Architektur:Das Haus des Monument-Mannes

Der Bildhauer Josef Thorak schuf in Baldham mächtige Statuen, die den Nationalsozialismus priesen. 80 Jahre, nachdem das Atelier errichtet wurde, gibt es Pläne für eine Dauerausstellung zur Geschichte des Gebäudes

Von Wieland Bögel

Jetzt im Winter, wenn die Bäume kahl sind, kann man es wieder sehen: Vaterstettens geheimnisvollstes Gebäude. Auf einem fast drei Hektar großen Areal zwischen Wald- und Fichtenstraße steht es, ein riesiger Würfel, ein Relikt aus dunklen Zeiten, das ehemalige Atelier des Bildhauers Josef Thorak. Wo einst Monumente zu Ehren des Nationalsozialismus entstanden, könnte bald eine Ausstellung die wechselvolle Geschichte des Hauses darstellen: Die Archäologische Staatssammlung, die das Gebäude seit gut 30 Jahren als Lagerhaus nutzt, plant die Einrichtung einer kleinen Dauerausstellung.

Zu zeigen und zu erzählen gäbe es in der Tat genug, sowohl über das Haus, wie auch über seine Bewohner und Nutzer. Der erste ist zweifellos der schillernste: Josef Thorak. Der 1889 in Wien geborene Sohn eines Töpfers galt schon früh als begabter Künstler, er studierte in Wien und Berlin, besonders seine Porträts wurden von den Zeitgenossen gelobt. Seine andere Spezialität waren monumentale Plastiken, was seiner Karriere nach 1933 einen weiteren Aufschwung verschaffte: Thoraks Statuen schmückten das Olympiagelände in Berlin ebenso wie das Reichsparteitagsgelände. Adolf Hitler persönlich nahm Thorak in die NSDAP auf und machte seinem Lieblingsbildhauer 1938 ein besonderes Geschenk: eben das Atelier in Baldham, gebaut nach Plänen von Albert Speer, ideal ausgestattet für die Schaffung weiterer Monumentalstatuen.

Josef Thorak in seinem Atelier, 1936

Der Bildhauer Josef Thorak fertigte etwa ein Denkmal für die Arbeiter der Reichsautobahn in seinem Atelier in Baldham bei München an.

(Foto: SZ-Archiv)

Dies wird bereits beim Blick von außen deutlich, zumindest, wenn man von Süden auf das Gebäude schaut. Dort sieht man drei gigantische Metalltüren, etwa neun Meter hoch, durch welche einst Marmorblöcke hinein und Statuen knapp bekleideter Germaninnen und Germanen hinaus befördert wurden. Der Ort dieser Verwandlung: ein 900 Quadratmeter großer und 18 Meter hoher Raum unter einem Glasdach, das eigentliche Atelier Thoraks.

Das Haus wie sein Bewohner überstanden den Krieg unbeschadet, Thorak wurde in mehreren Verfahren von jeglicher Mitschuld an den Naziverbrechen freigesprochen, er arbeitete noch einige Jahre weiter als Bildhauer, 1952 starb er in Salzburg. In Baldham war er schon vor Kriegsende ausgezogen, sein altes Atelier diente seitdem als Depot, um die Schätze Münchner Museen vor den Bomben zu retten. Bei der Beendigung des Krieges spielte das Haus zumindest eine Nebenrolle: Hier trafen am 5. Mai 1945 General Jacob L. Devers, Chef der sechsten amerikanischen Armeegruppe, und der Unterhändler der deutschen ersten Armee, General Hermann Foertsch, aufeinander, um die Kapitulation der Wehrmacht im Süden zu besiegeln.

Nach den Generälen lebten zunächst Flüchtlinge in dem Atelier. 1947 kamen dann die Kinder: Bis 1953 war im Thorak-Gebäude die "Waldschule" untergebracht, die erste Grundschule Baldhams, die später an die Brunnenstraße in neue Gebäude übersiedelte. Danach wurde es wieder etwas glamouröser im früheren Atelier, bis in die 60er-Jahre wurde es als Filmset genutzt. Ganz ideal schien es für die Traumfabrik aber nicht zu sein, die Filmleute zogen schließlich aus, unter anderem hatten sie das Knacken der Metalltüren bemängelt, das ihre Tonspuren beeinträchtige. Der Kunst bot das Haus aber weiterhin Obdach, nach dem Film kam die Oper, allerdings nur deren Kulissen.

Architektur: Heute nutzt die Archäologische Staatssammlung das Haus als Lager.

