Am Gymnasium Kirchseeon:Zwischen Geisterpiraten, Karma und Steinzeit

Am Gymnasium Kirchseeon: Passend zur Kinderoper vom "Fliegenden Holländer" gestalten Sechstklässler beim Malwettbewerb verschiedene Motive. Die Moosacher Künstlerin Maja Ott unterstützt sie dabei.

Passend zur Kinderoper vom "Fliegenden Holländer" gestalten Sechstklässler beim Malwettbewerb verschiedene Motive. Die Moosacher Künstlerin Maja Ott unterstützt sie dabei.

(Foto: Christian Endt)

Der Kulturtag will mit den unterschiedlichsten Angeboten den Horizont der Schüler erweitern. Sie können nicht nur schöpferisch tätig werden, sondern auch meditieren und diskutieren

Von Annalena Ehrlicher, Kirchseeon

Laut, sehr laut können 29 kribbelige Sechstklässler sein. Markus Felski treibt seine Klasse zur nächsten Station des Kulturtages am Gymnasium Kirchseeon. Es steht eine zwanzigminütigen Meditation für die Jugendlichen an. Kaum vorstellbar ist es, dass all die zappelnden Glieder sich beruhigen, das Gekicher und Geplapper für volle zwanzig Minuten eingestellt werden sollen. Doch: Der "Raum der Stille", der in Kirchseeon sonst für Ethik- und Religionsunterricht sowie zur Entspannung in den Pausen genutzt wird, macht seinem Namen alle Ehre. Marco Kargl, katholischer Theologe und Life-Coach, empfängt die Schüler an der Tür und bremst das Summen somit bereits zu Beginn ab. In dem abgedunkelten Raum, auf dessen Boden Teppiche und Kissen ausgebreitet sind, entfaltet die sonore Stimme Kargls nahezu hypnotische Kräfte und es dauert keine drei Minuten, bis das letzte Kichern in ruhiges Atmen umschlägt.

"Lehrer bleibt eben Lehrer", sagt Felski im Nachhinein, "für die Schüler ist es immer toll, wenn ein externer Experte da ist". Die Meditationssession soll den Schülern eine Möglichkeit eröffnen, sich auch im Alltag einen Moment der Ruhe zu nehmen. Raphael Gütter, Musikbeauftragter und Hauptorganisator des Kulturtages, erläutert: "Was wir dieses Jahr im Rahmen des Kulturtags ausprobieren wollen, ist, die Schüler dazu zu motivieren, ihren Geisteshorizont zu erweitern - dazu bieten wir ganz unterschiedliche Berührungspunkte an." Im Kontext des Arbeitskreises Persönlichkeitsentwicklung, der wiederum im Zusammenhang mit der Schulentwicklung am Gymnasium Kirchseeon steht, will Gütter den Kulturtag auch künftig breit aufstellen: "Gerade heute ist es doch gut und wichtig, dass die Schüler die Möglichkeit haben, in der Schule in Kontakt mit Informationen zu kommen, die sie sich sonst so nicht holen würden."

"Schau, mein Holländer hat gaaaanz viel Gold dabei", prahlt unterdessen ein Sechstklässler und schiebt sein Gemälde dem Kind am Nebentisch zu. Holländer? Der fliegende, natürlich! Passend zur Oper von Richard Wagner, die die Wiener Kinderoper Papageno gemeinsam mit den Schülern in der Aula des Gymnasiums aufführt, wird ein Malwettbewerb veranstaltet: Mit Tipps und Unterstützung der freischaffenden Künstlerin Maja Ott aus Moosach können die Kinder aus sieben vorformulierten Themen Szenen aus der Oper künstlerisch ausgestalten. Vom Treueschwur von Dalands schöner Tochter Senta an den Geisterpiraten bis zu deren gemeinsamen Aufstieg in den Himmel: Die Sechstklässler setzen konzentriert und ehrgeizig fabelhafte Motive um. Die Jury, die die besten Bilder aus jedem Themenbereich auswählt, besteht aus Abiturienten mit Kunst-Additum. "Das sorgt natürlich auch noch mal für mehr Ehrgeiz, als wenn wir das einfach bewerten würden", sagt Gütter und lächelt.

Während der Malwettbewerb in vollem Gange ist, führen die Zehntklässler im dritten Stock eine interessierte Diskussion mit zwei praktizierenden Buddhisten aus dem Buddha-Haus München. Carolin Neumann, evangelische Religionslehrerin, folgt dem Gespräch und greift hin und wieder ermuntern ein. "Am Anfang ist die Hemmschwelle recht hoch, aber letztlich interessieren sich die Schüler dann eben doch für solche Themen", sagt sie. Besonders Konzepte wie Karma und Wiedergeburt scheinen die Jugendlichen mitzureißen. Es fallen Sätze wie "Emotionen sind eine große Landschaft", und "Man muss erst lernen, seine Emotionen richtig zu erkennen: nicht alles liegt so weit auseinander wie Liebe und Hass." Wichtig ist, dass in dem Gespräch kein abschließender Punkt gefunden werden muss: "Die Idee ist, den Schülern einen Eindruck davon zu geben, was für Lebensmodelle es außerhalb unserer täglichen Erfahrungen geben kann", kommentiert Gütter, während er von Klassenzimmer zu Klassenzimmer eilt, um den Überblick zu behalten.

Nach dem Zwischenstopp in der fernöstlichen Weisheitslehre landet man etwas abrupt in der Altsteinzeit: In einem Schnelldurchlauf durch die Jahrtausende vollziehen die Schüler die Sesshaftwerdung der Steinzeitmenschen nach: das Pflanzen von Weizensorten, die Domestizierung von Tieren, die allmähliche Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen. "Wie kann man wissen, was für Temperaturen damals geherrscht haben?", will eine Schülerin wissen. "Das errechnen die Klimaforscher - damit habe ich nichts zu tun", pariert der Archäologe gelassen. Der Bezug zum Lehrplan und den gebotenen Möglichkeiten am Gymnasium Kirchseeon ist hier offenkundig: In der elften Jahrgansstufe haben die Jugendlichen die Möglichkeit, Archäologie als Profilfach zu wählen. "Wir unterstreichen ja auch immer, dass beim Kulturtag kein Unterricht ausfällt, sondern nur der Zugang zu den Themen und der Zeitrahmen anders ist", betont Gütter - "weniger anstrengend ist das weder für die Schüler noch für uns." Zum Glück kann auch er zwischendurch für zwanzig Minuten zu Marco Kargl in den Meditationsraum schlüpfen. Ein bisschen Übung in Achtsamkeit tut eben jedem gut.

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