Dritte Startbahn:Einig im Ziel, gespalten in der Umsetzung

Horst Seehofer und Dieter Reiter Dritte Startbahn

Horst Seehofer (links) forciert eine schnelle Entscheidung - die CSU macht ihm Druck. Dieter Reiter hingegen hat es nicht so eilig.

(Foto: Stephan Rumpf)

Oberbürgermeister Reiter und Ministerpräsident Seehofer wollen einen neuen Bürgerentscheid zum Flughafen-Ausbau. Nur wann und wie? Da verfolgen beide verschiedene Strategien.

Von Heiner Effern und Wolfgang Wittl

Wenn Horst Seehofer gefragt wird, wie er sich das nun genau vorstellt mit der dritten Startbahn am Flughafen, tippt er sich mit den Fingern auf den Hinterkopf und sagt: "Alles da drin." Der Rest: Schweigen.

Inzwischen muss man aber kein Regisseur beim Nockherberg-Singspiel sein, um zu erahnen, wie es in Seehofers Gehirn aussieht. In der CSU glaubt man jedenfalls zu wissen, wie der Parteichef und Ministerpräsident sich das weitere Vorgehen in Sachen Startbahn vorstellt. Nicht jeder ist davon begeistert.

Zwar wird auch Seehofer zur großen Mehrheit in der CSU gezählt, die einen Ausbau befürwortet. Aber wie auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fühlt er sich politisch an den Bürgerentscheid von 2012 gebunden, als die Münchner eine Flughafenerweiterung ablehnten.

Für Seehofer kommt nur ein weiterer Entscheid infrage, um das Votum zu korrigieren - am besten wohl vor der Bundestagswahl 2017, spätestens 2018, wenn die Landtagswahl ansteht. Dafür setzt Seehofer eine steigende Zahl von Starts und Landungen voraus, "eine Entwicklung über einen längeren Zeitraum", wie er sagt.

Aber was ist ein längerer Zeitraum? Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Flugbewegungen um 0,9 Prozent auf knapp 380 000, für dieses Jahr wird ein Plus von vier Prozent prognostiziert. Ein weiterer Zuwachs dieser Größenordnung im ersten Quartal 2017 könnte Seehofer reichen, einen neuen Anlauf für eine Bürgerbefragung zu fordern.

Was ist "signifikant" und "dauerhaft"?

Fraglich ist jedoch, ob da der Münchner Oberbürgermeister schon mitzöge. Reiter will ein Ratsbegehren erst starten, wenn die Zahl der Starts und Landungen "signifikant" und "dauerhaft" steigt. Vor Kurzem definierte er "dauerhaft" als einen Zeitraum von "ein, zwei Jahren".

Was für ihn signifikant bedeutet, dazu äußert er sich nicht. Sollte er das bescheidene Plus von etwa 3000 Starts und Landungen im Jahr 2015 als signifikant einstufen, liefe er Gefahr, sich lächerlich zu machen. Der Flughafen schaffte damit gerade mal die Kehrtwende seines Abwärtstrends, im Jahr 2008 starteten und landeten 420 000 Maschinen. Deshalb dürfte Reiters Signifikant-Rechnung derzeit erst am Nullpunkt sein.

Energische Startbahn-Befürworter befürchten allerdings, ein Entscheid sei der prinzipiell falsche, weil zu gefährliche Weg. Sie fürchten: Er sei in München auch dann nicht zu gewinnen, wenn die Zahlen ihn rechtfertigten. Für Seehofer und Reiter sei dies "der angenehmste Weg", eine Lösung herbeizuführen, sagt ein CSU-Mann.

Zwar würden beide wohl ein Scheitern der dritten Startbahn bedauern, sie könnten die Verantwortung aber ans Volk abschieben. Daher sei Ex-CSU-Chef Erwin Huber auch so brutal mit der Drohung einer Verfassungsklage vorgeprescht, als Seehofer einen weiteren Bürgerentscheid erwähnte.

Bevor man diesen jetzt erzwinge und die dritte Startbahn dann für immer verliere, sei es besser, die Entscheidung um ein paar Jahre aufzuschieben, sagt ein Ausbaubefürworter. Auch Innenminister Joachim Herrmann soll vergangene Woche im CSU-Vorstand so argumentiert haben: Man habe noch neun Jahre Baurecht, man müsse jetzt nichts übers Knie brechen, sagte er nach Angaben von Sitzungsteilnehmern.

Im OB-Büro über dem Marienplatz dürfte langsam ein fortgeschrittener Muskelkater im Halsmuskelbereich vorliegen, ausgelöst durch Kopfschütteln über die Verschwörungstheorien in der CSU. Reiter hat als wirtschaftsfreundlicher OB nie erkennen lassen, dass ihm das Wichtigste an der Startbahn sei, sie ohne persönlichen Schaden beerdigen zu können.

Im Gegenteil, er gilt als eindeutiger Befürworter des Baus. Allerdings erst dann, wenn sie tatsächlich in absehbarer Zeit benötigt wird und damit politisch auch durchsetzbar ist. Sorge bereitet Reiter wohl einzig und allein die Keilerei in der CSU - aus Furcht, dass die derzeit unnötige Diskussion das Projekt dauerhaft so beschädigt, dass es tatsächlich in München nicht mehr durchsetzbar ist. Denn mancher Bürger könnte sich fragen, ob das Thema der Bau der dritten Startbahn ist oder ein Machtkampf in der CSU.

Sollte Reiter wirklich in diesen Kategorien denken, könnte das für die CSU unangenehm werden. Die Wahl des Münchner OB steht erst 2020 wieder an, Reiter dürfte gute Chancen haben, wiedergewählt zu werden. Warum sollte er vorher ein Projekt durchdrücken, das die Stadt spalten könnte? Das Baurecht gäbe einen Start der Bauarbeiten zu Beginn seiner zweiten Amtszeit problemlos her.

Bis dahin könnte sich Reiter auch mit der Landes-SPD geeinigt haben, wenn er das für nötig hält. Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, verweist auf einen Parteitagsbeschluss, wonach ein Ausbau nicht zur Diskussion stehe: "Daran hat sich im Zweifel auch ein Oberbürgermeister zu orientieren." Die Flugbewegungen seien "nicht so dramatisch, dass man handeln müsste".

Das sieht die CSU anders. Seehofer forciert eine schnellere Lösung, weil die eigene Fraktion Druck macht. Gefordert sei aber vor allem die Wirtschaft, die den Ausbau mit Nachdruck fordert und der größte Profiteur wäre, heißt es in der CSU. Darum müssten sich auch die großen Konzerne öffentlich engagieren. Nur die Verbandslobbyisten vorzuschicken, reiche nicht mehr.

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