Anzing/Kirchseeon:Islam-Kritik und Schulz-Jubel

Bei den Veranstaltungen der CSU und der SPD stimmen die Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz und Ewald Schurer schon ein bisschen auf den Wahlkampf ein

Von Jan Schwenkenbecher und Barbara Mooser, Anzing/Kirchseeon

Derb soll es zugehen, nicht selten polemisch. Die Redner am politischen Aschermittwoch zielen in der Regel knapp an die Gürtellinie, treffen nicht selten auch darunter. In jedem Fall steht der politische Gegner im Fokus. Diese rhetorischen Spitzen, die mehr oder weniger subtilen Nickeligkeiten, blieben am Mittwochabend im Anzinger Forsthof allerdings aus, wo CSU-Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz zum politischen Aschermittwoch eingeladen hatte.

Zwar sagte Lenz, der morgens auf dem Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau gewesen war, zu Beginn: "Man merkt, dass der Wahlkampf begonnen hat, dass der politische Gegner härter angegangen wird." In seiner eigenen Rede beschränkte er das harte Angehen aber auf Sätze wie diesen: "Die Wahl im Herbst ist eine richtungsweisende Wahl, es geht um die Frage Rot-Rot-Grün gegen eine bürgerlich geführte Regierung." Oder diesen: "Die Flüchtlinge sollen zurück nach Afrika gebracht werden? Guten Morgen, Herr Oppermann, die CSU fordert das seit drei Jahren." Und zu den Grünen sagte er: "Statt konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, geht es nur um das Wort 'Nafri'. Das ist ein notorisches Polizei-Bashing."

Statt verbaler Attacken gegen andere Parteien redete Lenz meist über Bayern und die CSU. Diese werde im kommenden Wahlkampf schauen, dass die Erziehung in der Rente berücksichtigt werde, so Lenz. Zudem seien in Bayern jüngst 4000 neue Polizeistellen geschaffen worden, während in anderen Bundesländern gekürzt werde. Das sei gut, Bayern habe sogar im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen die höchste Polizistendichte aller Flächenstaaten. Trotzdem seien Einbrüche weiter ein Thema, so Lenz, bei wem eingebrochen wurde, dem helfe auch keine Statistik, die besage, dass es in Nordrhein-Westfalen immer noch mehr Einbrüche gäbe. "Ich habe Seehofer gesagt, wir brauchen eine Task-Force, die sich dieser Fälle annimmt", so Lenz. Tatsächlich nahm in Bayern die Zahl der Wohnungseinbrüche zwischen 2014 und 2015 um etwa neun Prozent ab, wie ein Bericht des Innenministeriums von Anfang vergangenen Jahres zeigte. Dennoch werden nur etwa 16 Prozent der Einbrüche polizeilich aufgeklärt.

Anzing/Kirchseeon: Ewald Schurer (links) sprach im Kreise seiner Kirchseeoner Genossen, die sich in Falkenberg trafen.

Ewald Schurer (links) sprach im Kreise seiner Kirchseeoner Genossen, die sich in Falkenberg trafen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die etwa 25 Gäste machten sich nur ein Mal durch zustimmendes Gemurmel bemerkbar, da hatte Lenz gerade gesagt, dass Anzing ja eine der wenigen Gemeinden sei, die keinen großen Zuzug neuer Anwohner habe. Lenz wiederum lobte den Landkreis, der eine Rekordfertigstellung an Wohnungen habe, viel mehr als in München. Er kritisierte aber auch die Politik der Landeshauptstadt, "wenn München nun sagt, die Landkreise müssen bauen, machen die es sich zu leicht", so Lenz.

Auch der schärfste Satz des Abends bezog sich nicht auf einen politischen Gegner. Er fiel, als Lenz über die Entwicklungen in Europa sprach. Nachdem er kurz erwähnte, dass "wir ein starkes Europa brauchen, das sich nicht bloß mit Regelungen zu Duschköpfen und Gurkenkrümmungen beschäftigen soll" und dass "wir schauen sollten, dass nicht alle raus, sondern eher rein wollen", sagte er abschließend: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland und er gehört auch nicht zu Europa." In den europäischen Staaten Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Albanien dürfte man das allerdings anders sehen, dort stellt der Islam die größte Konfessionsgruppe.

