Die Fassade hat noch Lücken:Kristall mit Flecken

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Sprungschanze nennen die Poinger die neue Kirche Seliger Rupert Mayer, die im Juni eingeweiht wird. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Poings neue Kirche wird später fertig, weil eine Baufirma pleite ging

Von Barbara Mooser, Poing

Wie ein funkelnder Kristall soll der neue Kirchenbau wirken, weiß und strahlend, markant gezackt. So zumindest stellt sich Architekt Andreas Meck das vor. Die Poinger freilich haben längst ihren eigenen Spitznamen für den Bau: Sprungschanze nennen sie es despektierlich-liebevoll. Ein Blickfang ist die neue Kirche am Schnittpunkt zwischen der modernen Ortsmitte, den ausgedehnten Wohngebieten für die vielen Neubürger und den Gewerbegebieten an der viel befahrenen Gruber Straße auf jeden Fall - zumindest von außen. Der Blick ins Innere des 14,6 Millionen Euro teuren Bauwerks blieb den Poingern bisher verwehrt; erst am 10. Juni wird Kardinal Reinhard Marx die Pfarrkirche Seliger Rupert Mayer weihen.

Dabei hätten die Poinger ihr neues Gotteshaus eigentlich schon vor den Holzkirchnern beziehen sollen. Für den 15. Oktober 2017 war die Einweihung angesetzt, seit Monaten hatten sich die Gläubigen vorbereitet, Veranstaltungen geplant, auch eine Menschenkette von der alten zur neuen Kirche. Die Insolvenz des Fassadenbauers machte alle Pläne zur Makulatur, erst Anfang 2018 fand sich eine neue Firma, die sich daran machte, die Lücken in der glänzenden Keramikfassade zu schließen.

Doch die Poinger sind es gewohnt, dass es mit ihrer neuen Kirche nicht so schnell voran geht, wie sie sich das eigentlich wünschen würden. Die ersten Pläne für den Bau stammen nämlich bereits aus den 80er Jahren, Anfang der 90er gab es sogar schon einmal einen genehmigten Entwurf, es hätte praktisch sofort losgehen können, was aber nicht passierte. In regelmäßigen Abständen wurde die Idee wieder aus der Schublade geholt - und dann auch wieder zurückgelegt. "Gottes Mühlen mahlen langsam, und das Ordinariat ist eine Außenstelle", kommentierte der Kirchenpfleger und frühere Bürgermeister Rainer Lauterbach das einmal trocken.

Den Bedarf für eine neue Kirche in Poing sah man im Ordinariat aber tatsächlich schon vor Jahrzehnten. Die Gemeinde im Münchner Osten hat sich schließlich bereits damals einen konsequenten Wachstumskurs verordnet. 1980 lebten knapp 6000 Menschen in Poing, 2017 schon gut 10 000 mehr. Die Kirche Sankt Michael im alten Ortszentrum, die um 1200 errichtet wurde, bietet Platz für nur 220 Gläubige - zu wenig, jedenfalls an den Festtagen.

In der neuen Kirche können 350 Menschen zusammen Gottesdienste feiern. Sankt Michael wird deshalb nicht aufgegeben, es wird zur Filialkirche, aber nicht zur "Werktagskirche", wie Pfarrer Christoph Klingan sagt. Sonntags haben die katholischen Christen in Poing künftig die Wahl, ob sie um 9 Uhr die Messe in Sankt Michael oder doch lieber um 10.30 Uhr die in der neuen Kirche besuchen. Dies wird auch etliche Alt-Poinger etwas mit dem Neubau versöhnen, der nicht nach jedermanns Geschmack ist.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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