Diskussion um Trümmerfrauen:Umstrittenes Denkmal

Diskussion um Trümmerfrauen: Schon vor einem Jahr stülpten die Grünen-Politiker Katharina Schulze und Sepp Dürr dem Denkmal am Marstallplatz aus Protest einen braunen Sack über.

Schon vor einem Jahr stülpten die Grünen-Politiker Katharina Schulze und Sepp Dürr dem Denkmal am Marstallplatz aus Protest einen braunen Sack über.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Grünen lassen im Streit um das Denkmal für die Münchner Trümmerfrauen nicht locker. Sie fürchten eine Glorifizierung von Nazis, die Trümmer beseitigten - und setzen auf Beistand aus der Wissenschaft.

Von Nicholas Steinberg

Die Grünen lassen im Streit um das Denkmal für Münchens Trümmerfrauen nicht locker. Ein Jahr nach der Aktion der Grünen-Landtagsfraktion, bei der die Abgeordneten Sepp Dürr und Katharina Schulze das Denkmal mit einem bedruckten Tuch verhüllt hatten, setzten sich die Landtagsabgeordneten erneut kritisch mit dem Mythos der Trümmerfrau auseinander. Unter dem Motto "Oma und Opa - Helden oder Nazis" luden sie zu einem Fachgespräch in den Landtag ein.

Dabei hatten sie auf wissenschaftlichen Beistand gesetzt. Denn mit auf dem Podium saßen die Historikerin Leonie Treber, die sich in ihrer Dissertation mit dem Mythos der Trümmerfrauen auseinander gesetzt hatte, und Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv.

Die Grünen bleiben kritisch

Die Aktion der Grünen im Dezember 2013 hatte beträchtlichen Wirbel ausgelöst. Die Befürworter des Denkmals um den CSU-Stadtrat Reinhold Babor fühlten sich brüskiert. Außerdem hatte der Protest auch unerwünschte Gäste aus der rechtsextremen Szene angelockt.

Die kritische Haltung der Grünen-Politiker zu dem Gedenkstein hat sich bis heute nicht verändert. Daher bekräftigte Dürr nochmals, das Denkmal vermittle ein falsches Bild der Trümmerfrauen. In München habe es nach Ende des Krieges kaum Trümmerfrauen gegeben. Im Zentrum der Debatte stehe nach wie vor die Frage, welcher Personen wie gedacht werden solle.

Neue Forschungsergebnisse

"Unsere Aufgabe sehen wir dabei darin, relativierenden Bestrebungen entgegenzuwirken und nicht die Nazis, die Trümmer beseitigten, als Helden des Wiederaufbaus zu feiern", sagte Dürr. Entscheidend für die künftige Entwicklung sei neben den Erkenntnissen der historischen Forschung insbesondere auch die offizielle Erinnerungs- und Geschichtspolitik.

Die Historikerin Leonie Treber wandte sich gegen eine pauschale Betrachtung. Der Mythos der Trümmerfrauen sei ohne eine angemessene geografische und weltanschauliche Differenzierung nicht diskutabel, so Treber. Während ihrer Forschungen kam sie zu dem Ergebnis, dass die Verwendung des Begriffs der "Trümmerfrauen" insbesondere geografisch zu unterscheiden sei. Denn die DDR-Trümmerfrauen wurden in der öffentlichen Diskussion als gezwungene Erbauerinnen des Sozialismus abgetan, während jene der Bundesrepublik als Grundsteinlegerinnen des Wirtschaftswunders glorifiziert wurden.

Neue Kontroversen sind vorprogrammiert

In München kommt noch eine weitere Besonderheit dazu, die für die Frage, ob ein Trümmerfrauen-Denkmal angemessen ist oder nicht, durchaus nicht unerheblich ist. Denn Andreas Heusler vom Stadtarchiv bestätigte Dürrs Aussage. In München habe es fast keine so genannten Trümmerfrauen gegeben, sagte Heusler. Die Aufräumarbeiten hätten im Wesentlichen rund 27 000 Arbeiter durchgeführt. In anderen Städten könne das anders gewesen sein.

Ein Wort fiel während der Diskussion am häufigsten: Differenzierung. Doch wie diese konkret aussehen soll, vermochte letztlich keiner der Anwesenden endgültig zu klären. Klar scheint dagegen zu sein, dass die Diskussion weitergehen und wohl auch neue Kontroversen auslösen wird. "Spätestens, wenn wir den Antrag auf Beseitigung des Denkmals stellen", sagte Dürr.

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