Die EAV im Circus Krone:Das Böse ist nicht mehr überall

Liebe, Möpse und die Mikrowelle des Alltags: Die EAV beeindruckt beim Auftritt in München mehr durch Kostüm und Kulisse als durch sozialkritische Texte.

A. Fischhaber

"Das Böse ist immer und überall" - das ist dank der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV) und ihrem Hit "Ba-ba-ba-banküberfall" allseits bekannt. Beim "Amore-XL"-Auftritt der Austro-Rocker im Circus Krone in München ist das jedoch nur schwer zu glauben: Als das Licht angeht, tragen die Bandmitglieder pinke Sakkos, unter den Instrumenten blinken rote Herzen und im Hintergrund ziehen rosa Wölkchen aus Pappe vorbei. Die Texte handeln allesamt von der Liebe - und wirken zumindest auf den ersten Blick mehr als harmlos.

Die EAV im Circus Krone: Rosa Sakko und die Liebe - EAV-Sänger Klaus Eberhartinger bringt bei der "Amore-XL-Tour" beides zusammen.

Rosa Sakko und die Liebe - EAV-Sänger Klaus Eberhartinger bringt bei der "Amore-XL-Tour" beides zusammen.

(Foto: Foto: dpa)

Lange Jahre wurde die EAV als Spaßband missverstanden - dabei hatten es die Texte der sprachgewandten Rocker durchaus in sich. So manchem verging bei so viel Sozialkritik der Spaß. Zahlreiche Songs wurden wegen ihrer kirchenkritischen Inhalte von Rundfunksendern boykottiert - so weigerte sich der Bayerische Rundfunk "S'Muaterl" zu spielen, man wollte den Papst nicht verärgern. Der ehemalige österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim drohte nach "Wann man gehn muß" mit einer Klage, Rechtspopulist Jörg Haider zog gegen die Band wegen "übler Nachrede" vor Gericht.

Nach dem Rechtsruck bei der österreichischen Nationalratswahl vor knapp zwei Wochen, bei der eben jener Haider mit elf Prozent ein Comeback feierte, durfte man gespannt sein auf die Antwort der EAV. Doch die fällt am Mittwochabend in München ziemlich banal aus: "Vielleicht lässt sich die Wahl mit einem fehlgeleiteten Sexualtrieb erklären", ruft Sänger Klaus Eberhartinger der Menge zu. "Oder die CSU hat hier die absolute Mehrheit verloren, weil so viele Bayern nach Österreich abgewandert sind!"

Eine Zugabe nach der anderen

Dann widmet sich der Frontmann mit den blondierten Haaren wieder der Pubertät und Möpsen - fast so als hätte sich die EAV inzwischen mit ihrem Image abgefunden und wolle wirklich nur noch Spaß haben. Nicht nur die Liebe vergeht in der Mikrowelle des Alltags, der österreichischen Band scheint es nicht viel besser ergangen zu sein. Der sozialkritische Anspruch erschöpft sich in Witzen wie "Paris Hilton ist blöd für zwei". Besonders deutlich wird das gesunkene Niveau, wenn man die Texte des neuen Albums "Amore" mit alten Hits wie "Burli" vergleicht, der auch 22 Jahre nach Tschernobyl nichts von seiner Provokationskraft verloren hat.

Das Publikum scheinen die Blödeleien nicht zu stören: Selbst beim größten Klamauk, lacht eine alte Dame Tränen - und mit ihr der gesamte Circus Krone. Richtig Stimmung kommt an diesem Abend nur auf, wenn die EAV ihre Klassiker vom "Märchenprinz" bis zu "Küss die Hand schöne Frau" spielt. Dann hält es kaum mehr jemanden auf den Sitzen. Und auch Bandgründer, Texter und Gitarrist Thomas Spitzer, der unter seinem pinken Sakko ein Shirt mit der Aufschrift "Fuck Me I'm Famous" trägt, hat sichtlich Spaß.

In solchen Momenten merkt man wieder, dass die Österreicher auf 30 Jahre Bühnenerfahrung zurückblicken können. Ende der Siebziger feierte die Band erste Erfolge in der alternativen Clubszene. Nach zahlreichen personellen Wechseln gelang mit dem fünften Album "Geld oder Leben!" (1985) schließlich der Durchbruch in der deutschsprachigen Welt. In den Folgejahren lieferten die Austro-Rocker reihenweise Hits ab. 1991 bekamen sie den World Music Award verliehen. In den vergangenen Jahren war es ruhig um die Truppe geworden, doch die Lust am Liveauftritt, an Kostüm und Kulisse trieb die EAV wieder auf die Bühne.

Die neuen Songs sind kaum der Rede wert, die farbenfrohe Rockshow ist dafür einmal mehr ein Ereignis. Mal verwandelt sich die Bühne per Schattenspiel in die Praxis des Psychoanalytikers Sigmund Freud, dann kommen die Bandmitglieder als Außerirdische verkleidet auf die Bühne. Die EAV hat so viel Spaß an der eigenen Show, dass sie eine Zugabe nach der anderen gibt. Und als die Austro-Rocker nach zweieinhalb Stunden dann doch noch den "Ba-ba-ba-banküberfall" anstimmen, weiß man wieder: Das Böse ist zwar nicht mehr immer und überall, aber es existiert auch nach 30 Jahren EAV noch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: