Die Lederhose:Dieses angenehm schwartige Gefühl

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Eine richtige Lederhose ist eine Anschaffung fürs Leben - der SZ-Reporter testet die unterschiedlichsten Modelle.

Von Christian Mayer

Eine Investition in die Zukunft, ein Produkt mit Langzeitgarantie. Selbst im ranzigsten Zustand präsentabel. Über alle Moden erhaben. Tragbar auf der ganzen Welt, ob beim Tegernseer Waldfest, beim Little Oktoberfest in Sydney oder in den Häuserschluchten von Manhattan, wie Oskar Maria Graf gezeigt hat.

Über welches andere Kleidungsstück lässt sich Ähnliches sagen? Eine Lederhose überlebt in der Regel ganze Generationen, meist auch den Besitzer selbst. Deshalb will der Kauf wohl überlegt sein. Vielleicht sollte man seine Suche nach der richtigen Hose dort beginnen, wo die Zeit stehen geblieben ist.

In der Schellingstraße 81, wo Michaela Klein ihren Second-Hand-Trachtladen "Holareidulijö" betreibt. Das Geschäft ist längst nicht so affektiert wie der Name: Drinnen, zwischen Kini-Figuren und anderen weiß-blauen Kitschaccessoires, hängt eine beeindruckende Auswahl bereits eingeweihter, also in die Passform des Vorgängers gebrachte Lederhosen. Sogar der brasilianische Ex-Bayern-Stürmer Giovane Elber war mal hier, er ziert jedenfalls das Schaufenster. Ob er seine Krachlederne mit nach Lyon, zu seinem neuen Arbeitgeber, genommen hat?

Inhaberin Michaela Klein (natürlich im Dirndl) wirkt so, als sei für sie 365 Tage im Jahr Oktoberfest: Es scheint ihr großes Vergnügen zu bereiten, ihre Kunden als Hirschhorn-geknöpfte Klischeebayern zu verkleiden. "Schaun mer mal, ob wir da einen Hintern reinkriegen", tröstet sie den Kunden, der sich noch etwas verloren fühlt in der ausufernden Antik-Hose.

Eine Blase am Po - damit wäre der Spott im Schottenhamel-Zelt garantiert. Nach zwei Versuchen findet sich eine handbestickte Hirschlederne. Herkunftsort: Miesbach. Vorbesitzer: unbekannt. Zustand: angenehm schwartig, um die Beine schön kühl. Das Ding ist unverwüstlich - als das Leder einmal faltenlos geglänzt hat, muss Franz Josef Strauß Verteidigungsminister gewesen sein. Passt trotzdem wie angegossen.

Der Rolls Royce im Regal Wertkonservativer ist das Fachgeschäft "Tracht und Heimat" am Oberanger. Besitzerin Ursula Fröhner ist schon als kleines Kind die Holzstiege hinauf in den ersten Stock geklettert, schließlich ist sie im Haus hinterm Jakobsplatz aufgewachsen.

Röcke, Mieder, Dirndlblusen finden sich im Erdgeschoss. In der oberen Etage, wo alte Bauernschränke stehen und die Großstadt meilenweit entfernt scheint, lässt sich die gehobene Kundschaft mit garantiert sämisch gegärbter Ware einkleiden. "Das ist der Rolls Royce unter den Lederhosen", ruft Ursula Fröhner in Richtung Umkleidekabine. Tatsächlich, Modell "Feistritz" sitzt wie maßgeschneidert. Auch nach der dritten Maß? "Das Hirschleder lebt mit", sagt Frau Fröhner sehr überzeugend.

Schwerer hat es in diesem Jahr die viel geschmähte, aber lange erfolgreiche Landhausmode. Überhaupt sind flippige Phantasietrachten, bei denen Brauchtumsforscher und Traditionalisten erbost den Kopf schütteln, nicht mehr aktuell. Wie gut, dass sich die Stammkundschaft des Designer-Trachtenladens "Exatmo" in der Franz-Joseph-Straße nicht nur zur Wiesnzeit ausstaffieren lässt. "Zu uns kommen Leute, die es gerne historisch haben oder ungewöhnliche Feste feiern", sagt Angelika "Angel" Oppenberger, die mit Ehemann Helmut die "Macht der Tracht" als Lebensmotto entdeckt hat.

Abgesehen davon, dass man sich bei "Exatmo" von Kopf bis Fuß als postmoderner Landsknecht mit Federschmuck ausrüsten lassen kann, gibt es hier sündteure Lederhosen, vom Designerduo selbst entworfen. Das bis zu den Waden reichende Modell "Chevalier" hat den Vorteil, über ein buntes Innenfutter zu verfügen. "Ist hygienischer", rät Angel Oppenberger. Dann klingelt das Telefon. "Die Leute rufen aus Marbella an, um sich ihr Wiesn-Outfit zu bestellen", sagt sie hinterher. Trotzdem, die Geschäfte laufen heuer nicht ganz so gut wie im vergangenen Jahr. Vielleicht ist ja auch das schöne Wetter Schuld.

Schlicht und kurz

Konservativer und bodenständiger sind die Kunden geworden: Diese Beobachtung hat auch Alexander Negovanovic von Loden-Frey gemacht. Zumindest was die Lederhose angeht, bei der ein paar Schnörkel und Stickereien gerade noch durchgehen. Lange, mit allerhand Schnüren und barocken Aufsätzen versehene Lederhosen, wie sie noch vergangene Saison vorzugsweise von Touristen aus Bremerhaven oder Husum getragen wurden, gehen nicht mehr gut.

Stattdessen dominiert wieder die klassische Urform, die knielange, schlichte Version, die vor allem eines signalisiert: Beständigkeit in Krisenzeiten, in denen Trinkfestigkeit und Zähigkeit gefragt sind. Verkäufer Negovanovic im Stammgeschäft am Dom freut sich schon auf nächste Woche. Dann darf er die Neuzugänge des TSV 1860 München mit der vereinseigenen "Löwen"-Hose aus Ziegenleder einkleiden.

Damit der Finne Janne Saarinnen oder der Chinese Jiayi Shao nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern auch im Wiesnzelt eine passable Figur machen. Womit wir wieder den Beweis haben, dass die Globalisierung der Lederhose nicht aufzuhalten ist.

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