Die Kunst des Catering:Koch auf allen Hochzeiten

Der Aufwand für ein gutes Catering ist enorm: Alles muss reibungslos ablaufen, sonst engagieren die Kunden jemand anderen. Ein Blick hinter die Kulissen des Luxus-Caterers Dahlmann

Von Andreas Schubert

Als ein Reisebus die ersten Gäste ausspuckt, geht es hinter den Kulissen ein bisschen zu wie vor einem Bühnenauftritt. Kellner in ihren weißen Hemden richten sich die Krawatten gerade. Die weiblichen Bedienungen, alle im schwarzen Kleid, stellen sich in Position. Gleich steht eine Feier in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg an. Und gleich werden sie beim Empfang Champagner in Porzellanbechern servieren, von denen jeder einzelne dreimal so viel kostet wie eine Flasche des Inhalts. Sie werden Tartar-Häppchen vom Saibling oder Rind auftragen. Wolfsbarsch-Sashimi oder Auberginenkaviar. Und sie werden: lächeln, lächeln, lächeln - den ganzen Abend lang. Trotz eines straffen Ablaufs, bei dem nichts schiefgehen soll.

"Meine Mitarbeiter müssen Spaß an der Arbeit haben", sagt Ulrich Dahlmann. Miesepeter machten den Gästen schlechte Laune. Und schlecht gelaunt soll diese Feier niemand verlassen. Da hätte Ulrich Dahlmann sein Ziel verfehlt. Dahlmann, 44, ist Chef eines Catering-Unternehmens, das er vor neun Jahren gegründet hat. Vor seiner Selbständigkeit arbeitete er unter anderem im Bayerischen Hof, als Veranstaltungsleiter bei Käfer und als Deutschlandchef beim österreichischen Caterer Do & Co. Und er ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass es beim Catering auf jedes noch so kleine Detail ankommt. Den ersten Eindruck kann man nicht wiederholen, wenn es ein schlechter ist, merkt sich das der Kunde - und bucht beim nächsten Mal jemand anderen.

Dahlmann hat sich auf das Luxuscatering spezialisiert. Entsprechend diskret gibt er sich, was seine Kunden betrifft. Viele Wirtschaftsbosse sind darunter. Mitarbeiter, die auf einer privaten Feier kellnern, dürfen nicht darüber reden. Das steht im Vertrag. Dass ihn manche Kunden dann selber auf Facebook oder in der Gala oder der Bunten erwähnen, dafür kann Dahlmann nichts. Und dass die Klatschpresse auch gerne schreibt, wer das dänische Kronprinzenpaar bekocht, ist natürlich auch eine gute Werbung.

Caterer wie Dahlmann kümmern sich auf Wunsch um alles, von der Musik bis zu Dekoration und natürlich um das Essen. Das geht so: Kunden fragen einen Termin an, dann trifft man sich schon mal im Daily, dem Lokal in der Dahlmann-Zentrale in der Parkstadt Schwabing zum Probeessen, bespricht die Location und das Drumherum. Ob es nun Hugo Boss mit 1800 Gästen auf der Fashion Week in Berlin ist oder ein privater Geburtstag mit nur 20 Gästen irgendwo in der Pampa: Jeder Kunde soll genau das bekommen, was er will. Eine Firma möchte ihr Logo auf den Wasserflaschen? Kein Problem. Und ein Hochzeitspaar möchte - warum auch immer - auf einem Elefanten reiten? Gab's auch schon. Pimp my Dinner - das wollen die Leute heutzutage. Und das kostet dann schon mal Hunderttausend Euro oder mehr, die Skala ist nach oben offen. Dabei legen die Kunden, egal bei welchem Anbieter, zunehmend Wert auf die Qualität des Essens - wer kann, der kann.

Auf 450 Veranstaltungen kocht Dahlmann-Catering inzwischen pro Jahr. Und der Chef versucht, auf möglichst vielen persönlich dabei zu sein. Es kommt vor, dass er vormittags auf einer Hochzeit in Starnberg ist, mittags auf einer Firmenpräsentation in München und abends auf einer Feier in Berlin oder Düsseldorf. Die meisten großen Events spielen sich in Berlin ab.

Wenn Dahlmann erzählt, wo er wann dieses Jahr noch überall hinmuss, und dass er nach einer Woche Urlaub jetzt wieder "richtig Gas geben" will, wirkt er wie ein Getriebener, der unbedingt alles unter Kontrolle haben will. Aber man muss sich eben von der Konkurrenz abheben. "Der persönliche Kontakt ist wichtig", sagt Dahlmann. Und auch an diesem Abend, an dem er ein Dinner für 100 Gäste in Nymphenburg ausrichtet, ist er an Ort und Stelle. Eine halbe Stunde bevor die ersten Gäste ankommen, ist er frisch vom Urlaub auf Kreta zurück, um sich um den Kunden persönlich zu kümmern. Der Kunde ist der Schweizer Uhrenhersteller Patek Philippe, der eine Veranstaltung für seine Konzessionäre in München abhält. Und weil das Unternehmen, dessen Uhren zu den teuersten der Welt gehören, gewisse Ansprüche hegt, muss alles perfekt ablaufen. Darauf achtet der Chef und gibt zu, dass er zu solchen Anlässen immer ein wenig angespannt ist, aber nicht nervös - so viel Selbstbewusstsein hat der aus einem Dorf in der Fränkischen Schweiz stammende Unternehmer dann doch.

65 Festangestellte arbeiten in der Dahlmann-Zentrale in der Parkstadt Schwabing neben den Highlight Towers, darunter 20 feste Köche. Für Veranstaltungen hat Dahlmann noch einen Stab von festen Freien, die eigens für das Event-Catering geschult sind. In Nymphenburg sind diesmal 14 Kellner und sechs Köche anwesend. Bei einer Veranstaltung mit 1000 Leuten braucht ein Caterer dieser Klasse etwa 30 bis 35 Köche und 110 Kellner.

Tags zuvor in der Küche in Schwabing: Bis zum Dinner in Nymphenburg sind es noch etwa 30 Stunden. In der Küche schälen die Hilfsköche Spargel, die Köche bereiten das Fleisch vor, das dann 24 Stunden lang auf Niedrigtemperatur vor sich hingaren soll. Thomas Forster holt Hummer aus dem vier Grad kalten Kühlschrank, bindet zwei zusammen und versenkt sie für fünf bis sechs Minuten im kochenden Wasser - lebend. Das muss so sein, sagt Forster. "Sonst schmecken die nicht." Schon morgens um acht haben sie angefangen, das Essen für den nächsten Abend vorzubereiten. 60 Prozent der Speisen werden am Vortag vorgekocht, gekühlt, vor Ort in einem mobilen Ofen fertiggestellt und angerichtet. Cook and chill heißt das im kulinarischen Neusprech. Der Rest wird in der mobilen Küche, die das Team schon am Vormittag aufbaut, frisch gekocht. Das Essen und das gesamte Equipment wird auf genauestens beschriftete Transportwagen gepackt und mit Lastwagen zur Location geliefert, egal, wo ein Catering stattfindet.

Von Schwabing nach Nymphenburg sind es nur ein paar Kilometer, da kann auf dem Weg nicht viel passieren. Bei weiteren Distanzen ist das anders. Einmal blieb ein Laster auf der Autobahn nach Berlin im Schneesturm liegen und das Team musste dann improvisieren, Lebensmittel und Ausrüstung vor Ort besorgen.

Am Tag der Veranstaltung dann gibt sich das Team konzentriert aber entspannt. Diesmal haben Transport und Aufbau reibungslos geklappt. Am Nachmittag haben die letzten Vorbereitungen für das Menü begonnen. "Mise en place" ist das Zauberwort, das Dahlmann-Küchendirektor Thomas Forster gerne verwendet, wenn er über seine Arbeit redet. Der Begriff steht für genaue Vorbereitung und dass alles am richtigen Ort greifbar ist, wenn es schnell gehen muss. "Planung ist alles", sagt Forster. Und anders als in der Restaurant-Küche, wo sie die Menüs vielleicht alle paar Wochen ändern, kochen Forster und sein Team pro Woche mehrere verschiedene auf Spitzenniveau.

Forster musste sich bei seinem Umstieg von der Restaurant- auf die Catering-Küche auch erst einmal an eine völlig andere Art des Organisierens gewöhnen, denn wenn an der Location etwas fehlt, kann man es nicht einfach aus der Speisekammer holen. Außerdem bestimmt der Kunde den Zeitplan, wann das Essen auf den Tisch soll, viele Veranstaltungen sind streng getaktet. Und die jeweils 100 Portionen der einzelnen Gänge müssen binnen acht Minuten raus, da muss jeder Handgriff sitzen.

Das Menü ist aufwendig: Der Hummer kommt pochiert und natürlich ohne Panzer auf den Teller, unter anderem mit Erbsenpüree und einem dezent über die Beilagen gestreuten Erbsenkrokant. Gang zwei ist Spargelrisotto mit einem Brunnenkresseschaum, dann kommt ein "Zweierlei vom Kalb" mit Miniaturgemüse, Topinamburpüree und Portweinjus, und als Dessert tragen die Kellner einen Schokoladenkuchen auf, garniert mit Mango, Kokoseis und kandiertem Ingwer. Für die Speisen haben sie nur frische Zutaten verwendet und alles selbst gekocht. Für den Erbsenkrokant haben sie sogar frische Gartenerbsen selbst getrocknet und zermahlen. "Wir orientieren uns an der Zwei-Sterne-Küche", sagt Dahlmann. Und mit dem früheren Witzigmann-Mitarbeiter Thomas Forster hat er auch den richtigen Koch dafür.

