Dreharbeiten:Ein Leben wie im Film

Für eine ZDF-Komödie wird der Weiler Harmating für drei Wochen lang komplett geräumt. Hier trifft sich fiktive Gentrifizierung mit echter

Von Claudia Koestler, Lea Utz, Egling

Die Blaskapelle spielt auf, die Bagger stehen bereit, die Spaten für den Spatenstich auch: Aus dem Weg! Die Reichen kommen! Das Umland ist ja schon lange nicht mehr sicher, wenn die neuen Münchner die Alteingesessenen wegkaufen - erst in Giesing, nun in Harmating auf den Hügeln zwischen Wolfratshausen und Holzkirchen. Während in der Stadt Boazn und Bruchbuden durch Glaspaläste ersetzt werden, müssen die Harmatinger alle auf einmal weichen, damit sich die Münchner breitmachen können. Allerdings nur bis Mitte Oktober und nur für einen Film, ausgerechnet über das Thema Gentrifizierung.

Das Ortsschild haben sie schon ausgetauscht: Aus Harmating wird während der Dreharbeiten "Gendering", nicht nur eine Anspielung auf Gentrifizierung, sondern auch auf das englische Wort "Gender" für Geschlecht. Denn bei dem Film handelt es sich um eine ZDF-Komödie - und die haben gerne mit der Frage Männlein gegen Weiblein zu tun. Die Genderinger spaltet ein Millionenangebot: Sie sollen ihr Dorf verlassen, damit es als ganzes ein Wellness-Vorort werden kann. Die Frauen tun das auch, ziehen gemeinsam in ein Häuschen und machen fortan den Männern das Leben schwer. Unter der Regie von Matthias Tiefenbacher stehen Max und Friedrich von Thun, Saskia Vester, Sophie von Kessel und Anna Maria Mühe vor der Kamera.

Geschrieben hat das Drehbuch der preisgekrönte Tatort- und Polizeiruf-Autor Christian Jeltsch, der ganz in der Nähe wohnt. "Wenn ich joggen gehe, geht mir manchmal ausgerechnet am Harmatinger Berg die Luft aus. Und wenn man da hoch blickt, dann bietet Harmating einfach ein geniales, bayerisches Bild", sagt er. Die Kapelle St. Leonhard auf dem Moränenhügel, davor Kühe, daneben das Wirtshaus mit Biergarten, vier, fünf Bauernhäuser mit Kräuter- und Rosengärten und über allem thront die efeubewachsene, mittelalterliche Turmburg, Schloss Harmating. Ein Idyll, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. "Irgendwann kam die Idee auf: Wie wäre es, wenn das verloren ginge?", so beschreibt Jeltsch den Anstoß.

Jetzt gentrifizieren aber erst einmal die Filmleute den Weiler, der als einer von 34 Ortsteilen zur 5500-Einwohner-Gemeinde Egling gehört. Die etwa 40 Harmatinger räumen Küchen, Wohnzimmer und sogar das ganze Haus, damit sich Kameraleute, Toningenieure, Regisseur und Schauspieler breitmachen können. "Früher hatte ich den Filmfritzen gegenüber Vorurteile. Jetzt habe ich festgestellt, dass die alle wirklich nett sind", sagt etwa Annelies Wiedenbauer-Schmidt. Die 63-jährige Heilpraktikerin und Grünen-Kreisrätin lebt seit 35 Jahren in einem uralten Bauernhaus, die Küche überlässt sie nun für ein paar Tage den Filmfritzen. Die Nachbarn bekommen auch eine hübsche Aufwandsentschädigung, sagt ein anderer Harmatinger, "einen ganzen Haufen Geld" - da trifft sich die filmische Gentrifizierung mit der echten. Bürgermeister Hubert Oberhauser sieht die Bedrohung, er hofft aber: "Unsere alteingesessenen Landwirte lassen sich nicht über den Tisch ziehen." Zumindest im Namen des benachbarten Golfclubs erinnert nichts mehr an die Gemeinde. Er heißt: "München-Riedhof".

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