Dritte Startbahn:Wie der Flughafen-Ausbau noch möglich wäre

Lesezeit: 3 min

Horst Seehofer hat angekündigt, es gebe doch noch eine Möglichkeit, die dritte Startbahn am Flughafen in München zu bauen. Seine Juristen hätten einen Weg gefunden. Ob eine bayernweite Volksabstimmung realistisch ist, wieso die meisten Akteure einen Ausbau politisch nicht überleben würden - und warum am Ende doch wieder die Münchner entscheiden müssten. Ein Überblick.

Marco Völklein

Das Nein der Münchner vom Sonntag bedeute "nicht zwingend das endgültige Aus für die dritte Startbahn", hat Georg Schmid am Montag gesagt. Man respektiere zwar die Entscheidung der Münchner, erklärte der CSU-Fraktionschef im Landtag. "Dennoch sind wir nach wie vor der Überzeugung, dass der Ausbau des Flughafens für ganz Bayern von elementarer Bedeutung ist." Man wolle das Projekt weiter voranbringen, sagte Schmid. "Über die weiteren Wege werden wir beraten." Die Frage ist nur: Wie könnten diese Wege aussehen?

Sollte die Zahl der Flüge in den nächsten Jahren steigen, könnte die Diskussion über die dritte Piste von vorne beginnen. (Foto: dpa)

Vor Gericht jedenfalls wird der Streit über das Projekt weitergehen, das zeichnet sich jetzt bereits ab. 20 Klagen von Ausbaugegnern sind beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) gegen die Baugenehmigung anhängig. Der Bund Naturschutz und der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl forderten den Flughafen und seine Gesellschafter auf, gegenüber dem Gericht zu erklären, dass man von der Baugenehmigung keinen Gebrauch mehr machen möchte. Mit dem Nein der Stadt habe sich das ja erledigt.

Magerl kündigte zudem an, die Grünen würden im Landtag und gegebenenfalls im Stadtrat Anträge einbringen, um die Gesellschafter zu einem solchen Vorgehen zu bewegen. Doch da gibt es ein Problem: Selbst wenn die Stadt das anregen würde - im Gesellschafterkreis fände sie keine Mehrheit. Dort reden ja der Freistaat und der Bund mit, zwei ausdrückliche Startbahn-Befürworter.

Ein Flughafensprecher wies zudem die Forderung umgehend zurück: Man werde die Klagen "zu Ende führen" und die Baugenehmigung - sollte sie vom VGH bestätigt werden - nicht vernichten, sondern in die Schublade legen. "Und eine Schublade kann man ja dann auch wieder öffnen", so der Sprecher. Der Bedarf für die dritte Startbahn sei nach wie vor da und werde weiter zunehmen.

Sollte die Zahl der Flüge, wie vom Airport prognostiziert, in den nächsten Jahren steigen, könnte also in ein paar Jahren die Diskussion über die dritte Piste von vorne beginnen. Die Baugenehmigung, der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, verliert nämlich erst zehn Jahre nach Bestätigung durch ein Gericht seine Gültigkeit. Er könnte - bei einem rechtzeitigen Antrag des Flughafens - um weitere fünf Jahre verlängert werden. "Bis dahin können sich politische wie wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Überzeugungen gravierend verändern", erklärte Verkehrsminister Martin Zeil (FDP).

Aber selbst wenn in einigen Jahren die Debatte neu entflammen sollte, bleibt das Problem, dass die Stadt als Gesellschafterin des Airports nach dem Votum vom Sonntag gegen das Projekt stimmen müsste. Und ohne einen einstimmigen Beschluss seiner Gesellschafter kann Flughafenchef Michael Kerkloh die Bagger nicht rollen lassen. Zwar hat das Bürgervotum de jure nur ein Jahr Gültigkeit, alle Stadtratsfraktionen haben aber angekündigt, sich auch nach Ablauf dieser Frist an das Ergebnis halten zu wollen.

Möglich wäre allenfalls ein weiterer Bürgerentscheid in der Stadt, welcher - ein entsprechendes Ergebnis vorausgesetzt - der Stadtspitze schließlich eine Zustimmung ermöglichen würde.

Bereits abgelehnt hat Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) einen möglichen Ausweg, den sich die Staatsregierung ausgedacht hatte. Sie hatte überlegt, der Stadt die Anteile an der Flughafengesellschaft einfach abzukaufen. Dann hätten städtische Vertreter in der Gesellschafterversammlung nichts mehr zu melden, das Votum der Münchner könnte so umgangen werden. Doch einen solchen Schritt lehnt nicht nur Ude ab, auch die beiden OB-Kandidaten von SPD und CSU, Wirtschaftsreferent Dieter Reiter und Fraktionschef Josef Schmid, erklärten, sie würden sich an den Bürgerwillen halten. Ein möglicher grüner OB wäre ohnehin dagegen.

Dass der Flughafenausbau einstimmig beschlossen werden muss, steht im Konsortialvertrag der Airport-Betreibergesellschaft. Theoretisch möglich wäre, dass die drei Gesellschafter diesen Vertrag ändern und so das Ausbauvorhaben gegen die Stimmen der Stadt ermöglichen. Doch auch ein solcher Ausweg gilt als unwahrscheinlich: "Das wäre ein Taschenspielertrick, den niemand politisch überleben würde", sagt Magerl.

Äußerst theoretisch ist zudem die Überlegung zu einer bayernweiten Volksabstimmung, die Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angeregt hatte. Seine Juristen hätten einen Weg dazu gefunden, sagte er. Doch Verfassungsrechtsexperten rätseln, wie dieser Weg aussehen soll.

Und selbst wenn sich Seehofer bayernweit eine Zustimmung zur dritten Startbahn sichern würde, die Ablehnung der Münchner stehe ja seit Sonntag fest, sagt Magerl und fragt: "Wieso sollte ein bayernweiter Volksentscheid einen Münchner Bürgerentscheid aushebeln?"

© SZ vom 19.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: