Die Mittelschule und ihre Bedeutung:"Die Hauptschule stirbt aus"

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Der Lehrerverband sieht Konzept des Kultusministers positiv - Rektoren suchen bereits nach Kooperationspartnern.

Christian Rost

Das vom bayerischen Kultusministerium entwickelte Konzept der Mittelschule wird in München dazu führen, "dass die klassische Hauptschule ausstirbt". Nach 2010/11 werde es keine Hauptschule mehr ohne einen Weg zum mittleren Bildungsabschluss in der Stadt geben, prognostiziert der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband. Die MLLV-Vorsitzende Waltraud Lucic sieht für "größere Hauptschulen nun die Chance gekommen, sich zu entwickeln". Kleinere Schulen würden sich schon deshalb mit anderen zu Mittelschulen verbünden, um nicht Auffangbecken für die leistungsschwächsten Schüler zu werden.

Mehr Berufsvorbereitung, Förderunterricht und ein Ganztagsangebot sollen die Hauptschulen - hier die Schule an der Cincinnattistraße - aufwerten. Der Name ändert sich in Mittelschule, weil neben dem Quali ein mittlerer Abschluss angeboten wird. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) will mit seinem Konzept vor allem kleinere Hauptschulen auf dem Land vor dem Aus bewahren. Aufgrund sinkender Schülerzahlen sind etliche Hauptschulstandorte bedroht. Nun sollen sich kleine Hauptschulen zu Schulverbünden zusammenschließen. In dieser Mittelschule gilt dann eine starke Berufsorientierung. Die Schüler können sich frühzeitig in den Zweigen Technik, Wirtschaft und Soziales auf die Lehre vorbereiten, wobei auch stärkere Kooperationen mit Berufsschulen, der regionalen Wirtschaft und der Arbeitsagentur vorgesehen sind.

Die Mittelschulen werden personell besser ausgestattet, etwa mit Förderlehrern für die Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Und der mittlere Abschluss, der an dieser Schulart direkt zu erreichen sein wird, ist dann dem von Wirtschafts- und Realschulen gleichgestellt. Für die Hauptschüler, die derzeit auch mit dem Quali schlechte Chancen am Ausbildungsmarkt haben, entwickeln sich völlig neue Perspektiven.

Mehr Schüler von oben als von unten

Obwohl die Münchner Hauptschulen nicht unter Schülermangel leiden, wird auch hier das Mittelschul-Konzept positiv gesehen. Bislang mussten sich die Großstadtschulen mit ihrer schwierigen Klientel als Sammelbecken für gescheiterte Schülerexistenzen sehen. Zum einen ist an den Hauptschulen der Anteil von Kindern aus bildungsfernen Schichten ohnehin besonders groß. Zum anderen müssen die Hauptschulen damit leben, "dass sie mehr Schüler von oben als von unten bekommen", sagt Waltraud Lucic. Somit setzt sich die Schülerschaft überwiegend aus Jugendlichen zusammen, die an Real-, Wirtschaftsschulen oder Gymnasien gescheitert sind.

In der Hauptschule am Gotzinger Platz etwa rechnet Rektor Franz-Josef Bruckbauer damit, im kommenden Schuljahr lediglich zwei fünfte Klassen bilden zu können, aber drei neunte. An allen Hauptschulen gibt es auch deswegen ein Motivationsproblem: Wer nach unten durchgereicht wurde und dann einer Schule zugewiesen wird, deren Abschluss kaum Perspektiven bietet, ist entsprechend frustriert. Die Mittelschule, so hoffen die Rektoren im MLLV, könnte dies ändern.

Gute Alternative zu Realschule oder Gymnasium

Auch Bruckbauer will seine kleine Schule im Verbund mit einer anderen zur Mittelschule weiterentwickeln. Erste Gespräche mit der Hauptschule an der Implerstraße gab es bereits. Und er knüpft weitere Kontakte: Das Kultusministerium sieht über den Hauptschulverbund hinaus eine geplante Kooperation mit der benachbarten Realschule positiv. Die Hauptschule am Gotzinger Platz könnte so wieder eine echte Zukunft bekommen - als Alternative zu Realschule oder Gymnasium. "Viele Eltern meinen, dass sie etwas versäumen, wenn ihre Kinder nicht auf höhere Schulen gehen", sagt der Hauptschulrektor. Wenn seine Schule einen weiterführenden Abschluss anbietet, glaubt Bruckbauer, könnten die Kinder und Jugendlichen dort "in einem anderen Tempo" mit wirklicher pädagogischer Betreuung ebenfalls an ein gutes Ziel gelangen.

© SZ vom 08.07.2009/apet - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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