Heute nutzt die Archäologische Staatssammlung das Haus als Lager.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als der große Hagel 1984 das Glasdach zerstörte, mussten diese wieder ausziehen, einige Jahre stand das Atelier daraufhin leer, sogar der Abriss wurde schon diskutiert. Ende der 1980er-Jahre zog dann die Staatssammlung ein, sie nutzt das Gebäude bis heute.

Was nicht immer leicht war, wie sich Hans Peter Uenze erinnert. Der Vaterstettener war stellvertretender Direktor der Staatssammlung und einer derjenigen, die damals den Umzug organisierten. Das Gebäude für die Bedürfnisse der Staatssammlung umzugestalten, war nicht einfach. Nicht nur die Raumaufteilung - das riesige Atelier einerseits und andererseits die früher als Wohn- und Sozialräume genutzten Nebenzimmer - war eine Herausforderung, auch für gleichmäßige Temperaturen zu sorgen, sei nicht immer einfach gewesen, sagt Uenze. Schließlich vertragen viele Artefakte keine Temperaturschwankungen. Der Schutz der Lagerbestände sei auch der Grund, warum das Haus bislang für die Öffentlichkeit weitgehend gesperrt ist, sagt Uenze. Schließlich seien Beschädigungen nicht auszuschließen, wenn dauernd zahlreiche Besucher durch das Lager liefen.

Wie man die Interessen der wissbegierigen Besucher mit den Bedürfnissen einer wissenschaftlichen Einrichtung zusammenbringt, prüft man derzeit bei der Staatssammlung. Hintergrund ist die derzeit laufende Inventarisierung der Bestände, erklärt eine Sprecherin. Durch die damit einhergehende Umorganisation und den Einbau von neuen Hochregalen werde mehr Platz zur Verfügung stehen, auch für eine Ausstellung. Wo im Gebäude und in welcher Form diese entstehen soll, sei aber noch unklar, heißt es, auch wie oft die Schau geöffnet wird, stehe noch nicht fest.

Architektur: Das monumentale Baldhamer Atelier, errichtet nach Plänen Albert Speers, war ein Geschenk Adolf Hitlers an seinen Lieblingsbildhauer Josef Thorak.

Das monumentale Baldhamer Atelier, errichtet nach Plänen Albert Speers, war ein Geschenk Adolf Hitlers an seinen Lieblingsbildhauer Josef Thorak.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zumindest Bürgermeister Georg Reitsberger hat schon einige Ideen, wie man Besuchern die Geschichte des Gebäudes künftig nahebringen könnte: Er würde sich wünschen, dass in diesem "sehr geschichtsträchtigen und sehr vielseitigen Gebäude" ein Raum eingerichtet wird, in dem die Historie des Hauses dargestellt ist. Auch regelmäßige Führungen könnte sich der Bürgermeister gut vorstellen, er habe bei der Staatssammlung bereits angeregt, wenn der Umbau fertig ist, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten. Die Vaterstettener, davon ist Reitsberger überzeugt, würden das Angebot sicher gerne wahrnehmen: "Das Interesse ist da, ich bekomme immer wieder Anfragen, ob man das Anwesen anschauen kann."

Positiv fällt auch die Reaktion von Reitsbergers Vorgänger als Bürgermeister, des jetzigen Landrats Robert Niedergesäß aus: "Ich fände es geradezu wunderbar, wenn dieses für die jüngere Geschichte besondere Gebäude der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich würde. Dabei geht es nicht nur um die schwere und sehr kritische Zeit während des Dritten Reichs, sondern auch um die Nachkriegsgeschichte von Baldham." Schließlich sei das Gebäude "Kirchenraum, Schule und dann sogar Filmstadt" gewesen, berühmte Schauspieler wie Grete Weiser, Blacky Fuchsberger, Mario Adorf oder Willi Millowitsch hätten dort gedreht. "Auch die Schätze der prähistorischen Sammlung geben viel Stoff."

"Dieses Gebäude hat schon in unserer Kindheit eine etwas mystische Wirkung gehabt, weil es immer verboten war, das Grundstück zu betreten", erinnert sich Niedergesäß. "Eine regelmäßige Öffnung mit einer Ausstellung zur Geschichte dieses Bauwerkes, eventuell gepaart mit Sonderausstellungen wäre ein großer Gewinn." Wie der Bürgermeister glaubt auch der Landrat, dass so ein Angebot sehr gut angenommen würde: "Wenn dort alle paar Jahre - und dies nur sehr selten - die Möglichkeit besteht, das imposante Gebäude in all seinen Facetten kennen zu lernen, dann ist das Interesse der Bevölkerung sehr groß." Eine "generelle und ungeregelte Öffnung des Areals" sieht Niedergesäß dagegen "etwas kritisch", auch aus Gründen des Naturschutzes.

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