Asylbewerber:Hilferuf aus Grafing

Weil die Ehrenamtlichen am Ende ihrer Kapazitäten sind, bittet Bürgermeister Rudolf Heiler den Landkreis darum, die Stadt bei der weiteren Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen

Von Karin Kampwerth

Sie geben Unterricht in Deutsch, kümmern sich bei der Tafel um Ernährungsgepflogenheiten, begleiten zu Arzt- und Ämterbesuchen, helfen den Kindern bei den Hausaufgaben - nun stoßen die Ehrenamtlichen, die sich in Grafing um Asylbewerber kümmern, an ihre Grenzen, denn schon in den nächsten Tagen und Wochen werden in der Stadt weitere Flüchtlinge erwartet. Ihre Zahl steigt dann von bislang 52 auf 100. Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) hat deshalb einen Brandbrief an das Ebersberger Landratsamt geschrieben. Darin bittet er Landrat Robert Niedergesäß dringend um Unterstützung.

Demnach sei Grafing die Stadt im Landkreis, welche die meisten Flüchtlinge beherbergt. So leben nach Auskunft des Landratsamtes derzeit in Ebersberg 67 Asylbewerber, in Kirchseeon sind es 32, in Emmering 17 und in Vaterstetten neun. Dass Grafing an der Spitze der Aufnahme von Asylbewerbern liege und dies von der Bevölkerung bislang positiv mitgetragen werde, ist Heiler zufolge dem Verdienst vieler Akteure zuzurechnen. "Wir geben jedoch zu bedenken, dass die Einstellung der Menschen zur ungehemmten weiteren Aufnahme aber auch Grenzen haben wird, wie mir in Gesprächen mit Bürgern stets beteuert wird" schreibt Heiler ins einem Brief, der der Redaktion der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Heiler bittet den Landrat deshalb darum, sich um Unterkünfte in den Gemeinden zu bemühen, die bislang noch keine Flüchtlinge oder, so wie Vaterstetten, nur wenige aufgenommen hat. Er appelliert an Niedergesäß, sein Anliegen bei der nächsten Bürgermeisterdienstbesprechung am 16. Oktober nochmals zum Thema zu machen. Dabei könne sich Niedergesäß gerne auf ihn beziehen, "denn ohne merkliche Entlastung andernorts" fürchtet Heiler, dass die Stimmung in der Stadt kippt. Deshalb drängt er auch auf Hilfe bei der Information der Öffentlichkeit über die Flüchtlinge.

So reiche es seiner Ansicht nach nicht länger aus, im Internet oder in der Stadtzeitung "Grafing-aktuell" um Verständnis und Toleranz zu bitten, Willkommensgesten zu zeigen oder für Weltoffenheit zu werben. "Die Bürger erwarten mehr Hinweise über Herkunft, Asylgründe, voraussichtliche Dauer des Aufenthaltes ebenso wie über ihre kulturellen Bräuche und ggf Bedürfnisse", schreibt Heiler weiter. Auch die Frage, wie und in welchem Umfang Asylbewerber etwa gemeinnützig arbeiten dürften, sei von Interesse. Ebenso wollten die Grafinger darüber informiert werden, wann, wie und wo die Asylbewerber sozialpädagogisch betreut würden. "Vor allem eine ausreichende Asylberatung wäre die Grundlage für ein gedeihliches Zusammenleben von Asylbewerbern und Einheimischen", so Heiler, der darauf hinweist, dass insbesondere die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge traumatisiert seien. Niedergesäß soll den Freistaat Bayern deshalb dazu auffordern, entsprechende Leistungen den steigenden Anforderungen anzupassen und in den Landkreisen und Gemeinden sozialpädagogisch geschulte Kräfte einsetzen.

Gleichwohl will auch die Stadt die Ehrenamtlichen weiter unterstützen. So hat Heiler nach eigenen Worten angekündigt, einen "Runden Tisch Asylbewerber Grafing" einzurichten, um den Aktiven die Gelegenheit zum Austausch zu geben und zu erfahren, wo sie Unterstützung benötigen. Heiler rät dem Landrat, dazu auch einen Vertreter aus seinem Haus und auch aus dem Jobcenter zu schicken, damit die Ehrenamtlichen sehen, dass man sie mit der Betreuung der Asylbewerber nicht alleine lässt. "Ohne eine gewisse überschaubare kommunale Hilfestellung wird das gegenwärtige Problem nicht in den Griff zu bekommen sein, zumal man mit einem Anstieg von Bürgerkriegsflüchtlingen vor allem wohl aus Syrien wird rechnen müssen", schreibt Heiler in seinem Brief an den Landrat.

Grafings Bürgermeister erinnert darüber hinaus an eine Veranstaltung des Kreisbildungswerkes vor 14 Tagen in Grafing, bei der Asylbewerber den Wunsch geäußert hätten, Deutsch zu lernen. Bislang kümmern sich darum das Lehrerehepaar Marga und Winfried Decker sowie die Frau des evangelischen Pfarrers, Elisabeth Kajnath. Heiler regt an, dass der Landkreis interessierten Asylbewerbern über die Volkshochschule Deutschkurse finanziert.

Grafing beherbergt in wenigen Wochen die meisten Asylbewerber im Landkreis, weil ein örtlicher Unternehmer ein Gasthaus umbauen ließ, in dem 30 Flüchtlinge Platz gefunden haben. Weitere Flüchtlinge leben in gemeindlichen Wohnungen. In den Containern neben dem Gymnasium sollen 40 Menschen unterkommen, sobald die noch fehlenden Sanitär- und Küchenmodule angeliefert werden. Darüber hinaus plant die Sozialhilfeverwaltung des Landkreises, auch die leere Hausmeisterwohnung beim Förderzentrum mit Flüchtlingen zu belegen.

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