Ärger in der Ortsmitte:Kundenschreck vor der Ladentür

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Nicht nur die Kunden, die von der "Parkräume KG" aus der Tiefgarage des Baldhamer Marktplatzes zu überhöhten Preisen abgeschleppt wurden, sind sauer auf den Betreiber der Fleischerkette Vinzenzmurr. Inzwischen sorgen sich die Geschäftsleute um ihren guten Ruf

Von viktoria spinrad, Vaterstetten

Monika Völler verzieht das Gesicht und greift sich an den Hals. Es ist ihre Antwort auf die Frage, wie die Inhaberin einer Boutique am Baldhamer Marktplatz die Parksituation vor ihrer Ladentür sieht. Aus der anliegenden Tiefgarage schleppt das bundesweit berüchtigte Unternehmen "Parkräume KG" seit Jahren Autos zu völlig überhöhten Preisen von bis zu 400 Euro oder sogar mehr ab - und versteckt sie bis zur Zahlung irgendwo in den umliegenden Ortschaften. Zuletzt berichteten Mitarbeiter des Edeka-Supermarkts, dass sie aufgrund fehlender Mitarbeiterparkplätze von dem Berliner Unternehmen abgeschleppt wurden - und damit im indirekten Auftrag ihrer eigenen Vermieter oder Chefs. Denn das erste Untergeschoss der Tiefgarage gehört der Münchner Familie Brandl, die von ihrer Fleischereikette Vinzenzmurr auch eine Filiale im Baldhamer Edeka betreibt.

Eine Posse, möchte man meinen, wären

da nicht die Auswirkungen auf alle Gewerbe am Marktplatz. Von unzufriedenen Kunden und solchen, die die Geschäfte am Marktplatz boykottieren wollen, berichten nun die Gewebetreibenden. Eine Stimmung, die auch Monika Völler verfolgt. Die Kunden? "Schimpfen fürchterlich." Die Parkhöchstdauer von 90 Minuten? "Zu kurz." Die Praxis des Unternehmens? "Reine Schikane". Das Verhalten der verantwortlichen Auftraggeber, die sich auch nach mehreren Anfragen nicht gerührt haben? "Unmöglich."

Die verfahrene Situation am Marktplatz, sie scheint wie eine Kettenreaktion, an deren Ende Händlern und Kunden nur der Frust bleibt, einem übermächtigen Unternehmen ausgeliefert zu sein. Seinen Anfang nimmt das Spiel indes mit den öffentlichen Parkplätzen an der Oberfläche. Hier darf man bis zu zwei Stunden parken. Und: "Hier ist es immer voll", sagt Sandra Smolka vom Orthopädieladen und deutet durch die Fensterscheibe. Es ist vormittags, die Parkplatz-Suchenden kommen im Minutentakt, raus fährt selten einer. "Dauerparker", ist die Vermutung nicht nur von Smolka, sondern auch von vielen der Händler. Einer dieser Dauerparker steht in seinem Laden und holt einen Zettel hervor. "13.30 Uhr" steht darauf, es ist seine Erinnerung, rechtzeitig die Parkscheibe umzustellen. Auf den Stellflächen der Gemeinde steht er tagsüber, obwohl die Parkzeit begrenzt ist - und er dafür auch schon sechs, sieben Mal ein Knöllchen kassierte. "Wo soll ich denn sonst stehen?", fragt er ratlos.

Am Ladenzentrum verschwinden Autos und werden erst zu überhöhten Preisen freigegeben. (Foto: Christian Endt)

Die Antwort auf diese Frage scheint für viele das erste Untergeschoss der Tiefgarage zu sein, das eigentlich nur für Kunden von Edeka, Vinzenzmurr und dem Drogeriemarkt DM gedacht ist. Ein Umstand, den viele Händler selber beobachten. "Die Stellplätze in der Tiefgarage werden leider von vielen Leuten missbraucht", sagt zum Beispiel Peter Ederer von der Arztpraxis am Marktplatz. Auf Plätzen stünden immer dieselben Wagen. Deshalb sind die Händler nicht grundsätzlich gegen Abschleppen. "Dass man sich vor Dauerparkern schützen will, ist absolut legitim", sagt zum Beispiel Jürgen Schönweitz vom Optikergeschäft. In die Kritik nehmen sie aber die "Parkräume KG". "Wieso beauftragt man ein Unternehmen, das mit dem eisernen Besen durchgeht - und dazu an der Grenze zur Unseriösität operiert?"

Eine Frage, auf die ein Immobilienunternehmen der Familie Brandl, das wohl Auftraggeber ist, trotz Zusage keine Stellung bezieht - und an der sich bereits drei Vaterstettener Bürgermeister die Zähne ausgebissen haben. Altbürgermeister Peter Dingler (SPD), Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Bürgermeister Georg Reitsberger (Freie Wähler) berichten allesamt, sich an die Familie Brandl gewendet zu haben - ohne Erfolg. Der Versuch einer persönlichen Kontaktaufnahme sei "in verschiedenen Punkten schwer möglich bis nicht erfolgreich" gewesen, umschreibt der Landrat. Altbürgermeister Dingler nennt den Freischein an die "Parkräume KG" in Baldham einen "Skandal", Reitsberger "furchtbar". Und nun?

Nimmt die Posse ihren Lauf. Mitarbeiter fast aller Gewerbe am Marktplatz berichten, zu überteuerten Preisen abgeschleppt worden zu sein. Zum Beispiel Sonja Winkelhofer. Die 43-Jährige Angestellte war gerade neu bei der Volks- und Raiffeisenbank, als es sie erwischte. "Diese Dreistigkeit", sagt sie und schüttelt den Kopf. Nach vergeblicher Auto-Suche blieb ihr nur, teures Lehrgeld zu zahlen: insgesamt 350 Euro. Ganze 400 Euro forderte die "Parkräume KG" von einer Minijobberin im Mitsi-Café. "Das war fast ihr ganzes Monatsgehalt, das ist doch brutal", sagt Geschäftsführer Christos Geotas.

Für Kunden und Mitarbeiter am Baldhamer Marktplatz reichen die oberirdischen Parkplätze nicht aus. Und in der Tiefgarage wird abgeschleppt. (Foto: Christian Endt)

Fälle wie diese sind der Grund, weshalb der Geschäftsführer der "Parkräume KG" mehrmals wegen Nötigung vor Gericht stand. Weil Beträge von "bis zu 475 Euro", wie in der Baldhamer Tiefgarage angekündigt, aber unter der Schwelle zur Nötigung liegen, wurde er strafrechtlich stets freigesprochen. Deshalb müssen Autofahrer auf zivilrechtlichem Weg die Differenz zu den ortsüblichen Abschleppkosten einklagen - und die liegen oft nur bei der Hälfte.

Die Auftraggeber des Unternehmens schreckt das nicht ab. So hatte auch die Eigentümerin des Parkplatzes am Zornedinger Birkenhof, die dort ebenfalls von der "Parkräume KG" abschleppen lässt, darauf verwiesen, dass das Vorgehen des Unternehmens nicht illegal sei.

Eine Denkweise, die Konsequenzen am Ort hat. So sorgen sich die Baldhamer Geschäftsleute um den Ruf des Marktplatzes. Denn gerade da, wo die Erledigungen etwas länger dauern, sind Kunden betroffen. Zum Beispiel beim Frisör. "In 90 Minuten einkaufen und sich die Haare machen lassen - wie soll das denn funktionieren?", fragt eine Kundin, die sich mit dem Stuhl in Richtung der Empfangstheke dreht. Dort schildert die Inhaberin, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden bereits abgeschleppt wurden - und dass sie ihre Kunden mittlerweile davor warne, in der Tiefgarage zu parken. Und in einer Arztpraxis schildert eine Mitarbeiterin, dass ein Patient den Marktplatz nun boykottieren wolle. "Das Verhalten der 'Parkräume KG' ist maximal kundenunfreundlich", sagen Reitsberger und Niedergesäß unisono.

Die Abschleppmasche beschäftigt auch den Gebietsverantwortlichen des DM-Drogeriemarkts. Alexander Grunwald sagt, dass man an mehreren Standorten als Mieter von "solchen Unternehmen betroffen" sei - und wegen der Kundenbeschwerden nun das Gespräch mit den Vermieter suchen wolle. Derweil fordern auch die übrigen Händler, ein anderes Unternehmen zu beauftragen. "Wer sich freiwillig mit einem Unternehmen wie der 'Parkräume KG' in Verbindung bringt, schädigt auch seinen eigenen Ruf", sagt Optiker Schönweitz. Und appelliert: "Andere beauftragen doch auch seriöse Unternehmen. Wieso ist das hier in Baldham nicht möglich?"

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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