Dominik Brunner: Tod in Solln:Der Held und die Schläger

Dominik Brunner wurde in München-Solln von Jugendlichen zu Tode geprügelt - jetzt werden die letzten Sekunden seines Lebens erneut diskutiert: Er soll als Erster zugeschlagen haben.

Bernd Kastner

Dominik Brunner wollte vielleicht nie ein Held sein. Und doch hat ihn die Öffentlichkeit zum Helden stilisiert, nachdem er unter brutalen und tragischen Umständen gestorben ist: am helllichten Tag zu Tode geprügelt von zwei Jugendlichen auf dem S-Bahnhof München-Solln.

Totgeprügelt: Dominik Brunner; ddp

Totgeprügelt: Dominik Brunner

(Foto: Foto: ddp)

Der Bundespräsident verlieh Brunner posthum das Bundesverdienstkreuz, weil er in den Minuten vor seinem Tod Zivilcourage zeigte, um vier Schüler vor zwei Schlägern zu schützen. Die mutmaßlichen Täter Markus Sch. und Sebastian L., 17 und 18 Jahre alt, sind des Mordes angeklagt.

Nun werden die letzten Sekunden im Leben des Dominik Brunner an jenem 12. September 2009 wieder diskutiert. Der Lokführer der S-Bahn, in der Brunner, die vier Schüler und die beiden Schläger unterwegs waren, erklärte den Ermittlern, dass es Brunner gewesen sei, der auf dem Bahnsteig zuerst zugeschlagen habe.

"Jetzt gibt's hier hinten Ärger"

Er habe einem der Jugendlichen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, so dass dieser zurückgetaumelt sei. Kurz zuvor habe Brunner seine Tasche oder Jacke, so genau hat es der Fahrer nicht gesehen, weggelegt. Er habe gerufen: "Jetzt gibt's hier hinten Ärger" und habe dann zugeschlagen.

Die beiden Jugendlichen dagegen machten auf den Lokführer einen ruhigen Eindruck, weshalb er rückblickend glaubt: Hätte Brunner nicht losgeschlagen, wäre alles glimpflich ausgegangen.

Wohlgemerkt, das sind Beobachtungen und Einschätzungen aus knapp vierzig Metern Entfernung. Es gibt weitere Zeugen, die Brunner zuerst zuschlagen sahen. Es gibt aber auch die gegenteilige Version, dass die beiden Jugendlichen zuerst zugelangt haben und aggressiv auf ihr Opfer zugekommen seien. Brunner wäre demnach einem Angriff nur zuvorgekommen. Was stimmt? Der Prozess, der frühestens im Frühjahr, vielleicht aber auch erst im Sommer beginnt, könnte es klären. Eines aber steht fest: Ein Grund fürs Töten wäre auch ein erster Schlag Brunners nicht.

Das Strafmaß könnte dieses Detail aber durchaus beeinflussen: "Wenn sich in der Hauptverhandlung herausstellt, dass Dominik Brunner mit seinem ersten Schlag die heftige Gegenreaktion ausgelöst hat, stellt sich die Frage, ob der Mordvorwurf zu halten ist", sagt Maximilian Pauls, Verteidiger von Markus Sch. Am Ende könnte auch Totschlag stehen.

Und es ist die Frage erlaubt, ob Brunner sich bei aller Zivilcourage klug verhalten hat. Wäre es nicht besser gewesen, schon in der S-Bahn einer Konfrontation mit den alkoholisierten Jugendlichen aus dem Weg zu gehen? Hätte er die vier Schüler an der Hand nehmen und mit ihnen ans andere Ende des Zuges gehen sollen? Oder hätte er später auf dem Bahnsteig mit den Schützlingen weglaufen oder so lange die Schläge der Täter abwehren sollen, bis die Polizei eintrifft?

Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat von Anfang an gesagt, dass Brunner andere Reisende um Mithilfe hätte bitten sollen. Vielleicht hat sich Brunner, der Boxtrainings besucht haben soll, den beiden Jugendlichen, von denen einer als schmächtig beschrieben wird, überlegen gefühlt.

All das ist Spekulation. Egal, wie sich der Fall vor Gericht darstellen wird: Das Geschehen von Solln wird immer ein Appell für Zivilcourage bleiben. Womöglich aber lehrt der Fall auch, dass es klüger sein kann, einfach wegzugehen, wenn man damit dasselbe Ziel erreicht, in diesem Fall den Schutz der Schüler. Halbstarke Aggressoren mögen sich dann wie die Sieger fühlen. Am Ende aber könnte es besser für alle sein.

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