Die Seen der Münchner (1):Verbotsschilder im Paradies

Rund um den Deininger Weiher gehören Verbotsschilder anscheinend zur Landschaft dazu. Doch das tut der Liebe zu dem See keinen Abbruch.

Karl Forster

Der See lädt nicht nur zum Bade, er ist, gerade für den Großstädter, in Sachen Erholung ein Gesamtkunstwerk. Man sitzt am Ufer und schaut hinaus in die Weite des Wassers, vielleicht scheint sogar die Sonne; man sitzt am Ufer im Biergarten und schaut ins Glas; man sitzt am Ufer, nachdem man den See umwandert hat. Jeder See um München hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen Charakter. Dies zu ergründen ist Ziel einer kleinen Serie.

Die Seen der Münchner (1): undefined
(Foto: Foto: SZ/Schunk, Hess)

Wo es bergab geht, geht es auch wieder bergauf. Das ist das Dumme, auch am Deininger Weiher, vor allem für Radfahrer. Die kommen gerne hierher, denn die Tour über Grünwald, Straßlach und Großdingharting zum Teufelsgraben ist recht angenehm. Doch dann geht es eben den Berg runter mit gut zwölf Prozent, bevor der Biker am für ihn nicht gebührenpflichtigen Parkplatz vor dem "Waldhaus" absteigt. Das Dumme passiert dann meist Stunden später: Da muss er, womöglich erholt und erschöpft zugleich vom Schwimmen oder Bier trinken, die zwölf Prozent in die andere Richtung wieder rauf. Und ist dann nassgeschwitzt - und reif fürs Bad.

Ursprung in der Eiszeit

Der Teufelsgraben, die Heimat des Deininger Weihers, zieht sich kilometerlang als Endmuränen-Relikt und Glazialtal der letzten Eiszeit südöstlich von München von Nord nach Süd (oder umgekehrt). In diesem Graben liegt auch das Geißental, das gleichnamige Bächlein speist den Deininger Weiher und verschwindet kurz nach dem Abfluss wieder im Geröll. Dieser kleine See wäre wohl eines der idyllischsten Fleckchen in weitem Umkreis für Spaziergänger, Radler und Wasserratten. Er liegt, eingebettet von Grün, das nur nach Süden offen ist, windgeschützt, still und ruhig.

Das moorige Wasser erwärmt sich schnell, da der See, knapp 100 Meter breit und 250 Meter lang, nur bis zu 1,80 Meter Tiefe aufweist. Im Norden, beim Wirtshaus, wo die Halbe im Biergartenbereich 2,50 Euro und der Wurstsalat nur sensationelle vier Euro kosten, ist das Hauptbadegelände mit einer abenteuerlichen Sprungbrettkonstruktion und einer Dusche. Im Süden ist eine kleine Bretterinsel verankert, bevor das Schilf dem Schwimmer Grenzen setzt. Rund herum führt ein kleiner, gepflegter Wanderweg. Nach Ascholding sind's elf Kilometer, nach Icking derer zehn.

Idylle mit bürokratischer Note

Nun ist es Zeit, den Konjunktiv, er wäre der idyllischste See, aufzuklären. Es gibt in ganz Deutschland wohl kaum eine Ecke, in der sich auf gut zwei Quadratkilometer so viele Verbotsschilder tummeln wie rund um den Deininger Weiher. Es scheint, als habe sich hier die Verwaltung einer Landschaft selbst ein Denkmal setzen wollen, als Schilder gewordenes Monster der Bürokratie.

Es beginnt schon am Parkplatz, wo kurz nach dem im Sommer wenig dienlichen Hinweis, es werde im Winter nicht gestreut, die Aufforderung prangt: "Besucher mit Hunden bitte den oberen Parkplatz benutzen. Der Grundstückseigentümer." Kurz danach wird's detaillierter: Weil man sich in einem Landschaftsschutzgebiet befinde, seien Feuer, Radio, Zelt und Abfall verboten.

Wir wandern ohne Feuer, Radio, Zelt und Abfall, aber mit Hund weiter, vorbei an mächtigen, im Schatten liegenden, aus gehälfteten Baumstämmen geschnittenen Sitzgruppen, vorbei an kleinen Liegewiesen, auf denen verbrecherischer Weise ein Radio Bayern 3 rausdudelt, bis hin zur Abzweigung, wo es weiterginge nach Ascholding, rechts aber der Rundweg zurück zum Wirtshaus über einen kleinen Steg führt. Und wieder ein Schild, groß, mächtig, schwarz auf weiß: "Landschaftsschutzgebiet (ja, wir wissen es!), Betreten nach Art. 6 d. 1. BayNatSchG geschützter Feuchtfläche verboten". Wenige Schritte weiter ist "das Betreten der Eisfläche verboten", nicht aber, dass lustige Entlein zwischen den im Gras liegenden Badegästen herumquaken.

Kurz vor dem Gebiet, auf dem das Ordern und Trinken von Bier wahlweise Apfelschorle erlaubt ist, steht nochmal ein Schild mit sage und schreibe zehn Verboten, unter anderem das Schieben von Fahrrädern auf nicht extra dafür gekennzeichneten Wegen. Hunde übrigens sind sowieso verboten, vor allem, wenn sie schwimmen wollen. Wogegen kein Schild den Menschen mahnt, die 40 500 Kubikmeter Wasser als Pinkelbecken zu missbrauchen. Dafür wird das Betreten des Wirtshausbereichs im Badeanzug, mit was auch immer, geahndet, und draußen auf dem Parkplatz darf man "nur vorwärts parken".

Trotzdem, oder gerade deswegen, lassen wir uns die Liebe zum Deininger Weiher nie und nimmer verbieten. Für ein bisschen Ruhe und Erholung nach des Tages Last und Müh ist er ein kleines Paradies.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: