Die Enkel-Masche:Wenn Rentner Kriminelle reinlegen

Auf einer Infoveranstaltung klären Polizisten auf, wie man Trickbetrüger fasst - und wie die Opfer dabei helfen können

Von Florian Haenes

An einem Nachmittag im letzten Jahr werkelte Bruno S. gerade an seiner Garage, als er einen Anruf erhielt. Die Stimme des Anrufers kannte er nicht, doch dieser rief: "Hey Bruno, kennst du mich noch? Wer ist denn dein Lieblingsenkel?" Zunächst habe er gezögert, sagt der 67-jährige Rentner am Mittwoch bei einer Informationsveranstaltung über Trickbetrüger im Münchner Polizeipräsidium. Doch dann habe er sich an den Enkeltrick erinnert, mit dem Betrüger versuchen, älteren Menschen ihre Ersparnisse zu stehlen. Bruno S. täuschte vor, den Anrufer für seinen Enkel Dominik zu halten. Zeitgleich rief er mit seinem Handy die Polizei an und flüsterte in den Hörer, da auf der anderen Leitung noch der Betrüger lauschte. Zum Zugriff kam es jedoch nicht: Offenbar fanden die Betrüger seine Wohnung nicht - von ihnen fehlt bislang jede Spur.

Mehr als 500 Delikte des Enkeltricks hat das Münchner Polizeipräsidium im vergangenen Jahr verzeichnet. Selbst eine eigene Ermittlungsgruppe beschäftigt sich mit dieser Form der Trickbetrügerei. "Die Täter sind sehr misstrauisch und nicht einfach zu fassen," sagt Chefermittlerin Michaela Vetter. Wolle die Polizei Betrüger festnehmen, sei sie auf Betroffene angewiesen, die ruhig bleiben und sich gegenüber dem Anrufer normal verhalten.

"Das Theatralische liegt mir im Blut," sagt Bruno S., als er von dem Anruf erzählt, den er zwei Monate nach dem Anruf seines falschen Enkels Dominik erhielt. Diesmal handelte es sich um eine angebliche Enkelin, die behauptete, für einen Wohnungskauf dringend 35 000 Euro zu benötigen. Einen dementen Mann habe er gespielt, erzählt Bruno S., und die Betrügerin über zwei Stunden mit vorgetäuschter Vergesslichkeit hingehalten. Als die angebliche Freundin der Enkelin bei ihm zu Hause das Geld abholen wollte, habe er sich auf ein Bänkchen vor sein Haus gesetzt - wie das alte Männer eben machen. Die Frau ging ins Haus, um das Geld abzuholen, doch dort wartete schon die Polizei und nahm die 17-jährige Täterin fest.

Doch nicht jeder denkt bei einem Anruf von Betrügern sofort an den Enkeltrick. Im April 2015 sollte der Taxifahrer Gerhard S. in Pasing eine 88-Jährige zur Bank fahren, wo die Rentnerin 30 000 Euro für den Hauskauf ihrer Enkelin abheben wollte. Der Taxifahrer hakte nach, wurde misstrauisch und fuhr zur nächsten Polizeiinspektion. Auch die Mitarbeiter der Stadtsparkasse erleben immer wieder Fälle, bei denen Rentner große Summen für angebliche Verwandte abheben wollen. "Wir überschreiten dann schon eine Grenze, wenn wir den Kunden fragen, was er mit der großen Summe vorhat", sagt der Serviceberater Pascal S. Mitunter reagierten die Kunden unwirsch, und sagten, das gehe den Bankmitarbeiter gar nichts an. Doch gerade in Fällen, bei denen Sparkassenmitarbeiter ihre Kunden schon lange kennen, konnten sie zuletzt Enkeltricks vereiteln.

Die Betrüger versuchen es auch mit anderen Tricks: Die Polizei registriert vermehrt Schockanrufe, bei denen die Täter um Geld für eine angebliche Kaution bitten, um eine Inhaftierung abzuwenden. Immer wieder haben sich auch Betrüger als Polizeibeamte oder Handwerker ausgegeben, um sich Zutritt zu den Wohnungen ihrer Opfer zu verschaffen und Wertsachen zu entwenden. Auch unter dem Vorwand, ein Bankmitarbeiter zu sein und jüngst abgehobenes Falschgeld überprüfen zu wollen, haben sich Betrüger Geld erschlichen. Beim sogenannten Callcenterbetrug drohen Anrufer, ein Inkassounternehmen einzuschalten, wenn eine angebliche Rechnung nicht gezahlt würde. Wie viele Menschen solchen Betrügereien schon zum Opfer gefallen sind, ist unklar. Häufig sind die Opfer beschämt, die Dunkelziffer ist entsprechend hoch.

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