Pfarrgemeinde Anzing:Appell für mehr Offenheit

Anzing

Ein Denkanstoß für alle Bürger soll diese Zeichnung sein: Jeder sollte sich aktiv gegen populistische Hetze stellen.

(Foto: privat)

Mit einer Karikatur auf der Titelseite der Nachrichten wendet sich der Pfarrverband Anzing-Forstinning gegen populistische Hetze. Der Verband selbst geht mit gutem Beispiel voran.

Von Johanna Feckl, Anzing

Auf der Titelseite der aktuellen Nachrichten des Pfarrverbands Anzing-Forstinning prangt eine Karikatur. "Protest gegen Hass und Gewalt geht aber nicht vor dem Fernseher" behauptet der Text darunter. Die Zeichnung zeigt einen Mann auf einem Sessel, den Kopf auf seine rechte Hand gestützt, in der linken Hand eine Flasche, vielleicht ein Feierabendbier. Sein teilnahmsloser Blick richtet sich auf das Fernsehbild vor ihm. Die dunklen Farben und gezackten Umrisse auf dem Bildschirm deuten auf aufwühlende Szenen hin. "Das Bild ist als Denkanstoß gemeint", sagt Pfarrer Bernhard Waldherr. Engagiert man sich genug, um populistischer Hetze und Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen aktiv entgegenzutreten? Da stellt sich die Frage, ob der Pfarrverband selbst nach diesen Leitsatz handelt.

Elisabeth Stanglmeier von der Bürgerinitiative "Offenes Anzing" lobt das Engagement des Pfarrverbands. Beim Neujahrsblasen beispielsweise seien einige der 25 Anzinger Asylbewerber involviert gewesen und haben Sekt ausgeschenkt. Und als christliche Flüchtlinge den Wunsch äußerten, die Bibel gerne in deutscher Sprache zu lesen, habe Pfarrer Waldherr ihnen kurzerhand fünf Ausgaben geschenkt. "Große Aktionen sind da eigentlich gar nicht notwendig", stellt Stanglmeier fest.

Zusammenarbeit mit dem Kreisbildungswerk

Und trotzdem organisiert der Pfarrverband auch Informationsabende. "Wir arbeiten viel mit dem Kreisbildungswerk zusammen", sagt die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Anita Thiel. Wie beispielsweise für die Lesung im vergangenen Dezember, als der Schriftsteller Zekarias Kebraeb im Pfarrheim aus seinem Buch über seine vier Jahre dauernde Flucht nach Deutschland las. Oder für die Veranstaltung "Bibel und Koran" aus der Reihe "Kultur und Mehr im Café" am 17. März im Gemeinde-Café des Anzinger Seniorenzentrums.

"Das ist ein Basisthema", sagt Axel Jühne, der Bildungsbeauftragte des Pfarrgemeinderats. Der Vortrag möchte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der christlichen und der muslimischen Lehre herausarbeiten und dadurch mit oberflächlichen Phrasen aufräumen. "Es ist immer etwas anderes, ob man mit Wissen über etwas spricht oder einfach nur über etwas spricht", sagt Jühne.

Die Gelegenheit zum Kennenlernen ergreifen

Auch ein persönliches Kennenlernen hält die Pfarrgemeinde für ein gutes Mittel, um gegen Pauschalurteile vorzugehen. So plant sie in Zusammenarbeit mit der politischen Gemeinde ein sogenanntes ökumenisches "Rama dama". "Ziel ist, dass die gesamte Ortschaft auf den Beinen ist und alles reinigt, was die normale Straßenreinigung nicht erfassen kann", erklärt Thiel. "Und ausklingen lassen möchten wir den Tag bei einer gemeinsamen Brotzeit." Solche Aktionen gingen über einen rein religiösen Kontext hinaus und böten daher für alle Anzinger, egal ob hier aufgewachsen oder zugezogen, eine gute Gelegenheit, um sich gegenseitig bekannt zu machen.

Das Titelbild der Pfarrnachrichten interpretiert Stanglmeier als allgemeinen Appell, denn die meisten Anzinger würden sich gegenüber den Flüchtlingen sehr offen zeigen. Die Karikatur rege zum Reflektieren an: "Wenn man von Vorurteilen im persönlichen Umfeld erfährt, stellt man sich da klar dagegen? Denn da fängt der aktive Protest an!" Für Stanglmeier ist es wichtig, dass bei Gerüchten über Flüchtlinge immer nachgefragt wird, woher derjenige die Informationen hat. "Das ist dieses Sündenbockdenken: Da wird immer der schwächste Teil der Gesellschaft getroffen", kritisiert sie.

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