Wenn der Kunde Patek Philippe heißt, kann man den Gästen keine Leberkässemmeln vorsetzen. Aber wer Leberkäs will - würde ihn auch bekommen, vermutlich dann an Brezenchip und Dijonsenfschäumchen. An diesem Abend ist das Menü eher französisch-international ausgerichtet. Sous-Chef Frederic Kerkhoff hat im zweiten Obergeschoss mit ein paar Kollegen Stellung bezogen. In aller Ruhe richtet er akribisch die Teller für den Hummergang an. Als Arbeitsplatte dienen Biertische, die mit eigens angefertigten Holzböcken erhöht sind, damit sich die Köche nicht zu tief bücken müssen.

Er weiß wie alle, dass in ein paar Minuten alle Essen fast gleichzeitig an die Tische kommen müssen. Stress sei das aber nicht. "Stress bedeutet Hektik, bei Hektik passieren Fehler", sagt er. Eine Etage tiefer werkelt Thomas Forster mit seiner Crew. Auch hier: Keine Hektik. Das Team wirkt gut eingespielt. Jede Bedienung hat ihren Tischplan, jeder ist über Sonderwünsche von Gästen informiert - und Sonderwünsche gibt es immer.

Als es dann so weit ist, dass die Kellner sich mit jeweils zwei Tellern in ihren handschuhbewehrten Händen aufstellen, kommt noch mal Ulrich Dahlmann vorbei und wirft einen prüfenden Blick auf sein Personal. "So, Jungs, noch mal eine Runde Schweiß abtupfen", sagt er. Und als einem eine weiße Serviette aus der schwarzen Hosentasche schaut, zieht Dahlmann sie ihm heraus. "Das schaut nicht gut aus." Dann geht die Show los, die Rolle der Frauen ist es, für Brot- und Getränke-Nachschub zu sorgen. Weil es schnell gehen muss, setzen sie bei Dahlmann auf Weine mit Schraubverschluss, dann geht das Servieren schneller und man muss nicht vorsorglich zig Flaschen entkorken. Die Männer übernehmen mit den Tellern den schwereren Part. Als sich der Trupp in Bewegung setzt, stoppt einer der Kellner seinen Hintermann, weil auf einem Teller ein Rosmarinzweiglein fehlt. Der Teller wird ausgetauscht - los geht's.

Anders als bei so manchen Catering-Terminen auf der Berlinale oder der Fashion-Week sind diesmal keine Stars und Sternchen unter den Gästen. Und Juwelieren beim Essen zuzuschauen, mag vielleicht nicht sonderlich berichtenswert sein. Aber das Team bei der Arbeit zu beobachten, ist lehrreich. Gläser bleiben nicht lange leer, wer noch etwas Nachschlag will, dem bringt ihn der Chef persönlich - ein Dienstleister halt. Im Flur spielt während des Essens ein Jazz-Trio. Und zwischen den Gängen ziehen die drei Musiker - auch der Kontrabassist - durch den Saal, um die Stimmung ein wenig anzuheizen.

Dahlmann hat an alles gedacht. Zwischen Hauptgang und Dessert stellt er am Ausgang des Hauses noch Aschenbecher auf und drapiert zwei Schachteln Zigaretten auf einem Tischchen. "Manche Leute wollen nach dem Essen eben eine rauchen", sagt Dahlmann. Ist ein Aschenbecher voll, leert er ihn schon mal selber aus. Später stellt er noch zwei Schalen mit Himbeeren und Blaubeeren hin. Ansonsten wird der Smalltalk mit den Gästen gepflegt - Netzwerken ist in dieser Branche unerlässlich. Beim Rauchen klappt das ganz gut.

Dahlmann sagt, seine Firma wolle nur langsam wachsen. Gut zehn Millionen betrug der Umsatz im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: Käfer setzt jährlich knapp 130 Millionen um, Dallmayr gut 45 Millionen. Die Luxuscaterer kommen heutzutage hauptsächlich bei sogenannten B2B-Events zum Einsatz, also bei Veranstaltungen, die Firmen für ihre Geschäftspartner ausrichten. Auch der Patek-Philippe-Abend ist so eine Business-to-Business-Sache. Warum sollte man das Geschäft nicht mit etwas Angenehmem verbinden, meint einer der Gäste.

So sieht das Ulrich Dahlmann auch, schon von Berufs wegen. Als sie oben die letzten Teller abgeräumt haben, die Köche ihre Ausrüstung und das schmutzige Geschirr wieder auf die Wagen packen, die Gäste noch einen Digestif trinken und den Abend ausklingen lassen, ist Dahlmann auch sichtlich entspannter und gönnt sich eine Zigarette. Aber die nächsten Termine sind nicht weit. Dahlmann holt drei Visitenkarten aus seiner Tasche und zeigt sie vor wie Trophäen. "Drei neue Kontakte", sagt er. "der Abend hat sich mal wieder gelohnt."

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