Drehgenehmigungen:Wie München mehr Filmstadt werden will

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Auch Sebastian Bezzel drehte schon einmal im München: Szenen für "Vatertage" wurden am Olympiaberg aufgenommen. (Foto: Stephan Rumpf)

Bürokratie, genervte Nachbarn: In München zu drehen, ist nicht einfach, klagen Produzenten. Das soll sich jetzt ändern.

Von Josef Grübl

Für einen Filmstar, der sich seinen Fans gern als quirliger Quatschkopf verkauft, waren es ungewohnt deutliche Worte: "München ist eine unglaublich schwierige Stadt zum Drehen", sagte Matthias Schweighöfer am Set seines Kinofilms "Vaterfreuden". "Es ist nicht so wie in Berlin oder Frankfurt, wo sich die Leute freuen, wenn man zu ihnen kommt." In München müsse er dauernd gegen Widerstände kämpfen, klagte er.

Schweighöfers Kritik erregte vor zwei Jahren viel Unmut, ganz Unrecht hatte er aber nicht: Immer wieder murren Filmemacher über die vielen Vorschriften und Regeln, die man bei Dreharbeiten in München beachten müsse.

"Wir wollen mehr mit der Filmwirtschaft reden"

Das soll sich jetzt ändern. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet: Im neu eröffneten "Servicebüro Film" kümmern sich seit Anfang Februar drei Mitarbeiter ausschließlich um die Bearbeitung von Drehgenehmigungen. Bisher erledigten das KVR-Sachbearbeiter aus verschiedenen Bereichen, neben Filmanfragen waren sie auch für Baustellen, Großveranstaltungen oder Demos zuständig. Da konnte es schon einmal mehrere Wochen dauern, bis sämtliche Genehmigungen beisammen waren.

Für Filmproduktionen mit ihren eng getakteten Ablaufplänen wurde das oft zum Problem. Jetzt sollen sie einen festen Ansprechpartner für alles bekommen: weniger Bürokratie also und mehr direkte Kommunikation. "Wir wollen mehr mit der Filmwirtschaft reden und uns immer den jeweiligen Einzelfall anschauen", sagt Robert Neuner, der als Sachgebietsleiter beim KVR für das neue Servicebüro zuständig ist.

Jedes Film- und Fernsehprojekt ist eben anders: Mal geht es um das Finden eines passenden Drehtermins (was Produzenten angesichts der zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen in der Stadt schon mal verzweifeln lässt), ein anderes Mal um die Frage, ob und wo man Explosionen oder Blaulicht-Szenen drehen darf.

Die Nachbarn reagieren schnell genervt

Wenn Straßen gesperrt oder Busse umgeleitet werden müssen, kommen auch noch Vertreter der Polizei oder vom MVV mit an Bord, mit einer Drehgenehmigung allein ist ja den meisten Filmproduktionen nicht geholfen. Auch hier sollen die neuen Mitarbeiter helfen. Fast immer geht es aber um Absperrfragen, irgendwo muss der Fuhrpark einer Filmproduktion ja hin.

Wenn aber Cateringzelte, Garderoben- oder Technikmobile die wenig vorhandenen Parkplätze in der Innenstadt blockieren oder den Zugang zu Läden versperren, gibt es Ärger. Die Anzeigen aufgebrachter Anwohner landen dann ebenfalls beim KVR. "Wir werden immer Kritik haben", sagt der Leiter der Abteilung Straßenverkehr, Norbert Bieling, "allen können wir es aber nie recht machen. Es ist immer ein Management von Möglichkeiten".

Vor allem in den gleichermaßen belebten wie beliebten Straßen der Altstadt oder des Glockenbachviertels ist es ein Ringen um jeden einzelnen Meter und um jede weitere Stunde. Die Nachbarn reagieren schnell genervt, wenn vor ihrer Haustür alle paar Wochen Scheinwerfer und Kameras aufgebaut werden. Hier sind die Filmteams auch selbst gefragt: Sie sollten die Anwohner frühzeitig über die Einschränkungen informieren und ein offenes Ohr für deren Sorgen haben.

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Anja Metzger ist die Leiterin der Abteilung "Film Commission" beim Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) und weiß, wie wichtig diese Form von Nachbarschaftskommunikation ist: "Als Oliver Stone im vergangenen Jahr für seinen ,Snowden'-Film das halbe Lehel absperren ließ, gab es keine einzige Beschwerde", erzählt sie stolz. Stones Team habe alles perfekt vorbereitet und die Anwohner sogar eingeladen, beim Dreh zuzusehen.

Wenn es nach dem FFF Bayern geht, sollen hierzulande noch mehr internationale Großproduktionen wie "Snowden" gedreht werden - seit drei Jahren gibt es dafür sogar einen eigenen Fördertopf. Wenn die Filmemacher aus dem Ausland dann auch noch bemerken, wie sehr ihnen die Stadt bei der Realisierung ihrer Pläne entgegenkommt: umso besser.

In den vergangenen Jahren zog es Hollywoodstars wie George Clooney, Claire Danes oder Quentin Tarantino verstärkt nach Berlin; in der Hauptstadt sei man viel besser auf große Kinofilme eingestellt, heißt es immer. Aber stimmt das wirklich? "Verglichen mit Berlin, ist es in München sicher etwas schwieriger", so Anja Metzger, "das hat aber vor allem mit der Verkehrsfläche zu tun. München ist einfach eine kleinere und engere Stadt".

Umso mehr freut sich die Branche über den neuen Service: "Es hilft uns sehr, wenn nun im KVR Leute sitzen, die mehr Kenntnis von der Filmwirtschaft haben", sagt Oliver Nommsen von der Rat Pack Filmproduktion. Als Herstellungsleiter hat er die Hits der Münchner Firma ("Fack ju Göhte", "Wickie auf großer Fahrt") betreut, das politische Signal dieser Entscheidung sieht er positiv: "Man muss sich oft unterordnen. Deshalb finde ich es gut, wenn durch das neue Servicebüro die Lobby der Filmwirtschaft gestärkt wird".

Wenn es aber schon jetzt so schwierig ist, hier zu drehen, warum verstärkt die Stadt dann in diesem Bereich jetzt auch noch ihre Bemühungen? Hier reicht ein Blick auf die Zahlen: Laut einer Information des Referats für Arbeit und Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr gibt es in der Münchner Filmwirtschaft knapp fünftausend Erwerbstätige, die einen Umsatz von insgesamt 1,44 Milliarden Euro generieren.

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München ist also nach wie vor eine bedeutende Filmstadt, mit Traditionsfirmen wie Arri oder Bavaria Film, mit Sendern wie dem BR oder ProSieben und einflussreichen Förderern wie dem FFF. Da würde es schon seltsam anmuten, wenn hier nur noch sehr eingeschränkt gedreht werden dürfte.

Die Idee eines eigenen Filmbüros beim KVR gab es in München schon länger, im Januar vergangenen Jahres setzten sich Vertreter der Branche und Politiker zusammen und konkretisierten die Pläne. Zwei Monate später fand das Ganze im Münchner Stadtrat fraktionsübergreifend Zustimmung, jetzt kann es losgehen.

Übrigens weiß auch Matthias Schweighöfer um die Standortvorteile: Trotz aller Kritik drehte er als Produzent und Hauptdarsteller wieder in München, Beschwerden gab es dieses Mal keine. Der Film heißt "Der geilste Tag", ist einer der spannendsten Titel des Jahres und kommt Ende Februar in die Kinos. Das ist eigentlich ein ganz gutes Motto, auch für das Servicebüro Film: Schließlich hofft die Filmbranche in München auf viele weitere geile Tage.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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