Arbeitsmarkt:Mehr Erzieher gewünscht

Die Träger vermuten aber, dass das geringe Gehalt und Vorurteile potenzielle Auszubildende abschrecken

Von Friederike Hunke, Ebersberg

Kinderbetreuung ist fast immer Frauensache, im professionellen wie im privaten Bereich. Dabei sind viele Eltern und Pädagogen der Auffassung, dass es Kindern gut tut, neben Frauen auch Männer als Vorbild oder Ansprechpartner zu haben. Trotzdem stellten Männer im Jahr 2015 bundesweit nur knapp fünf Prozent des pädagogischen Kita-Personals. Der Landkreis Ebersberg liegt mit 4,9 Prozent ebenfalls in diesem Bereich.

Alle großen Kita-Betreiber im Landkreis wünschen sich mehr Männer in ihren Einrichtungen. Ulrike Bittner, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes, findet es wichtig, dass Kinder beide Geschlechter erleben - "und wenn es auch nur darum geht, zu erkennen: Hey, ein Mann bastelt ja auch gern! Ein Mann backt auch Kuchen!" Das hilft, Vorurteile abzubauen, zumal vielen Kindern die Vaterrolle fehlt, weil sie nach einer Trennung der Eltern bei der Mutter aufwachsen, oder der Vater neben der Arbeit zu wenig Zeit für die Familie hat. Christian Althoff vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) wünscht sich deshalb für jede Kindergruppe einen Mann und eine Frau als Erzieher. "Dann hätten wir so etwas wie eine Familienkonstellation."

Die Pädagogen sind sich einig: Männer gehen anders mit Kindern um als Frauen. So klischeehaft das sein mag, so beobachten sie trotzdem, dass Männer mehr Sport mit den Kindern treiben, mit Konflikten gelassener umgehen und den Kindern im technischen Bereich mehr zutrauen. "Mein Sohn ist in der ersten Klasse und war hauptsächlich von weiblichen Erzieherinnen umgeben. Es ist toll, dass nun im Hort auch ein männliches Vorbild da ist, unabhängig vom eigenen Vater", sagt Ira Hummel. Sie ist Elternbeirätin in einer Einrichtung von Kinderland Plus, in der zwei Männer arbeiten - für die Ärztin ein Grund, ihre Kinder hier unterzubringen. Aus Sicht der Eltern sei es wünschenswert, dass Kitas genauso viele männliche wie weibliche Erzieher beschäftigen. Hämmern, sägen, ein Baumhaus bauen - all das können Frauen natürlich auch. "Aber ich habe es bisher nicht erlebt, dass eine Frau das macht", sagt Hummel.

Im Landkreis beschäftigen die Kita-Betreiber zurzeit 1070 Pädagogen, davon 52 Männer. Das sind mehr als im bayerischen Durchschnitt, aber trotzdem zu wenige, klagen die Träger. Althoff schätzt, dass fünf von hundert Bewerbungen beim BRK von Männern stammen. Ein Grund für dieses Ungleichgewicht könnte das geringe Gehalt sein. Ausgebildete Erzieher erhalten nach Tarifverträgen ein monatliches Brutto-Einkommen von 2367 Euro bis zu 3289 Euro. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung verdienten Erzieher im Jahr 2014 durchschnittlich 2490 Euro im Monat - da bleibt nach Abzug der Steuern und Lebenshaltungskosten nicht viel übrig.

Bittner ist sich trotzdem sicher: "Es liegt nicht am Geld." Vorurteile seien ein großes Problem: Zum einen herrsche bei manchen Männern die Überzeugung, dass Kinderbetreuung unmännlich sei. Zum anderen unterstellten einige Eltern männlichen Erziehern pauschal einen pädophilen Hintergrund. Auch ohne konkreten Verdacht möchten sie nicht, dass ein Mann ihr Kind auf den Schoß nimmt oder wickelt, berichtet Althoff. "Jeder, den ich kenne, der die Erzieher-Ausbildung gemacht hat, kann von einem solchen Fall berichten." Diese Vorurteile sind nach Meinung der Betreiber ein Grund, warum sich Männer gegen das Erzieherdasein entscheiden oder nur mit älteren Kinder arbeiten möchten.

Männer in Kitas

Bayerische Kindertageseinrichtungen beschäftigen 5237 Männer (Stand Ende 2015). Das sind fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2007. Von diesen Angestellten arbeitet allerdings etwa die Hälfte im hauswirtschaftlichen oder technischen Bereich, sodass der Anteil der Männer, die tatsächlich pädagogisch tätig sind, nur bei 3,5 Prozent liegt. Das ist weniger als der bundesweite Durchschnitt von knapp fünf Prozent.

Männliche Praktikanten und Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres sind dabei bereits mit eingerechnet. Den höchsten Männeranteil in bayerischen Kindertageseinrichtungen, dazu gehören Kinderkrippen, Kindergärten und auch Horte, findet man in der Stadt Nürnberg, dort arbeiten fast acht Prozent Männer. In dem entsprechenden Bericht des Bayerischen Landesamtes für Statistik von Dezember 2015 heißt es: "Die Zahlen zeigen, dass Kinder in Kindertageseinrichtungen überwiegend von Frauen umgeben sind und Pflege, Betreuung und Erziehung fest in weiblicher Hand liegen."

Begründet wird das von Berufsverbänden auch mit den geringen Verdienstmöglichkeiten von Erzieherinnen, das Einstiegsgehalt liegt bei 1700 bis 2300 Euro nach einer vergleichsweise langen vier Jahre dauernden Ausbildung. Wer eine Kita leitet, verdient in öffentlichen Einrichtungen etwa 2900 Euro im Monat, der Verdienst kann allerdings auf bis zu 4300 Euro steigen - je nach Dienstjahren und Größe der Einrichtung. fhu

In der Regel seien Eltern wie Kinder zwar begeistert, wenn ein Mann in der Kita angestellt sei, versichert Bittner. Männer bekämen weitaus mehr Anerkennung als Frauen im Erzieherberuf. Trotzdem arbeiten die männlichen Pädagogen bei den vier großen Trägern im Landkreis überwiegend als Hortbetreuer. In den Kindergärten sind es nur fünf Männer. Kein einziger hat sich für eine Anstellung in einer Krippe entschieden.

Dabei sagt Althoff, selbst ausgebildeter Erzieher: "Es ist ein ausfüllender, toller Beruf, kleine Menschen beim Erwachsenwerden zu begleiten." Bittner ergänzt, dass sich Erziehern, egal ob Mann oder Frau, ein abwechslungsreicher Alltag und viele Beschäftigungsmöglichkeiten böten. Wie sich der Männeranteil in Zukunft entwickeln wird, schätzen die Träger unterschiedlich ein. Beim BRK bewerben sich laut Althoff nicht mehr Männer als vor zehn Jahren. Herbert Matzner, Geschäftsführer von Kinderland Plus, berichtet dagegen von steigenden Praktikantenzahlen. Das erlebt auch Bittner bei der Awo: "So viele männliche Praktikanten wie in diesem Jahr hatten wir noch nie. Das ist für mich ein Zeichen, wohin der Trend geht."

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