Alle wollen auf den Chefsessel:Volles Kandidatenkarussell

Nachdem Rudolf Heiler seinen Rückzug angekündigt hat, laufen in Grafing die Vorbereitungen für den Bürgermeisterwahlkampf im März an. Offenbar will jede Stadtratsfraktion einen Bewerber ins Rennen schicken

Thorsten Rienth

"Der medizinische Ratschlag war eindeutig." Mit diesen Worten hatte Rudolf Heiler (Freie Wähler) zum Wochenende seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik bekannt gegeben. Sein schwerer Herzinfarkt vor drei Jahren lasse eine vierte Amtszeit als Grafinger Bürgermeister schlicht nicht mehr zu. Schon wenige Tage später hat das Kandidatenkarussell an Fahrt aufgenommen. Schon jetzt steht fest: Es wird voll besetzt sein.

Vor Heilers Rückzugsankündigung schien die Sache schon beinahe ausgemacht: CSU, SPD und Grüne würden gemeinsam die Zweite Bürgermeisterin Susanne Linhart (CSU) ins Rennen gegen den Rathauschef schicken. Eine Art Lagerwahlkampf wäre angesagt gewesen. Eine moderne Frau gegen einen alteingesessenen Traditionalisten. Eine Sitzungsmoderatorin gegen einen Sitzungsleiter. Im Gegenzug hätten Rote und Grüne sich Hoffnungen machen können auf den zweiten und dritten Bürgermeisterposten. Dieses durchaus charmante Szenario ist nun freilich dahin. Mit Heilers Rückzug fehlt der gemeinsame Gegner.

Der CSU dürstet es wohl am meisten nach dem Grafinger Bürgermeisteramt. Jahrzehntelang hatte sie - quasi selbstverständlich - den Grafinger Ersten Bürgermeister gestellt. Im Dezember 2008 war es mit diesem Selbstverständnis plötzlich dahin. Zwischen Heiler und der CSU entbrannte Streit darüber, wie es mit der Grafinger Ostumfahrung weitergehen sollte. Der Bürgermeister trat aus der Partei aus und wechselte ein paar Wochen später zu den Freien Wählern.

Obwohl der Grafinger Stadt-, Kreis- und Bezirksrat Thomas Huber für den Landtag kandidiert und damit als möglicher Bürgermeisterkandidat wegfällt, ist der CSU-Ortsverband in einer komfortablen Situation. Gleich zwei Kandidaten bieten sich an. Einmal ist das der Ortsvorsitzende Sepp Carpus, der erst kürzlich ohne Gegenstimme in seinem Amt bestätigt worden war. Dann gibt es noch Susanne Linhart. Sie ist seit 2002 Zweite Bürgermeisterin der Stadt und kennt sich folglich im Rathaus schon bestens aus. Beide sind in der Stadt tief verwurzelt, beide sind beliebt. Die anderen Parteien müssten schon einen Kandidaten von Format aufbieten, wollten sie gegen Carpus oder Linhart ernsthafte Chancen haben.

Carpus, der als Ortsvorsitzender eigentlich so etwas wie ein Erstzugriffsrecht auf die Kandidatur hätte, hält sich zurück. "Wenn Not am Mann ist, bin ich natürlich da", sagte er. Die Aussage passt zu dem, wie sich Carpus in den vergangenen Jahren in Grafing präsentierte: Auf eine Partei- oder Amtskarriere war der 55-Jährige nie aus. Stattdessen wollte er einfach nur verlässliche Lokalpolitik für seine Stadt machen. Außerdem gehört Carpus zu jenen, die bei gutem Wetter gerne kurzfristig für ein verlängertes Wochenende auf dem Motorrad gen Gardasee düsen. Würde er also Susanne Linhart den Vortritt lassen? "Die Susanne ist top!", vermied er eine konkrete Antwort. Susanne Linhart wiederum hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, sich nach 11 Jahren als Zweite Bürgermeisterin durchaus noch einen Schritt nach oben vorstellen zu können. Bei der CSU scheint die Entscheidung für den März 2014 also gefallen.

Ausgerechnet die in Grafing eher unauffällige SPD könnte den CSU-Plänen einen Strich durch die Rechnung machen. Nämlich dann, wenn sie ihren ehemaligen Landratskandidaten Ernst Böhm für den Bürgermeisterposten gewinnen würde. 66 Prozent holte der Grafinger bei der Landratsstichwahl vor einigen Wochen in seiner Heimatstadt, die Landratswahl verlor er denkbar knapp. Wenn jemand der CSU gefährlich werden könnte, ist das Böhm. Kein Wunder also, dass die Grafinger SPD ihren Wunsch an Böhm schon herantrug. Böhm selbst hält sich aber bedeckt. "Das entscheiden wir im Oktober", erklärte er am Mittwoch. "Mehr will ich dazu nicht sagen."

Dass die Grafinger Grünen jemanden ins Bürgermeister-Rennen schicken, gilt als ausgemachte Sache. Das gehöre zum Selbstverständnis des Ortsverbands, soll Vorstand Wolfgang Huber seinen Leuten schon lange vor Heilers Rückzugsankündigung klargemacht haben. Huber selbst dürfte als Kandidat wohl ausscheiden. Er ist eher so etwas wie der erfahrene Stratege des Ortsverbands. Ein markanter Wahlkampf wäre mit ihm wohl kaum zu führen. Gleiches gilt für seine Vorstandskollegen Jörg Eichhorn und Harald Saller. Beide gelten im Grünen-Umfeld zwar als "nette Jungs". Lokalpolitisch in Erscheinung getreten sind sie aber de facto noch nie. Bei Fraktionschefin Angelika Obermayr ist genau das Gegenteil der Fall. Seit Heinz Fröhlichs Austritt ist sie diejenige, die bei den Grünen die Themen setzt. Und zudem auch jemand, der außerhalb der klassischen Grünen-Klientel punkten könnte.

Fröhlich, der 2008 für die Grünen um das Bürgermeisteramt kandidierte, gilt bei seinem neuen "Bündnis für Grafing" (BfG) als heißer Kandidat. Ob er tatsächlich 2014 unter dann anderer Flagge antreten will, behält er noch für sich. "Das hat eine Aufstellungsversammlung zu beschließen, nicht ich." Zumindest ist mit dieser Aussage klar, dass das BfG einen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen schicken wird.

Hoffnung auf den Chefsessel braucht sich das junge Bündnis freilich kaum machen. Der Grund für eine Kandidatur wäre ein anderer - und ist einem alten lokalpolitischen Kalkül geschuldet. Dieses heißt, dass eine Bürgermeisterkandidatur in der Regel einen zusätzlichen Sitz im Stadtrat bringt. Für Gruppen wie das BfG könnte dies die Schwelle sein, überhaupt jemanden in das Gremium entsenden zu können.

Eine neue Linie gibt es unterdessen bei den Freien Wählern. 2002 und 2008 hatte die Gruppierung um den Ortsvorsitzenden Christian Einhellig keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Das soll 2014 anders sein. "Es wird dieses Mal definitiv jemanden geben, das ist ganz klar", erklärte der Stadtrat. Ob das - ganz traditionell - er als Ortsvorsitzender sein werde? "Das kann man so deuten."

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