Diesel-Urteil:Grüne im Stadtrat wollen Diesel-Autos aussperren - notfalls im Alleingang

Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Diesel-Fahrverbote

Für den Luftreinhalteplan ist der Freistaat Bayern zuständig.

(Foto: dpa)
  • Die Grünen im Münchner Stadtrat haben nach dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts offiziell Fahrverbote für München beantragt.
  • Das Rathaus hat sich bereits im Januar mehrheitlich für eine Verschärfung der Umweltzone ausgesprochen.
  • Bislang ist allerdings unklar, ob die Stadt überhaupt in Eigenregie loslegen darf, denn für den Luftreinhalteplan ist der Freistaat zuständig.

Von Dominik Hutter und Wolfgang Wittl

Nach dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Stadtrats-Grünen offiziell Fahrverbote für München beantragt. Spätestens zum 1. September 2019 müssten Diesel-Autos, die nicht die Euro-Norm 5 erreichen, aus der Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings ausgesperrt werden. Ein Jahr später soll dann Euro 6 zum Mindeststandard werden. Als Blaupause für die neuen Zufahrtsbeschränkungen dienen die Regelungen für die im Jahr 2008 eingeführte, damals nur auf Feinstaub zugeschnittene Umweltzone mit ihren Ausnahmen und Übergangsregelungen.

Bis zur Sommerpause, so der Antrag, müsse geklärt sein, ob der Freistaat Bayern eine entsprechende Verschärfung mitträgt oder ob die Stadt im Interesse ihrer Bürger alleine vorgeht. Die Grünen wollen auf Bundesebene eine blaue Plakette für schadstoffarme Autos einführen. Notfalls müsse die Stadt München jedoch entweder allein oder mit anderen Kommunen eine Kennzeichnung einführen.

Die Grünen konkretisieren damit einen bereits im Januar getroffenen Beschluss des Stadtrats. Damals sprach sich das Rathaus bereits mehrheitlich für eine Verschärfung der Umweltzone aus - allerdings mit dem Vorbehalt, dass der Bund eine blaue Plakette einführt. Da die Leipziger Richter an diesem Dienstag entschieden haben, dass es notfalls auch ohne den Aufkleber geht, sehen die Grünen nun den Weg frei für Fahrverbote in der Umweltzone. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) müsse zudem mit dem örtlichen Automobilhersteller BMW Kontakt aufnehmen, um für eine kostenlose Hardware-Nachrüstung zu werben.

Bislang ist allerdings unklar, ob die Stadt überhaupt in Eigenregie loslegen darf, denn für den Luftreinhalteplan ist der Freistaat zuständig. OB Reiter sieht denn auch explizit die Staatsregierung in der Pflicht. Das Leipziger Urteil sei kein Handlungsauftrag an die Stadt München. Für den SPD-Politiker ist weiterhin die blaue Plakette die "einzig sinnvolle Lösung", dies habe auch das Bundesverwaltungsgericht klargemacht.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betonte jedoch am Mittwoch im Münchner Presse-Club die gemeinsame Verantwortung aller politischer Ebenen. Zu sagen, das müsse der Freistaat regeln, "so einfach dürfen wir es uns nicht machen". Der Münchner Stadtrat müsse sich "mit dieser Frage auseinandersetzen, ob er will oder nicht".

Die Umweltzone ist bereits mehrfach verschärft worden

In den Augen von Umweltreferentin Stephanie Jacobs ist die Frage der Zuständigkeit hingegen offen. Aus dem bisher bekannt gewordenen Tenor des Urteils gehe nicht hervor, ob München auch eigenmächtig handeln könne oder ob eine Änderung des Luftreinhalteplans notwendig ist. Reiter und Jacobs sind sich einig, dass es ohne blaue Plakette schwierig wird, die Diesel-Fahrverbote zu kontrollieren. Denn vielen Autos sieht man nicht an, welche Antriebsart und welche Schadstoffnorm sie haben. Die Polizei müsste im fließenden Verkehr Fahrzeugpapiere kontrollieren. Bei der bisherigen Umweltzone ist die Zufahrtsberechtigung leicht an den grünen Aufklebern ablesbar.

Der Freistaat schließt allerdings Fahrverbote weiterhin kategorisch aus und verweigert sogar die Umsetzung eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der ein entsprechendes Konzept verlangt hatte. Die Bundesregierung will dies vorerst dulden. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erklärte dazu am Mittwoch im Bundestag: "Ich vertraue auf unsere Gerichtsbarkeit - bis hin zu Erzwingungshaft ist alles möglich." Dies zielt auf ihre bayerische Amtskollegin Ulrike Scharf (CSU) ab, die von einer solchen Maßnahme bedroht wäre.

Allzu lange Vorbereitungszeiten wären für eine Verschärfung der Münchner Umweltzone nicht mehr erforderlich. Der Luftreinhalteplan ist bereits mehrfach fortgeschrieben worden. Zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung und dem Inkrafttreten vergehen erfahrungsgemäß etwa sechs Monate. Die Stadt rechnet zusätzlich mit fünf Monaten, um die Umweltzone an die höheren Standards anzupassen. Das bedeutet vor allem, 350 neue Schilder aufzustellen.

Die Umweltzone ist in der Vergangenheit mehrfach verschärft worden. War sie anfangs nur für Autos ganz ohne Plakette tabu, wurden 2010 Fahrzeuge mit roten und 2012 auch mit gelben Plaketten ausgesperrt. Für Anwohner, Handwerker und Firmeninhaber mit Adressen in der Innenstadt gab es jeweils einjährige Übergangsfristen, die unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden konnten. Grundbedingung war allerdings, dass das Auto technisch nicht für eine bessere Schadstoffnorm nachgerüstet werden konnte. Weitere Ausnahmen gab es auf Antrag für unbedingt notwendige Fahrten.

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