufsoberschule zu verwirklichen.

Unternehmen, die ausbilden wollen, ist das ein Dorn im Auge. Denn sie bilden schließlich aus, um sich Fachkräfte für die Zukunft zu sichern. Wenn sie von vornherein wissen oder zumindest davon ausgehen, dass ihre Auszubildende mit dem Ende der Lehrjahre sowieso wieder gehen werden, "haben viele Betriebe einfach Bedenken", ist sich Ziegltrum-Teubner sicher. Sie selbst sei der perfekte Beweis: Nach ihrem Abitur entschied sie sich für eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin, wurde sogar als beste Auszubildende Bayerns ausgezeichnet. Aber geblieben ist sie nicht. Sie begann zu studieren.

Für Christine Schöps, Pressesprecherin der Arbeitsagentur für den Ebersberger Landkreis, hat der Trend zum Studium eine positive Auswirkung auf Mittelschüler: "Für Betriebe in der Region sind sie eine sehr wichtige Zielgruppe." Für das laufende Ausbildungsjahr wurden im Landkreis 354 neue IHK-Ausbildungsverträge abgeschlossen. 109 davon von Jugendlichen mit einem Qualifizierenden Mittelschulabschluss. Nur die Realschüler, auf die fast 45 Prozent dieser Ausbildungsverträge entfallen, sind eine noch größere Gruppe.

"Den Betrieben kommt es nicht auf den Abschluss, sondern auf den Inhalt an", ist sich Angela Sauter vom Schulamt sicher. Der ist laut Ziegltrum-Teubner an den Mittelschulen optimal auf praktische Arbeit zugeschnitten. Sehr oft würden Jugendliche von einer Mittelschule Probleme in der Praxis viel schneller erkennen und hätten auch viel schneller Lösungen parat, als Schüler von Realschulen oder Gymnasien.

Das Problem für die Betriebe ist allerdings, dass es immer weniger Mittelschüler gibt. Denn seit Jahren ist die Mittelschule diejenige weiterführende Schule mit den wenigsten Übertritten aus der Grundschule. Im Landkreis liegen die Zahlen sogar noch unter dem bayerischen Durchschnitt. 2016/2017 etwa traten 22,3 Prozent der Grundschüler auf eine der acht Mittelschulen im Landkreis über - fast acht Prozent weniger als im bayerischen Mittel. Auf Realschulen wechselten knapp 29 Prozent, was dem Landesdurchschnitt entspricht. 48 Prozent und damit etwa acht Prozent mehr als der Mittelwert begannen an einem Gymnasium. Zehn Jahre zuvor schlossen noch gut ein Drittel aller jungen Ebersberger ihre Schullaufbahn mit einem Qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Konkret bedeutet das, dass die Mittelschulen in Gemeinden wie Glonn, Aßling, Kirchseeon und in manchen Jahren auch in Vaterstetten jeweils nur eine fünfte Klasse bilden, so Sauter. In Ebersberg, Markt Schwaben und Poing gebe es manchmal je drei Klassen - das sei aber das Maximum.

Obwohl Ausbildungsbetriebe sich also über Mittelschüler freuen, gibt es auch eine Schwierigkeit: Die meisten der Absolventen sind minderjährig. Dies kann etwa in der Gastronomie zum Problem werden, Abend- und Wochenendarbeit ist nicht mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz zu vereinbaren. Und wer zu jung für den Führerschein ist, hat oft die Schwierigkeit, dass Betriebe, die ohne öffentliche Verkehrsmittel nicht oder nur umständlich zu erreichen sind, nicht in Frage kommen.

Solche Fälle sind jedoch Ausnahmen. Denn im Landkreis ist das Ausbildungsangebot weitaus größer als die Zahl der Ausbildungssuchenden. So blieben im laufenden Ausbildungsjahr 160 IHK-Lehrstellen im Landkreis Ebersberg unbesetzt. Im Juni 2018 waren noch 420 Ausbildungsstellen von 758, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet waren, frei.

Schöps, Ziegltrum-Teubner und Schwaiger ziehen daraus denselben Schluss: Den Mittelschülern steht der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt weit offen. Die Sorge vieler Eltern, dass ihr Kind mit einem Qualifizierenden Mittelschulabschluss allenfalls einen unterdurchschnittlich bezahlten Job finden kann, sei somit unbegründet. Schwaiger nennt dies sogar einen "Irrglauben", denn auch für Mittelschüler gibt es nach einer Ausbildung viele Möglichkeiten zur Weiterbildung. Das müsse keinesfalls der Besuch der BOS sein, betont auch Schöps: Mit einem Meister-Abschluss ist ein Studium ebenso möglich, und durch die zuvor bereits gesammelten praktische Erfahrung seien die Berufsaussichten danach oftmals besser.

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