SPD: Neues vom Hoffnungsträger

Eigentlich kein schlechter Deal: Vor dem Fisch bekamen die Kirchseeoner Sozialdemokraten am Mittwochabend in der Schlossgaststätte Falkenberg eine Kurzform der Rede von Martin Schulz vom Mittwochvormittag serviert - aus dem Munde des Ebersberger Abgeordneten Ewald Schurer. Dafür mussten sie weder die Anreise nach Vilshofen bei schlechtem Wetter noch die vielen Co-Redner bei miefiger Bierzeltluft ertragen. Allerdings entgingen ihnen auch optische Höhepunkte - etwa der muskulöse Oberkörper von Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), den Schurer gleich mehrmals anerkennend erwähnte. Und natürlich Martin Schulz selbst, der Mann, der die SPD aus dem Keller ins absolute Stimmungshoch geführt hat.

Anzing CSU Aschermittwoch

Andreas Lenz - hier mit Kathrin Alte und Rupert Strasser - besuchte Anzing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Zeit für Martin!" steht denn auch vertraulich-euphorisch auf den Biergläsern und anderen Souvenirs, die beim sozialdemokratischen Aschermittwoch in Vilshofen zu erwerben waren. Schurer konnten sie zwar nicht reizen - "solche Devotionalien interessieren mich nicht" - doch ein bisschen gute Stimmung hat der 62-Jährige durchaus aus Vilshofen mitgebracht. Ohnehin herrscht in den Ortsvereinen Aufbruchstimmung. Im Kreisverband sei Schulz schon lange als der Wunsch-Kanzlerkandidat gehandelt worden, erzählt Diana Thalhammer, stellvertretende Vorsitzende der Kirchseeoner SPD und Mitglied im Kreisvorstand. Umso größer war die Freude, als Sigmar Gabriel tatsächlich den Weg für diese Personalie frei machte.

"Diesmal brauchten wir keine Wäscheklammern, um Smileys zu erzeugen", berichtete denn auch Schurer mit seinem bekannt trockenen Humor. Statt gezwungenem Lächeln empfing den Kandidaten frenetischer Jubel, auch viele, die nicht der Partei angehören, hätten den Weg nach Vilshofen gefunden. Allein aus Schurers Wahlkreis fuhren zwei voll besetzte Busse den Veranstaltungsort an. Ein trockenes Politik-Referat des Hauptredners erwartete sie dort nicht. Schulz gelinge es, seine Ideen ganz konkret anhand der Beschreibung individueller Lebensschicksale zu ermitteln, berichtet Schurer, der die Rede des Kanzlerkandidaten ohne Notizen rekapitulierte: "Er macht das so, dass sich die Leute alle angesprochen fühlen." Dabei habe Schulz betont, dass er auf anderer Ebene nicht persönlich werden will: Diffamierungen des Gegners werde es nicht geben, berichtete Schurer. Demokratische Parteien könnten es sich in Zeiten der AfD nicht mehr leisten, sich gegenseitig die Qualifikation abzusprechen.

Insgesamt, so Schurer, sei die Stimmung sehr gut, "Schulz kann die Menschen mitnehmen". Er könne auch jene für die SPD zu gewinnen, die man lange nicht mehr habe erreichen können. Schurer selbst hofft, dass sein Wahlergebnis von der Aufbruchstimmung profitieren kann: "Wenn man sich auch persönlich noch so Mühe gibt, man ist immer auch abhängig von der allgemeinen Stimmung." Schurer, der inzwischen seinen siebten Bundestagswahlkampf absolviert, zog für sich eine gute Bilanz. Er habe versucht, alle wichtigen Themen im Landkreis zu besetzen und etwas voranzubringen, sagte Schurer und dankte der Kirchseeoner SPD für ihre Unterstützung. Die Genossen werden jedenfalls mit neuem Selbstbewusstsein in den Wahlkampf ziehen, wie Ortsvorsitzender Erwin Hien deutlich machte: Früher, so berichtete er, sei er bei der Bundeswehr, wo er als Personalrat tätig ist, als "rote Socke" verschrien gewesen. Inzwischen werde die SPD-Mitgliedschaft durchaus anerkennend registriert.

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