Die Seen der Münchner (9) - Der Weßlinger See:Erholung mit künstlicher Lunge

Das kitschige oberbayerische Postkarten-Idylle findet man am Weßlinger See. Dennoch ist es dort traumhaft schön und birgt zudem viel Historisches.

Wolfgang Prochaska

Ein stiller, herzrunder See, Häuser hinter alten Bäumen, ein Café und viel Grün: Fertig ist das oberbayerische Postkarten-Idyll.

So ungefähr muss man sich den Weßlinger See und seine Umgebung vorstellen. Kitschig und wunderbar zugleich. Seelenstoff. Als Städter, der man doch immer bleibt, weiß man dies zu schätzen, zumal die Fahrzeit mit dem Auto oder S-Bahn nicht mal eine halbe Stunde beträgt.

200 000 Mark hat 1968 die Gemeinde für den See bezahlt, den ihr Graf Toerring zu Seefeld verkaufte. Aus heutiger Sicht: ein traumhafter Handel.

Mittendrin und trotzdem ruhig

Traumhaft, das ist ohnehin der Lieblingsausdruck, den auch Ausflügler immer wieder benutzen, wenn sie das gut überschaubare Ensemble aus Wasser und Dorfkulisse abschreiten. 20 Minuten braucht man dafür bei mittlerer Spaziergeschwindigkeit.

Mitten im Ort liegt der Weßlinger See, aber von den profanen Dingen des Lebens so abgeschirmt, als müsste er sich bewahren für die Maler und Künstler, die ihn schon im vorigen Jahrhundert reichlich besuchten. Absurd natürlich, denn sein heutiges Publikum sind rüstige Rentner, Jogger und die Weßlinger Sonntagsspazierer.

Nicht zu vergessen die Badelustigen, die sich bei schönem Wetter an einem schmalen Uferstreifen links und rechts des Kiosks tummeln - im Blickfeld stets die schlossartige Villa, in der noch ein Kunstmaler wohnt, und die alte Kirche Mariae Himmelfahrt, die mit viertelstündlichen Doppelschlägen die Zeit misst.

Seit die Ufermauer verschwunden ist, die aus alten Steinen des Weßlinger Bahnsteigs gebaut war, haben auch junge Familien ihre Freude am Seeleben. Es geht seicht und eben ins Wasser, und was das Wichtigste ist: das Wasser ist wieder sauber. Denn das See-Idyll braucht eine künstliche Lunge, um zu überleben.

Natur und Technik

Der Apparat in Seemitte pustet eine große Wasserfontäne in die Luft und pumpt gleichzeitig Sauerstoff in die Tiefe. Es vereinen sich also Natur und Technik auf das Schönste, als wäre es eine Erfindung der Staatsregierung. Durch die künstliche Lunge haben sich Flora und Fauna erholt. Die Schlagzeilen aber, dass der See vor dem ökologischen Gau stehe, hat die Zahl der Seefreunde aus der Landeshauptstadt schrumpfen lassen.

Also sind die Einheimischen am Badestrand und Seeufer oft unter sich, freuen sich über freie Plätze im Café Schmidt, in dessen Biergarten sich das ganze Sommertreiben mit einem schönen Kuchenstück gut beobachten lässt. Hier haben sich auch in Zeiten, als in Gemeinderatssitzungen noch Bier getrunken wurde, die Großkopferten des Dorfes getroffen, um schon einmal die wichtigsten Dinge vorzuberaten.

Dass Roland von Rebay, der Neffe von Hilla von Rebay, der ersten Direktorin des New Yorker Guggenheim-Museums, in Weßling sich als "Dorfarchitekt" betätigt, gehört ebenso zu den Selbstverständlichkeiten wie die Skulpturen am Seeufer, die von einem Bildhauer-Wettbewerb stammen. Gern sieht sich die Gemeinde als "Künstlerdorf" und kann auf eine lange Liste bekannter Maler - Auguste Renoir! - verweisen.

Am Badestrand geht es dennoch dörflich zu. Die Jugend versammelt sich am Steg, die Erwachsenen treffen sich am "Oberpfaffenhofener Lido", einem Holzpodest am Seeufer. Von dort aus geht der Blick nach Westen, in eine große, untergehende Sonne, die See, Ufer und Dorf in rötliches Licht taucht.

Eine Idylle wie aus dem Bilderbuch: Das Ufer des Weßlinger Sees säumen alte Bäume, hinter denen sich das Dorf und eine schlossartige Villa verstecken. Schon im vorigen Jahrhundert war der See beliebtes Ausflugsziel vieler Maler und anderer Künstler.

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