Aus dem Stadtrat:Tut man's, ist es schlecht - lässt man's, dann erst recht

In Ebersberg muss eine Beratung über den Kiesabbau verschoben werden, weil nicht klar ist, ob alle Stadträte mitwirken dürfen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

In der Wirtschaft, zumal der bayerischen, geht es meist gemütlich zu - ungemütlich wird es allerdings, kommt der Vorwurf der Spezlwirtschaft auf. Das gilt besonders in der Kommunalpolitik, wo sich Entscheider und Betroffene oft ganz wörtlich sehr nahe sind. Wie nahe sie sich kommen dürfen, regelt die Gemeindeordnung. Diese legt fest, wann ein Stadt- oder Gemeinderat bei Debatte und Abstimmung befangen ist und darum pausieren muss. Doch nicht immer sind diese Regeln eindeutig. In Ebersberg musste nun eine Beratung im Technischen Ausschuss abgesagt werden, weil nicht zu klären war, ob alle Gremienmitglieder unbefangen waren.

"Ein kommunalpolitisches Schmankerl" habe sich aufgetan, so Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) in der Sitzung. Eines, das sich nicht so ohne weiteres auflösen lasse. Eigentlich ging es nur um eine Empfehlung an den Stadtrat, ob der neue Flächennutzungsplan für die vergrößerte Rindinger Kiesgrube ausgelegt werden soll. Doch dazu war auch eine Stellungnahme von 54 Anwohnern eingegangen. Sie fordern ein Gutachten zur Entwicklung des Lastwagenverkehrs, sollte die Kiesgrube tatsächlich erweitert werden. Außerdem sollen die Straßen rund um die Kiesgrube ertüchtigt werden. Was in solchen Verfahren keine ungewöhnliche Eingabe von Bürgern ist. Allerdings ist einer der Unterzeichner der Sohn von SPD-Stadtrat Hans Mühlfenzl. Dieser gehört ebenjenem Ausschuss an, in zum einen über die Kiesgrubenerweiterung vorberaten wird. Zum andern hätte der Aussschuss dem Stadtrat die Erstellung eines Verkehrsgutachtens empfehlen sollen.

Was das Gremium dann aber nicht tat, ebenso wenig wurde über den Flächennutzungsplan gesprochen. Denn die Gefahr sei, so der Bürgermeister, einen ungültigen Beschluss zu produzieren, weil ein Mitglied des Ausschusses bei der Abstimmung befangen war - oder auch weil er nicht befangen war.

Auf den ersten Blick scheint die Sache ziemlich klar, in Artikel 49 der Bayerischen Gemeindeordnung steht eindeutig, welche Verwandtschaftsverhältnisse den Ausschluss eines Stadtrates von Beratung und Beschlussfassung nötig machen: Ehepartner, Lebensgefährten, Kinder sowie Verwandte oder Verschwägerte "bis zum dritten Grad". Aber nur - und da wird es knifflig - wenn die Verwandten "einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil" aus dem anstehenden Beschluss zu erwarten haben. Was im aktuellen Fall sehr schwierig zu bewerten sei. Wäre es ein Vorteil für die Anlieger, würde das Gutachten beschlossen, ein Nachteil, wenn es unterbliebe? Zumal dieses ohnehin in Auftrag gegeben werden soll, darauf hatte sich der Ausschuss bereits vor drei Jahren geeinigt, lediglich wann es erstellt wird, ist noch offen. Trotzdem, so Brilmayer, könnte sich ein Problem ergeben, wenn sich nach der Abstimmung herausstellt, dass Mühlfenzl daran nicht hätte mitwirken dürfen. Dann nämlich kann der Beschluss für ungültig erklärt werden - allerdings nur, wenn seine Stimme für das Abstimmungsergebnis entscheidend war.

Einfach prophylaktisch ausschließen dürfe man Mühlfenzl aber auch nicht, so Brilmayer. Denn wenn sich später herausstelle, dass er nicht befangen war und trotzdem nicht mitstimmen durfte, wäre der Beschluss auf jeden Fall ungültig. Und selber ausschließen dürfen sich Stadt- und Gemeinderäte ohnehin nicht, in der Kommunalpolitik gibt es ausdrücklich nur Ja- und Nein-Stimmen - aber keine Enthaltungen.

Der möglicherweise Betroffene regte selbst eine Verschiebung auf eine kommende Sitzung an. Am besten lasse man die Vorberatung im Ausschuss bleiben, schlug der Bürgermeister vor, und bringe das Thema gleich in den nächsten Stadtrat am 6. März. Bis dahin, so Brilmayer, werde die Kommunalaufsicht im Landratsamt sicher herausgefunden haben, ob Mühlfenzl nun mitstimmen darf oder nicht. Zur Not müsse man bei der Regierung von Oberbayern nachfragen.

Falls beide Stellen bis dahin keine Lösung für das Schmankerl finden, hilft gegen die mögliche Spezlwirtschaft vielleicht nur der Gang, der auch in der richtigen Wirtschaft bisweilen ansteht, wenn es zwickt: Aufs stille Örtchen - die einzig legale Möglichkeit einer kommunalpolitischen Enthaltung.

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