Aßling:Feingeist, Geschäftsmann, und eigensinnig dazu

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Martin Gruber ist einer, der auch mal aneckt. Das gehört für den Inhaber mehrerer Supermarkt-Filialen zum Erfolgskonzept

Von Anselm Schindler, Aßling

"Martin Gruber": In roten Lettern prangt der Name neben dem Rewe-Logo der Supermarkt-Filiale in Grafing. Doch der Chefposten will nicht so recht zu Martin Gruber passen, zu einem Mann, der zu smart wirkt, als dass er auch mal auf den Tisch hauen könnte. Aufgewachsen ist Gruber in einer Arbeiterfamilie im Bayerischen Wald, wo er die Hauptschule besuchte. "Wenn da ein Stapel mit Bewerbungen liegt, werden die mit Hauptschule oft aussortiert", erinnert sich Gruber. Heute, gut drei Jahrzehnte später, ist er stolzer Inhaber von zwei Rewe-Filialen und einem Getränkemarkt: Er hat sich hochgearbeitet. Und das auch, weil er oft gemacht hat, was andere nicht machen. "Ich schwimme gerne gegen den Strom", so beschreibt sich Martin Gruber selbst.

Teils stößt der 48-jährige mit seinen Ideen aber auch auf Gegendwind. Im Aßlinger Gemeinderat wurde Gruber vor einigen Wochen mit "arrogant" betitelt. Gemeint war damit sein Plan, in Aßling ein neues Café zu eröffnen. Das Café ist als Anbau an Grubers bereits bestehende Rewe-Filiale gedacht, öffnen soll es auch an Sonn- und Feiertagen. Und das, vom kommenden Sommer an, bis 22 Uhr. So zumindest hatte es sich Geschäftsmann Gruber ursprünglich gedacht. Doch das stieß bei Nachbarn auf wütenden Protest: Sie beauftragten den Gemeinderat, der dem Plan ursprünglich zugestimmt hatte, damit, erneut zu diskutieren. Der Gemeinderat lehnte die langen Öffnungszeiten daraufhin ab. "Unzulässig", kommentiert Gruber das Votum. Er kennt die Gemeindeordnung, weil er selbst sechs Jahre lang für die Freien Wähler im Aßlinger Gemeinderat saß. Gruber stört an der ganzen Sache vor allem, dass man mit der Beschwerde nicht direkt auf ihn zugekommen sei, "man kennt sich ja", sagt er. Vergiftet sei die Stimmung in Aßling deshalb aber keineswegs, "wir können uns immer noch in die Augen schauen", meint er mit Blick auf die Nachbarn, die teils auch seine Kunden sind.

Manchmal kollidiert der eigene Einsatz mit den Interessen anderer, gerade in kleinen Gemeinden. Grubers Rewe-Filiale in Aßling war der erste Supermarkt im Ort, zuvor gab es nur einige kleine Tante-Emma Läden. Die sind inzwischen verschwunden. Der Vorwurf der Zerstörung dörflicher Strukturen ist oft anonym, trifft in einer so überschaubaren Ortschaft wie Aßling aber schnell auf konkrete Gesichter. Darauf angesprochen, wird Gruber nachdenklich. "Die wollten eh alle zu machen, das war nicht wegen Rewe", sagt er. "Eine von meinen Angestellten hat früher einen Dorfladen in Aßling geleitet, dann hat sie angefangen, bei mir mitzuarbeiten".

"Pane Bavaria" wird das umstrittene Café heißen, das bald in Aßling, der Wahlheimat Grubers, eröffnet. Pane Bavaria - das klingt nicht nach Mehlstaub und Wurstsemmeln, mehr nach klugen Gesprächen bei Cappuccino und Croissant. Man hätte das Café auch "Café Gruber" nennen können. Doch an dieser Stelle kommt bei Martin Gruber der Feingeist durch, neben dem Filialleiter gibt es da noch den Kulturliebhaber Gruber. Der Wunsch nach den langen Öffnungszeiten seines Cafés rühre daher, dass er dort Kulturveranstaltungen etablieren wolle, sagt Gruber, der selbst diverse Musikinstrumente spielt. Es ist nicht einfach herauszufinden, was bei ihm kluges Marketing ist, was kulturelles Engagement und was sozialer Einsatz. Doch vielleicht funktioniert diese Trennung in Grubers Fall auch nicht.

Lebhaft erinnert sich Gruber an einen Chor mitsamt Orchester, die seine Grafinger Filiale mit Publikum füllten. Über den Kassen war für den Auftritt ein Podest errichtet, "gerade die Kinder im Chor fanden das ganz spannend", sagt er und lacht. In Grubers Filialen fanden schon viele Kultur-Veranstaltungen statt, erst vergangenes Wochenende spielte ein Gitarrenduo in seiner Grafinger Filiale. Zwei Abende zuvor hatte er einen Weingut-Besitzer in seine Kostbar geladen, bei Klaviermusik konnten Kunden teure Weine verkosten.

Die Kostbar ist Grubers Schmuckstück: An einer langen Theke bieten Grubers Mitarbeiter, darunter ein Koch aus Italien, Fischspezialitäten an. "Das wird nicht funktionieren", erinnert sich Gruber an die Worte seiner Berater, doch die Fischtheke scheint sich zu rechnen. Und wie Gruber da am langen Holztisch in der Kostbar sitzt, kommt das Gefühl auf, dass er die Theke auch ein Stück weit für sich selbst hat einrichten lassen. "Hier treffen sich die Menschen und kommen ins Gespräch", erklärt Gruber und streicht liebevoll über das Holz des langen Tisches, der mehrere Quadratmeter des Eingangsbereiches der Grafinger Filiale ausfüllt. Der Tisch sei eine spezielle Anfertigung, sagt er stolz.

Martin Gruber spricht über die Filiale als sei sie sein Wohnzimmer, und ein bisschen ist es auch so: Seine Arbeitszeit liegt weit jenseits von 40 Stunden pro Woche. Seinen Lebenspartner störe das nicht, erklärt er, dieser stärke ihm den Rücken. Ohne Partner im Hintergrund ginge es vermutlich auch nicht.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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